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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
schlug er selbige wieder zu/ führte mich nachgehends
in das Lust-Hauß/ so in einem Eck deß Gartens stun-
de/ und demnach wir einen zimlich langen Gang pas-
sirten/ klopffte er vor einer Thür/ so von einer alten
Adelichen Damen stracks auffgemacht wurde; diese
hiesse mich in Teutscher Sprach sehr höflich Will-
komm seyn/ und zu ihr vollends hinein tretten/ der
Laquey aber/ so kein Teutsch konte/ nam mit tieffer
Reverenz seinen Abschied. Die Alte nam mich bey
der Hand/ und führte mich vollend ins Zimmer/ das
rund umbher mit den köstlichsten Tapeten behenckt/
zumal sonsten auch schön geziert war; sie hiesse mich
nider sitzen/ damit ich verschnauben/ und zugleich
vernehmen könte/ auß was Ursachen ich an diesen
Ort geholet; Jch folgte gern/ und setzte mich auff
einen Sessel/ den sie mir zu einem Feuer stellte/ so in
demselben Saal wegen zimlicher Kält braute/ sie
aber setzte sich neben mich auff einen andern/ und
sagte: Monsieur, wenn er etwas von den Kräfften
der Liebe weiß/ daß nemlich solche die allerdapfferste/
stärckste und klügste Männer überwältige und zu be-
herrschen pflege/ so wird er sich umb so viel desto we-
niger verwundern/ wann dieselbe auch einschwaches
Weibsbild meistert; er ist nit seiner Lauten halber/
wie man ihn und Mons. Canard überredt gehabt/ von
einem Herrn/ aber wol seiner übertrefflichen Schön-
heit halber von der aller-vortrefflichsten Damen in
Pariß hieher beruffen worden/ die sich allbereit deß
Todts versihet/ da sie nit bald deß Herrn über-irdische
Gestalt zu beschauen/ und sich damit zu erquicken/
das Glück haben solte: Derowegen hat sie mir be-
fohlen/ dem Herrn/ als meinem Landsmann/ solches

anzu-

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
ſchlug er ſelbige wieder zu/ fuͤhrte mich nachgehends
in das Luſt-Hauß/ ſo in einem Eck deß Gartens ſtun-
de/ und demnach wir einen zimlich langen Gang paſ-
ſirten/ klopffte er vor einer Thuͤr/ ſo von einer alten
Adelichen Damen ſtracks auffgemacht wurde; dieſe
hieſſe mich in Teutſcher Sprach ſehr hoͤflich Will-
komm ſeyn/ und zu ihr vollends hinein tretten/ der
Laquey aber/ ſo kein Teutſch konte/ nam mit tieffer
Reverenz ſeinen Abſchied. Die Alte nam mich bey
der Hand/ und fuͤhrte mich vollend ins Zimmer/ das
rund umbher mit den koͤſtlichſten Tapeten behenckt/
zumal ſonſten auch ſchoͤn geziert war; ſie hieſſe mich
nider ſitzen/ damit ich verſchnauben/ und zugleich
vernehmen koͤnte/ auß was Urſachen ich an dieſen
Ort geholet; Jch folgte gern/ und ſetzte mich auff
einen Seſſel/ den ſie mir zu einem Feuer ſtellte/ ſo in
demſelben Saal wegen zimlicher Kaͤlt braute/ ſie
aber ſetzte ſich neben mich auff einen andern/ und
ſagte: Monſieur, wenn er etwas von den Kraͤfften
der Liebe weiß/ daß nemlich ſolche die allerdapfferſte/
ſtaͤrckſte und kluͤgſte Maͤnner uͤberwaͤltige und zu be-
herꝛſchen pflege/ ſo wird er ſich umb ſo viel deſto we-
niger verwundern/ wann dieſelbe auch einſchwaches
Weibsbild meiſtert; er iſt nit ſeiner Lauten halber/
wie man ihn und Monſ. Canard uͤberꝛedt gehabt/ von
einem Herꝛn/ aber wol ſeiner uͤbertrefflichen Schoͤn-
heit halber von der aller-vortrefflichſten Damen in
Pariß hieher beruffen worden/ die ſich allbereit deß
Todts verſihet/ da ſie nit bald deß Herꝛn uͤber-irdiſche
Geſtalt zu beſchauen/ und ſich damit zu erquicken/
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fohlen/ dem Herꝛn/ als meinem Landsmann/ ſolches

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[400/0406] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi ſchlug er ſelbige wieder zu/ fuͤhrte mich nachgehends in das Luſt-Hauß/ ſo in einem Eck deß Gartens ſtun- de/ und demnach wir einen zimlich langen Gang paſ- ſirten/ klopffte er vor einer Thuͤr/ ſo von einer alten Adelichen Damen ſtracks auffgemacht wurde; dieſe hieſſe mich in Teutſcher Sprach ſehr hoͤflich Will- komm ſeyn/ und zu ihr vollends hinein tretten/ der Laquey aber/ ſo kein Teutſch konte/ nam mit tieffer Reverenz ſeinen Abſchied. Die Alte nam mich bey der Hand/ und fuͤhrte mich vollend ins Zimmer/ das rund umbher mit den koͤſtlichſten Tapeten behenckt/ zumal ſonſten auch ſchoͤn geziert war; ſie hieſſe mich nider ſitzen/ damit ich verſchnauben/ und zugleich vernehmen koͤnte/ auß was Urſachen ich an dieſen Ort geholet; Jch folgte gern/ und ſetzte mich auff einen Seſſel/ den ſie mir zu einem Feuer ſtellte/ ſo in demſelben Saal wegen zimlicher Kaͤlt braute/ ſie aber ſetzte ſich neben mich auff einen andern/ und ſagte: Monſieur, wenn er etwas von den Kraͤfften der Liebe weiß/ daß nemlich ſolche die allerdapfferſte/ ſtaͤrckſte und kluͤgſte Maͤnner uͤberwaͤltige und zu be- herꝛſchen pflege/ ſo wird er ſich umb ſo viel deſto we- niger verwundern/ wann dieſelbe auch einſchwaches Weibsbild meiſtert; er iſt nit ſeiner Lauten halber/ wie man ihn und Monſ. Canard uͤberꝛedt gehabt/ von einem Herꝛn/ aber wol ſeiner uͤbertrefflichen Schoͤn- heit halber von der aller-vortrefflichſten Damen in Pariß hieher beruffen worden/ die ſich allbereit deß Todts verſihet/ da ſie nit bald deß Herꝛn uͤber-irdiſche Geſtalt zu beſchauen/ und ſich damit zu erquicken/ das Gluͤck haben ſolte: Derowegen hat ſie mir be- fohlen/ dem Herꝛn/ als meinem Landsmann/ ſolches anzu-

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/406>, abgerufen am 23.07.2024.