Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweytes Buch.
retirirte; Also bekame ich Lufft/ mich zu bedencken/
durch was Mittel ich mir darvon helffen möchte/ es
wolte mir aber nichts einfallen: Meine Cameraden
gaben mir durchs Kamin herunder zu verstehen/ daß
sie das Hauß auffstossen/ und mich mit Gewalt her-
auß nemmen wolten/ ich gabs ihnen aber nicht zu/
sondern befohl/ sie solten ihr Gewehr in acht nem-
men/ und allein den Spring-ins-feld oben bey dem
Kamin lassen/ und erwarten/ ob ich ohne Lermen
und Rumor darvon kommen könte/ damit unser An-
schlag nicht zu Wasser würde/ wofern aber solches
nicht seyn möchte/ solten sie alsdenn ihr bestes thun;
Interim schlug der Geistliche selbst ein Liecht an/ sei-
ne Köchin aber erzehlte ihm/ daß ein greulich Ge-
spenst in der Küchen wäre/ welches zween Köpff
hätte (dann sie hatte vielleicht meinen Büschel Haar
auff dem Kopff gesehen/ und auch vor einen Kopff
gehalten) das hörete ich alles/ machte mich dero-
wegen mit meinen schmutzigen Händen/ darinn ich
Aschen/ Ruß und Kohlen riebe/ im Angesicht und
an Händen so abscheulich/ daß ich ohn Zweiffel kei-
nem Engel mehr (wie hiebevor die Closter-Frauen
im Paradeis sagten) gleich sahe; und der Meßner/
wann ers gesehen/ mich wol vor einen geschwinden
Mahler hätte passiren lassen. Jch fienge an in der
Küchen schröcklich zu poldern/ und allerley Küchen-
Geschirr untereinander zu werffen/ der Kessel-Ring
gerieth mir in die Händ/ den hängte ich an den Hals/
den Feuer-Hacken aber behielt ich in den Händen/
mich damit auff den Nothfall zu wehren; Solches
liesse sich aber der fromme Pfaff nicht irren/ dann
er kam mit seiner Köchin Processions-weis daher/

welche

Zweytes Buch.
retirirte; Alſo bekame ich Lufft/ mich zu bedencken/
durch was Mittel ich mir darvon helffen moͤchte/ es
wolte mir aber nichts einfallen: Meine Cameraden
gaben mir durchs Kamin herunder zu verſtehen/ daß
ſie das Hauß auffſtoſſen/ und mich mit Gewalt her-
auß nemmen wolten/ ich gabs ihnen aber nicht zu/
ſondern befohl/ ſie ſolten ihr Gewehr in acht nem-
men/ und allein den Spring-ins-feld oben bey dem
Kamin laſſen/ und erwarten/ ob ich ohne Lermen
und Rumor darvon kommen koͤnte/ damit unſer An-
ſchlag nicht zu Waſſer wuͤrde/ wofern aber ſolches
nicht ſeyn moͤchte/ ſolten ſie alsdenn ihr beſtes thun;
Interim ſchlug der Geiſtliche ſelbſt ein Liecht an/ ſei-
ne Koͤchin aber erzehlte ihm/ daß ein greulich Ge-
ſpenſt in der Kuͤchen waͤre/ welches zween Koͤpff
haͤtte (dann ſie hatte vielleicht meinen Buͤſchel Haar
auff dem Kopff geſehen/ und auch vor einen Kopff
gehalten) das hoͤrete ich alles/ machte mich dero-
wegen mit meinen ſchmutzigen Haͤnden/ darinn ich
Aſchen/ Ruß und Kohlen riebe/ im Angeſicht und
an Haͤnden ſo abſcheulich/ daß ich ohn Zweiffel kei-
nem Engel mehr (wie hiebevor die Cloſter-Frauen
im Paradeis ſagten) gleich ſahe; und der Meßner/
wann ers geſehen/ mich wol vor einen geſchwinden
Mahler haͤtte paſſiren laſſen. Jch fienge an in der
Kuͤchen ſchroͤcklich zu poldern/ und allerley Kuͤchen-
Geſchirꝛ untereinander zu werffen/ der Keſſel-Ring
gerieth mir in die Haͤnd/ den haͤngte ich an den Hals/
den Feuer-Hacken aber behielt ich in den Haͤnden/
mich damit auff den Nothfall zu wehren; Solches
lieſſe ſich aber der fromme Pfaff nicht irꝛen/ dann
er kam mit ſeiner Koͤchin Proceſſions-weis daher/

