German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Deß Abentheurl. Simplicissimi Wort trieb er viel/ also daß ich bey mir selbst seufftztund gedachte: O Gottslästerlicher Sünder! du nen- nest dich selbst einen Ehebieger/ und den gütigen Gott einen Ehebrecher/ weil er Mann und Weib durch den Todt voneinander trennet; meynestu nicht/ sagt ich auß übrigem Eyfer und Verdruß zu ihm/ wiewol er ein Officier war/ daß du dich mit diesen gottlosen Worten mehr versündigest/ als mit dem Ehebruch selbsten? Er aber autwortet mir: Du Maußkopff/ soll ich dir ein paar Ohrfeigen geben? Jch glaub auch/ daß ich solche dicht bekommen hätte/ wenn der Kerl meinen Herrn nicht hätte förchten müssen: Jch aber schwieg still/ und sahe nachgehends/ daß es gar kein seltene Sach war/ wenn sich Ledige nach Ver- ehelichten/ und Verehelichte nach Ledigen umb- sahen. Als ich noch bey meinem Einsidel den Weg zum gestellt/
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi Wort trieb er viel/ alſo daß ich bey mir ſelbſt ſeufftztund gedachte: O Gottslaͤſterlicher Suͤnder! du nen- neſt dich ſelbſt einen Ehebieger/ und den guͤtigen Gott einen Ehebrecher/ weil er Mann und Weib durch den Todt voneinander trennet; meyneſtu nicht/ ſagt ich auß uͤbrigem Eyfer und Verdruß zu ihm/ wiewol er ein Officier war/ daß du dich mit dieſen gottloſen Worten mehr verſuͤndigeſt/ als mit dem Ehebruch ſelbſten? Er aber autwortet mir: Du Maußkopff/ ſoll ich dir ein paar Ohrfeigen geben? Jch glaub auch/ daß ich ſolche dicht bekommen haͤtte/ wenn der Kerl meinen Herꝛn nicht haͤtte foͤrchten muͤſſen: Jch aber ſchwieg ſtill/ und ſahe nachgehends/ daß es gar kein ſeltene Sach war/ wenn ſich Ledige nach Ver- ehelichten/ und Verehelichte nach Ledigen umb- ſahen. Als ich noch bey meinem Einſidel den Weg zum geſtellt/
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0092" n="86"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß Abentheurl. <hi rendition="#aq">Simpliciſſimi</hi></hi></fw><lb/> Wort trieb er viel/ alſo daß ich bey mir ſelbſt ſeufftzt<lb/> und gedachte: O Gottslaͤſterlicher Suͤnder! du nen-<lb/> neſt dich ſelbſt einen Ehebieger/ und den guͤtigen Gott<lb/> einen Ehebrecher/ weil er Mann und Weib durch<lb/> den Todt voneinander trennet; meyneſtu nicht/ ſagt<lb/> ich auß uͤbrigem Eyfer und Verdruß zu ihm/ wiewol<lb/> er ein Officier war/ daß du dich mit dieſen gottloſen<lb/> Worten mehr verſuͤndigeſt/ als mit dem Ehebruch<lb/> ſelbſten? Er aber autwortet mir: Du Maußkopff/<lb/> ſoll ich dir ein paar Ohrfeigen geben? Jch glaub<lb/> auch/ daß ich ſolche dicht bekommen haͤtte/ wenn der<lb/> Kerl meinen Herꝛn nicht haͤtte foͤrchten muͤſſen: Jch<lb/> aber ſchwieg ſtill/ und ſahe nachgehends/ daß es gar<lb/> kein ſeltene Sach war/ wenn ſich Ledige nach Ver-<lb/> ehelichten/ und Verehelichte nach Ledigen umb-<lb/> ſahen.</p><lb/> <p>Als ich noch bey meinem Einſidel den Weg zum<lb/> ewigen Leben ſtudirte/ verwundert ich mich/ warumb<lb/> doch Gott ſeinem Volck die Abgoͤtterey ſo hochſtraͤff-<lb/> lich verbotten? dann ich bildete mir ein/ wer einmal<lb/> den wahren ewigen GOtt erkennet haͤtte/ der wuͤrde<lb/> wol nimmermehr keinen andern ehren und anbeten;<lb/> ſchloſſe alſo in meinem dummen Sinn/ diß Gebot<lb/> ſeye ohnnoͤtig/ und vergedlich gegeben worden: Aber<lb/> Ach! ich Narꝛ wuſte nicht was ich gedachte/ dann<lb/> ſo bald ich in die Welt kam/ vermerckte ich/ daß (diß<lb/> Gebot ohnangeſehen) bey nahe jeder Welt-Menſch<lb/> einen beſondern Neben-Gott hatte/ ja etliche hatten<lb/> wol mehr/ als die Alte und Neue Heyden ſelbſten/<lb/> etliche hatten den Jhrigen in der Kuͤſten/ auff wel-<lb/> chen ſie allen Troſt und Zuverſicht ſetzten; mancher<lb/> hatte den ſeinen bey Hof/ zu welchem er allen Zuflucht<lb/> <fw place="bottom" type="catch">geſtellt/</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [86/0092]
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
Wort trieb er viel/ alſo daß ich bey mir ſelbſt ſeufftzt
und gedachte: O Gottslaͤſterlicher Suͤnder! du nen-
neſt dich ſelbſt einen Ehebieger/ und den guͤtigen Gott
einen Ehebrecher/ weil er Mann und Weib durch
den Todt voneinander trennet; meyneſtu nicht/ ſagt
ich auß uͤbrigem Eyfer und Verdruß zu ihm/ wiewol
er ein Officier war/ daß du dich mit dieſen gottloſen
Worten mehr verſuͤndigeſt/ als mit dem Ehebruch
ſelbſten? Er aber autwortet mir: Du Maußkopff/
ſoll ich dir ein paar Ohrfeigen geben? Jch glaub
auch/ daß ich ſolche dicht bekommen haͤtte/ wenn der
Kerl meinen Herꝛn nicht haͤtte foͤrchten muͤſſen: Jch
aber ſchwieg ſtill/ und ſahe nachgehends/ daß es gar
kein ſeltene Sach war/ wenn ſich Ledige nach Ver-
ehelichten/ und Verehelichte nach Ledigen umb-
ſahen.
Als ich noch bey meinem Einſidel den Weg zum
ewigen Leben ſtudirte/ verwundert ich mich/ warumb
doch Gott ſeinem Volck die Abgoͤtterey ſo hochſtraͤff-
lich verbotten? dann ich bildete mir ein/ wer einmal
den wahren ewigen GOtt erkennet haͤtte/ der wuͤrde
wol nimmermehr keinen andern ehren und anbeten;
ſchloſſe alſo in meinem dummen Sinn/ diß Gebot
ſeye ohnnoͤtig/ und vergedlich gegeben worden: Aber
Ach! ich Narꝛ wuſte nicht was ich gedachte/ dann
ſo bald ich in die Welt kam/ vermerckte ich/ daß (diß
Gebot ohnangeſehen) bey nahe jeder Welt-Menſch
einen beſondern Neben-Gott hatte/ ja etliche hatten
wol mehr/ als die Alte und Neue Heyden ſelbſten/
etliche hatten den Jhrigen in der Kuͤſten/ auff wel-
chen ſie allen Troſt und Zuverſicht ſetzten; mancher
hatte den ſeinen bey Hof/ zu welchem er allen Zuflucht
geſtellt/
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/92 |
Zitationshilfe: | German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/92>, abgerufen am 16.02.2025. |