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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Erstes Buch.
thät/ was ein frommer Monachus thun soll; Aber
gleich wie die Zeit alles ändert/ also ringert sich auch
nach und nach das Leyd/ so ich umb meinen Einsidel
trug/ und die äusserliche scharffe Winterskält lesch-
te die innerliche Hitz meines steiffen Vorsatzes zu-
gleich auß/ je mehr ich anfieng zu wancken/ je träger
wurde ich in meinem Gebet/ weil ich an statt/ gött-
liche und himmlische Ding zu betrachten/ mich die
Begierde/ die Welt auch zu beschauen/ überherrschen
liesse/ und als ich dergestalt nichts nutz würde im
Wald länger gut zu thun/ gedachte ich wieder zu
gedachtem Pfarrer zu gehen/ zu vernehmen/ ob er
mir noch wie zuvor auß dem Wald rathen wolte?
zu solchem End machte ich mich seinem Dorff zu/
und als ich hin kam/ fande ichs in voller Flamm ste-
hen/ dann es eben ein Partey Reuter außgeplündert/
augezündet/ theils Bauren nidergemacht/ viel ver-
jagt/ und etliche gefangen hatten/ darunter auch der
Pfarrer selbst war. Ach GOtt! wie ist das mensch-
liche Leben so voll Mühe und Widerwertigkeit/ kaum
hat ein Unglück auffgehört/ so stecken wir schon in
einem andern/ mich verwundert nicht/ daß der Heyd-
nische Philosophus Timon zu Athen viel Galgen auf-
richtete/ daran sich die Menschen selber auffknüpffen/
und also ihrem elenden Leben durch ein kurtze Grau-
samkeit ein Ende machen solten; die Reuter waren
eben wegfertig/ und führten den Pfarrer an einem
Strick daher/ unterschiedliche schryen/ schiesse den
Schelmen nider! andere aber wolten Gelt von ihm
haben/ er aber hub die Händ auff/ und bat umb deß
Jüngsten Gerichts willen/ umb Verschohnung und
Christliche Barmhertzigkeit/ aber umbsonst/ dann

einer

Erſtes Buch.
thaͤt/ was ein frommer Monachus thun ſoll; Aber
gleich wie die Zeit alles aͤndert/ alſo ringert ſich auch
nach und nach das Leyd/ ſo ich umb meinen Einſidel
trug/ und die aͤuſſerliche ſcharffe Winterskaͤlt leſch-
te die innerliche Hitz meines ſteiffen Vorſatzes zu-
gleich auß/ je mehr ich anfieng zu wancken/ je traͤger
wurde ich in meinem Gebet/ weil ich an ſtatt/ goͤtt-
liche und himmliſche Ding zu betrachten/ mich die
Begierde/ die Welt auch zu beſchauen/ uͤberherꝛſchen
lieſſe/ und als ich dergeſtalt nichts nutz wuͤrde im
Wald laͤnger gut zu thun/ gedachte ich wieder zu
gedachtem Pfarꝛer zu gehen/ zu vernehmen/ ob er
mir noch wie zuvor auß dem Wald rathen wolte?
zu ſolchem End machte ich mich ſeinem Dorff zu/
und als ich hin kam/ fande ichs in voller Flamm ſte-
hen/ dann es eben ein Partey Reuter außgepluͤndert/
augezuͤndet/ theils Bauren nidergemacht/ viel ver-
jagt/ und etliche gefangen hatten/ darunter auch der
Pfarꝛer ſelbſt war. Ach GOtt! wie iſt das menſch-
liche Leben ſo voll Muͤhe und Widerwertigkeit/ kaum
hat ein Ungluͤck auffgehoͤrt/ ſo ſtecken wir ſchon in
einem andern/ mich verwundert nicht/ daß der Heyd-
niſche Philoſophus Timon zu Athen viel Galgen auf-
richtete/ daran ſich die Menſchen ſelber auffknuͤpffen/
und alſo ihrem elenden Leben durch ein kurtze Grau-
ſamkeit ein Ende machen ſolten; die Reuter waren
eben wegfertig/ und fuͤhrten den Pfarꝛer an einem
Strick daher/ unterſchiedliche ſchryen/ ſchieſſe den
Schelmen nider! andere aber wolten Gelt von ihm
haben/ er aber hub die Haͤnd auff/ und bat umb deß
Juͤngſten Gerichts willen/ umb Verſchohnung und
Chriſtliche Barmhertzigkeit/ aber umbſonſt/ dann

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[45/0051] Erſtes Buch. thaͤt/ was ein frommer Monachus thun ſoll; Aber gleich wie die Zeit alles aͤndert/ alſo ringert ſich auch nach und nach das Leyd/ ſo ich umb meinen Einſidel trug/ und die aͤuſſerliche ſcharffe Winterskaͤlt leſch- te die innerliche Hitz meines ſteiffen Vorſatzes zu- gleich auß/ je mehr ich anfieng zu wancken/ je traͤger wurde ich in meinem Gebet/ weil ich an ſtatt/ goͤtt- liche und himmliſche Ding zu betrachten/ mich die Begierde/ die Welt auch zu beſchauen/ uͤberherꝛſchen lieſſe/ und als ich dergeſtalt nichts nutz wuͤrde im Wald laͤnger gut zu thun/ gedachte ich wieder zu gedachtem Pfarꝛer zu gehen/ zu vernehmen/ ob er mir noch wie zuvor auß dem Wald rathen wolte? zu ſolchem End machte ich mich ſeinem Dorff zu/ und als ich hin kam/ fande ichs in voller Flamm ſte- hen/ dann es eben ein Partey Reuter außgepluͤndert/ augezuͤndet/ theils Bauren nidergemacht/ viel ver- jagt/ und etliche gefangen hatten/ darunter auch der Pfarꝛer ſelbſt war. Ach GOtt! wie iſt das menſch- liche Leben ſo voll Muͤhe und Widerwertigkeit/ kaum hat ein Ungluͤck auffgehoͤrt/ ſo ſtecken wir ſchon in einem andern/ mich verwundert nicht/ daß der Heyd- niſche Philoſophus Timon zu Athen viel Galgen auf- richtete/ daran ſich die Menſchen ſelber auffknuͤpffen/ und alſo ihrem elenden Leben durch ein kurtze Grau- ſamkeit ein Ende machen ſolten; die Reuter waren eben wegfertig/ und fuͤhrten den Pfarꝛer an einem Strick daher/ unterſchiedliche ſchryen/ ſchieſſe den Schelmen nider! andere aber wolten Gelt von ihm haben/ er aber hub die Haͤnd auff/ und bat umb deß Juͤngſten Gerichts willen/ umb Verſchohnung und Chriſtliche Barmhertzigkeit/ aber umbſonſt/ dann einer

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/51>, abgerufen am 22.11.2024.