welche
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0261" n="255"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweytes Buch.</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">retiri</hi>rte; Al&#x017F;o bekame ich Lufft/ mich zu bedencken/<lb/>
durch was Mittel ich mir darvon helffen mo&#x0364;chte/ es<lb/>
wolte mir aber nichts einfallen: Meine Cameraden<lb/>
gaben mir durchs Kamin herunder zu ver&#x017F;tehen/ daß<lb/>
&#x017F;ie das Hauß auff&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en/ und mich mit Gewalt her-<lb/>
auß nemmen wolten/ ich gabs ihnen aber nicht zu/<lb/>
&#x017F;ondern befohl/ &#x017F;ie &#x017F;olten ihr Gewehr in acht nem-<lb/>
men/ und allein den Spring-ins-feld oben bey dem<lb/>
Kamin la&#x017F;&#x017F;en/ und erwarten/ ob ich ohne Lermen<lb/>
und Rumor darvon kommen ko&#x0364;nte/ damit un&#x017F;er An-<lb/>
&#x017F;chlag nicht zu Wa&#x017F;&#x017F;er wu&#x0364;rde/ wofern aber &#x017F;olches<lb/>
nicht &#x017F;eyn mo&#x0364;chte/ &#x017F;olten &#x017F;ie alsdenn ihr be&#x017F;tes thun;<lb/><hi rendition="#aq">Interim</hi> &#x017F;chlug der Gei&#x017F;tliche &#x017F;elb&#x017F;t ein Liecht an/ &#x017F;ei-<lb/>
ne Ko&#x0364;chin aber erzehlte ihm/ daß ein greulich Ge-<lb/>
&#x017F;pen&#x017F;t in der Ku&#x0364;chen wa&#x0364;re/ welches zween Ko&#x0364;pff<lb/>
ha&#x0364;tte (dann &#x017F;ie hatte vielleicht meinen Bu&#x0364;&#x017F;chel Haar<lb/>
auff dem Kopff ge&#x017F;ehen/ und auch vor einen Kopff<lb/>
gehalten) das ho&#x0364;rete ich alles/ machte mich dero-<lb/>
wegen mit meinen &#x017F;chmutzigen Ha&#x0364;nden/ darinn ich<lb/>
A&#x017F;chen/ Ruß und Kohlen riebe/ im Ange&#x017F;icht und<lb/>
an Ha&#x0364;nden &#x017F;o ab&#x017F;cheulich/ daß ich ohn Zweiffel kei-<lb/>
nem Engel mehr (wie hiebevor die Clo&#x017F;ter-Frauen<lb/>
im Paradeis &#x017F;agten) gleich &#x017F;ahe; und der Meßner/<lb/>
wann ers ge&#x017F;ehen/ mich wol vor einen ge&#x017F;chwinden<lb/>
Mahler ha&#x0364;tte pa&#x017F;&#x017F;iren la&#x017F;&#x017F;en. Jch fienge an in der<lb/>
Ku&#x0364;chen &#x017F;chro&#x0364;cklich zu poldern/ und allerley Ku&#x0364;chen-<lb/>
Ge&#x017F;chir&#xA75B; untereinander zu werffen/ der Ke&#x017F;&#x017F;el-Ring<lb/>
gerieth mir in die Ha&#x0364;nd/ den ha&#x0364;ngte ich an den Hals/<lb/>
den Feuer-Hacken aber behielt ich in den Ha&#x0364;nden/<lb/>
mich damit auff den Nothfall zu wehren; Solches<lb/>
lie&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich aber der fromme Pfaff nicht ir&#xA75B;en/ dann<lb/>
er kam mit &#x017F;einer Ko&#x0364;chin <hi rendition="#aq">Proce&#x017F;&#x017F;ion</hi>s-weis daher/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">welche</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0261] Zweytes Buch. retirirte; Alſo bekame ich Lufft/ mich zu bedencken/ durch was Mittel ich mir darvon helffen moͤchte/ es wolte mir aber nichts einfallen: Meine Cameraden gaben mir durchs Kamin herunder zu verſtehen/ daß ſie das Hauß auffſtoſſen/ und mich mit Gewalt her- auß nemmen wolten/ ich gabs ihnen aber nicht zu/ ſondern befohl/ ſie ſolten ihr Gewehr in acht nem- men/ und allein den Spring-ins-feld oben bey dem Kamin laſſen/ und erwarten/ ob ich ohne Lermen und Rumor darvon kommen koͤnte/ damit unſer An- ſchlag nicht zu Waſſer wuͤrde/ wofern aber ſolches nicht ſeyn moͤchte/ ſolten ſie alsdenn ihr beſtes thun; Interim ſchlug der Geiſtliche ſelbſt ein Liecht an/ ſei- ne Koͤchin aber erzehlte ihm/ daß ein greulich Ge- ſpenſt in der Kuͤchen waͤre/ welches zween Koͤpff haͤtte (dann ſie hatte vielleicht meinen Buͤſchel Haar auff dem Kopff geſehen/ und auch vor einen Kopff gehalten) das hoͤrete ich alles/ machte mich dero- wegen mit meinen ſchmutzigen Haͤnden/ darinn ich Aſchen/ Ruß und Kohlen riebe/ im Angeſicht und an Haͤnden ſo abſcheulich/ daß ich ohn Zweiffel kei- nem Engel mehr (wie hiebevor die Cloſter-Frauen im Paradeis ſagten) gleich ſahe; und der Meßner/ wann ers geſehen/ mich wol vor einen geſchwinden Mahler haͤtte paſſiren laſſen. Jch fienge an in der Kuͤchen ſchroͤcklich zu poldern/ und allerley Kuͤchen- Geſchirꝛ untereinander zu werffen/ der Keſſel-Ring gerieth mir in die Haͤnd/ den haͤngte ich an den Hals/ den Feuer-Hacken aber behielt ich in den Haͤnden/ mich damit auff den Nothfall zu wehren; Solches lieſſe ſich aber der fromme Pfaff nicht irꝛen/ dann er kam mit ſeiner Koͤchin Proceſſions-weis daher/ welche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/261
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/261>, abgerufen am 13.05.2024.