Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

und er läßt jede Rücksicht schwinden. Mit dürren Worten erklärt er, daß die Kassen erschöpft und überhaupt keine disponiblen Mittel mehr vorhanden seien.

Noch an demselben Abende kam Herr Heister von seiner Reise zurück. Frau Julia erzählt ihm den Vorfall mit ungläubigem Lachen und verlangt, er solle den insolenten Kassier auf der Stelle entlassen. Aber Herr Aloys scheint keine Neigung dazu zu haben; sie wird ernster und dringender, er bleibt zerstreut und nachdenklich, endlich giebt er zu, daß momentane Verlegenheiten wohl vorhanden sein könnten. Frau Julia bietet ihr ganzes Vermögen an, er zuckt die Schultern. Mein Kind, du hast vergessen, daß dies längst in das Geschäft gesteckt worden ist. -- Und dein Compagnon? fragt sie. -- O, das ist ein vorsichtiger Mann, der hat sich, als ich heirathete, gleich die größere Hälfte des Geschäfts verschreiben lassen, und heute gehört ihm alles, wenn uns dein alter Herr, der General, nicht hilft. Er allein kann uns noch retten!

Noch in der Nacht eilte die junge Frau heraus, um dem Alten ihren Besuch zu machen, den ersten, seit er mit auf dem Hofgute wohnte. Der alte Schnorrigl war nämlich erst herausgezogen, seitdem er pensionirt war, und Juliens Mutter hatte ihm längst zu ihren Lebzeiten das Hofgut verpfändet. Herr Aloys Heister hatte sich nämlich schon früher mehreremale unter der Hand an sie gewendet, und die leichtgläubige, gutmüthige Frau hatte Hypothek über Hypothek aufgenommen. --

und er läßt jede Rücksicht schwinden. Mit dürren Worten erklärt er, daß die Kassen erschöpft und überhaupt keine disponiblen Mittel mehr vorhanden seien.

Noch an demselben Abende kam Herr Heister von seiner Reise zurück. Frau Julia erzählt ihm den Vorfall mit ungläubigem Lachen und verlangt, er solle den insolenten Kassier auf der Stelle entlassen. Aber Herr Aloys scheint keine Neigung dazu zu haben; sie wird ernster und dringender, er bleibt zerstreut und nachdenklich, endlich giebt er zu, daß momentane Verlegenheiten wohl vorhanden sein könnten. Frau Julia bietet ihr ganzes Vermögen an, er zuckt die Schultern. Mein Kind, du hast vergessen, daß dies längst in das Geschäft gesteckt worden ist. — Und dein Compagnon? fragt sie. — O, das ist ein vorsichtiger Mann, der hat sich, als ich heirathete, gleich die größere Hälfte des Geschäfts verschreiben lassen, und heute gehört ihm alles, wenn uns dein alter Herr, der General, nicht hilft. Er allein kann uns noch retten!

Noch in der Nacht eilte die junge Frau heraus, um dem Alten ihren Besuch zu machen, den ersten, seit er mit auf dem Hofgute wohnte. Der alte Schnorrigl war nämlich erst herausgezogen, seitdem er pensionirt war, und Juliens Mutter hatte ihm längst zu ihren Lebzeiten das Hofgut verpfändet. Herr Aloys Heister hatte sich nämlich schon früher mehreremale unter der Hand an sie gewendet, und die leichtgläubige, gutmüthige Frau hatte Hypothek über Hypothek aufgenommen. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0032"/>
und er läßt jede                Rücksicht schwinden. Mit dürren Worten erklärt er, daß die Kassen erschöpft und                überhaupt keine disponiblen Mittel mehr vorhanden seien.</p><lb/>
        <p>Noch an demselben Abende kam Herr Heister von seiner Reise zurück. Frau Julia erzählt                ihm den Vorfall mit ungläubigem Lachen und verlangt, er solle den insolenten Kassier                auf der Stelle entlassen. Aber Herr Aloys scheint keine Neigung dazu zu haben; sie                wird ernster und dringender, er bleibt zerstreut und nachdenklich, endlich giebt er                zu, daß momentane Verlegenheiten wohl vorhanden sein könnten. Frau Julia bietet ihr                ganzes Vermögen an, er zuckt die Schultern. Mein Kind, du hast vergessen, daß dies                längst in das Geschäft gesteckt worden ist. &#x2014; Und dein Compagnon? fragt sie. &#x2014; O, das                ist ein vorsichtiger Mann, der hat sich, als ich heirathete, gleich die größere                Hälfte des Geschäfts verschreiben lassen, und heute gehört ihm alles, wenn uns dein                alter Herr, der General, nicht hilft. Er allein kann uns noch retten!</p><lb/>
        <p>Noch in der Nacht eilte die junge Frau heraus, um dem Alten ihren Besuch zu machen,                den ersten, seit er mit auf dem Hofgute wohnte. Der alte Schnorrigl war nämlich erst                herausgezogen, seitdem er pensionirt war, und Juliens Mutter hatte ihm längst zu                ihren Lebzeiten das Hofgut verpfändet. Herr Aloys Heister hatte sich nämlich schon                früher mehreremale unter der Hand an sie gewendet, und die leichtgläubige, gutmüthige                Frau hatte Hypothek über Hypothek aufgenommen. &#x2014;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0032] und er läßt jede Rücksicht schwinden. Mit dürren Worten erklärt er, daß die Kassen erschöpft und überhaupt keine disponiblen Mittel mehr vorhanden seien. Noch an demselben Abende kam Herr Heister von seiner Reise zurück. Frau Julia erzählt ihm den Vorfall mit ungläubigem Lachen und verlangt, er solle den insolenten Kassier auf der Stelle entlassen. Aber Herr Aloys scheint keine Neigung dazu zu haben; sie wird ernster und dringender, er bleibt zerstreut und nachdenklich, endlich giebt er zu, daß momentane Verlegenheiten wohl vorhanden sein könnten. Frau Julia bietet ihr ganzes Vermögen an, er zuckt die Schultern. Mein Kind, du hast vergessen, daß dies längst in das Geschäft gesteckt worden ist. — Und dein Compagnon? fragt sie. — O, das ist ein vorsichtiger Mann, der hat sich, als ich heirathete, gleich die größere Hälfte des Geschäfts verschreiben lassen, und heute gehört ihm alles, wenn uns dein alter Herr, der General, nicht hilft. Er allein kann uns noch retten! Noch in der Nacht eilte die junge Frau heraus, um dem Alten ihren Besuch zu machen, den ersten, seit er mit auf dem Hofgute wohnte. Der alte Schnorrigl war nämlich erst herausgezogen, seitdem er pensionirt war, und Juliens Mutter hatte ihm längst zu ihren Lebzeiten das Hofgut verpfändet. Herr Aloys Heister hatte sich nämlich schon früher mehreremale unter der Hand an sie gewendet, und die leichtgläubige, gutmüthige Frau hatte Hypothek über Hypothek aufgenommen. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:31:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/32
Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/32>, abgerufen am 24.11.2024.