Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Als sie starb, beschwor sie den General, alle diese Papiere an sich zu bringen, und so war der Alte factischer Eigenthümer von Juliens Familiengut geworden. Von alledem wußte die junge Frau keine Silbe, als sie sich auf den Rath ihres Mannes an den Alten wendete. Aha, kommst du endlich? rief der alte General; ist die Stunde da, wo dir die Augen aufgehen, wie es mit dir bestellt ist? -- Er ließ sie gar nicht zu Worte kommen, als wüßte er Alles, was sie wollte, Alles, wie es stand. Du bleibst jetzt hier, sagte er noch, ich werde morgen früh meinen Secretär zu dem Menschen schicken, der sich deinen Mann nennt, um seine Bücher zu untersuchen. Dann wollen wir ein letztes Wort mit einander reden. Die Nacht war zu weit vorgerückt, als daß Frau Julia zurückkonnte, und sie mochte sich durch eine übereilte Entschiedenheit nicht die letzte Hoffnung rauben, die sie auf eine Untersuchung der Bücher setzte. Sie hielt Alles nur für eine momentane Calamität, und um den alten General bei guter Laune zu erhalten, blieb sie die kurzen Stunden. Am andern Morgen in aller Frühe -- es war just um dieselbe Zeit, wie jetzt, wo die Himbeeren reif werden, und ich war gerade hier im Gartenhäuschen auf der nämlichen Stelle -- da höre ich plötzlich ein Traben und Rasseln, und ein bepackter Reisewagen kommt angefahren und hält dort an der Brücke. Neugierig, was das zu bedeuten hat, trete ich an das Fenster, da sehe Als sie starb, beschwor sie den General, alle diese Papiere an sich zu bringen, und so war der Alte factischer Eigenthümer von Juliens Familiengut geworden. Von alledem wußte die junge Frau keine Silbe, als sie sich auf den Rath ihres Mannes an den Alten wendete. Aha, kommst du endlich? rief der alte General; ist die Stunde da, wo dir die Augen aufgehen, wie es mit dir bestellt ist? — Er ließ sie gar nicht zu Worte kommen, als wüßte er Alles, was sie wollte, Alles, wie es stand. Du bleibst jetzt hier, sagte er noch, ich werde morgen früh meinen Secretär zu dem Menschen schicken, der sich deinen Mann nennt, um seine Bücher zu untersuchen. Dann wollen wir ein letztes Wort mit einander reden. Die Nacht war zu weit vorgerückt, als daß Frau Julia zurückkonnte, und sie mochte sich durch eine übereilte Entschiedenheit nicht die letzte Hoffnung rauben, die sie auf eine Untersuchung der Bücher setzte. Sie hielt Alles nur für eine momentane Calamität, und um den alten General bei guter Laune zu erhalten, blieb sie die kurzen Stunden. Am andern Morgen in aller Frühe — es war just um dieselbe Zeit, wie jetzt, wo die Himbeeren reif werden, und ich war gerade hier im Gartenhäuschen auf der nämlichen Stelle — da höre ich plötzlich ein Traben und Rasseln, und ein bepackter Reisewagen kommt angefahren und hält dort an der Brücke. Neugierig, was das zu bedeuten hat, trete ich an das Fenster, da sehe <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0033"/> Als sie starb, beschwor sie den General, alle diese Papiere an sich zu bringen, und so war der Alte factischer Eigenthümer von Juliens Familiengut geworden. Von alledem wußte die junge Frau keine Silbe, als sie sich auf den Rath ihres Mannes an den Alten wendete.</p><lb/> <p>Aha, kommst du endlich? rief der alte General; ist die Stunde da, wo dir die Augen aufgehen, wie es mit dir bestellt ist? — Er ließ sie gar nicht zu Worte kommen, als wüßte er Alles, was sie wollte, Alles, wie es stand. Du bleibst jetzt hier, sagte er noch, ich werde morgen früh meinen Secretär zu dem Menschen schicken, der sich deinen Mann nennt, um seine Bücher zu untersuchen. Dann wollen wir ein letztes Wort mit einander reden.</p><lb/> <p>Die Nacht war zu weit vorgerückt, als daß Frau Julia zurückkonnte, und sie mochte sich durch eine übereilte Entschiedenheit nicht die letzte Hoffnung rauben, die sie auf eine Untersuchung der Bücher setzte. Sie hielt Alles nur für eine momentane Calamität, und um den alten General bei guter Laune zu erhalten, blieb sie die kurzen Stunden.</p><lb/> <p>Am andern Morgen in aller Frühe — es war just um dieselbe Zeit, wie jetzt, wo die Himbeeren reif werden, und ich war gerade hier im Gartenhäuschen auf der nämlichen Stelle — da höre ich plötzlich ein Traben und Rasseln, und ein bepackter Reisewagen kommt angefahren und hält dort an der Brücke. Neugierig, was das zu bedeuten hat, trete ich an das Fenster, da sehe<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
Als sie starb, beschwor sie den General, alle diese Papiere an sich zu bringen, und so war der Alte factischer Eigenthümer von Juliens Familiengut geworden. Von alledem wußte die junge Frau keine Silbe, als sie sich auf den Rath ihres Mannes an den Alten wendete.
Aha, kommst du endlich? rief der alte General; ist die Stunde da, wo dir die Augen aufgehen, wie es mit dir bestellt ist? — Er ließ sie gar nicht zu Worte kommen, als wüßte er Alles, was sie wollte, Alles, wie es stand. Du bleibst jetzt hier, sagte er noch, ich werde morgen früh meinen Secretär zu dem Menschen schicken, der sich deinen Mann nennt, um seine Bücher zu untersuchen. Dann wollen wir ein letztes Wort mit einander reden.
Die Nacht war zu weit vorgerückt, als daß Frau Julia zurückkonnte, und sie mochte sich durch eine übereilte Entschiedenheit nicht die letzte Hoffnung rauben, die sie auf eine Untersuchung der Bücher setzte. Sie hielt Alles nur für eine momentane Calamität, und um den alten General bei guter Laune zu erhalten, blieb sie die kurzen Stunden.
Am andern Morgen in aller Frühe — es war just um dieselbe Zeit, wie jetzt, wo die Himbeeren reif werden, und ich war gerade hier im Gartenhäuschen auf der nämlichen Stelle — da höre ich plötzlich ein Traben und Rasseln, und ein bepackter Reisewagen kommt angefahren und hält dort an der Brücke. Neugierig, was das zu bedeuten hat, trete ich an das Fenster, da sehe
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Zitationshilfe: | Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/33>, abgerufen am 16.02.2025. |