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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
etliche hatten spitzige Eck/ an andern waren solche
gar binweg geschliffen; theils waren lange Kolben/
und theils sahen auß wie breite Schildkrotten. Und
alle diese Gattungen waren auff nichts anders/ als
auff Betrug verfertigt/ sie thaten das jenige/ worzu
sie gemacht waren/ man mochte sie gleich wippen/
oder sanfft schleichen lassen/ da halff kein knüpffens/
geschweige jetzt deren/ die entweder zween fünffer/
oder zween sechser/ und im Gegentheil entweder
zwey Eß oder zwey Dauß hatten: Mit diesen Schel-
menbeinern zwackten/ laureten und stalen sie einan-
der ihr Geld ab/ welches sie vielleicht auch geraubt/
oder wenigst mit Leib- und Lebensgefahr/ oder sonst
saurer Mühe und Arbeit erobert hatten.

Als ich nun so da stunde/ und den Spielplatz sampt
den Spielern in ihrer Thorheit betrachte/ sagte mein
Hofmeister/ wie mir das Wesen gefalle? Jch ant-
wortet/ daß man so greulich GOtt lästert/ gefällt
mir nicht/ im übrigen aber lasse ichs in seinem Werth
und Unwerth beruhen/ als eine Sach die mir unbe-
kant ist/ und auff welche ich mich noch nichts ver-
stehe; Hierauff sagte mein Hofmeister ferner: So
wisse/ daß dieses der aller-ärgste und abscheulichste
Ort im gantzen Läger ist/ dann hier sucht man eines
andern Geld/ und verlieret das seinige darüber:
Wann einer nur einen Fuß hieher setzt/ in Meynung
zu spielen/ so hat er das zehende Gebot schon über-
tretten/ welches will/ Du solt deines Nächsten
Gut nicht begehren!
Spielestu und gewinnest/
sonderlich durch Betrug und falsche Würffel/ so
übertrittest du das siebend und achte Gebot: Ja es
kan kommen/ daß du auch zu einem Mörder an dem

jenigen

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
etliche hatten ſpitzige Eck/ an andern waren ſolche
gar binweg geſchliffen; theils waren lange Kolben/
und theils ſahen auß wie breite Schildkrotten. Und
alle dieſe Gattungen waren auff nichts anders/ als
auff Betrug verfertigt/ ſie thaten das jenige/ worzu
ſie gemacht waren/ man mochte ſie gleich wippen/
oder ſanfft ſchleichen laſſen/ da halff kein knuͤpffens/
geſchweige jetzt deren/ die entweder zween fuͤnffer/
oder zween ſechſer/ und im Gegentheil entweder
zwey Eß oder zwey Dauß hatten: Mit dieſen Schel-
menbeinern zwackten/ laureten und ſtalen ſie einan-
der ihr Geld ab/ welches ſie vielleicht auch geraubt/
oder wenigſt mit Leib- und Lebensgefahr/ oder ſonſt
ſaurer Muͤhe und Arbeit erobert hatten.

Als ich nun ſo da ſtunde/ und den Spielplatz ſampt
den Spielern in ihrer Thorheit betrachte/ ſagte mein
Hofmeiſter/ wie mir das Weſen gefalle? Jch ant-
wortet/ daß man ſo greulich GOtt laͤſtert/ gefaͤllt
mir nicht/ im uͤbrigen aber laſſe ichs in ſeinem Werth
und Unwerth beruhen/ als eine Sach die mir unbe-
kant iſt/ und auff welche ich mich noch nichts ver-
ſtehe; Hierauff ſagte mein Hofmeiſter ferner: So
wiſſe/ daß dieſes der aller-aͤrgſte und abſcheulichſte
Ort im gantzen Laͤger iſt/ dann hier ſucht man eines
andern Geld/ und verlieret das ſeinige daruͤber:
Wann einer nur einen Fuß hieher ſetzt/ in Meynung
zu ſpielen/ ſo hat er das zehende Gebot ſchon uͤber-
tretten/ welches will/ Du ſolt deines Naͤchſten
Gut nicht begehren!
Spieleſtu und gewinneſt/
ſonderlich durch Betrug und falſche Wuͤrffel/ ſo
uͤbertritteſt du das ſiebend und achte Gebot: Ja es
kan kommen/ daß du auch zu einem Moͤrder an dem

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[200/0206] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi etliche hatten ſpitzige Eck/ an andern waren ſolche gar binweg geſchliffen; theils waren lange Kolben/ und theils ſahen auß wie breite Schildkrotten. Und alle dieſe Gattungen waren auff nichts anders/ als auff Betrug verfertigt/ ſie thaten das jenige/ worzu ſie gemacht waren/ man mochte ſie gleich wippen/ oder ſanfft ſchleichen laſſen/ da halff kein knuͤpffens/ geſchweige jetzt deren/ die entweder zween fuͤnffer/ oder zween ſechſer/ und im Gegentheil entweder zwey Eß oder zwey Dauß hatten: Mit dieſen Schel- menbeinern zwackten/ laureten und ſtalen ſie einan- der ihr Geld ab/ welches ſie vielleicht auch geraubt/ oder wenigſt mit Leib- und Lebensgefahr/ oder ſonſt ſaurer Muͤhe und Arbeit erobert hatten. Als ich nun ſo da ſtunde/ und den Spielplatz ſampt den Spielern in ihrer Thorheit betrachte/ ſagte mein Hofmeiſter/ wie mir das Weſen gefalle? Jch ant- wortet/ daß man ſo greulich GOtt laͤſtert/ gefaͤllt mir nicht/ im uͤbrigen aber laſſe ichs in ſeinem Werth und Unwerth beruhen/ als eine Sach die mir unbe- kant iſt/ und auff welche ich mich noch nichts ver- ſtehe; Hierauff ſagte mein Hofmeiſter ferner: So wiſſe/ daß dieſes der aller-aͤrgſte und abſcheulichſte Ort im gantzen Laͤger iſt/ dann hier ſucht man eines andern Geld/ und verlieret das ſeinige daruͤber: Wann einer nur einen Fuß hieher ſetzt/ in Meynung zu ſpielen/ ſo hat er das zehende Gebot ſchon uͤber- tretten/ welches will/ Du ſolt deines Naͤchſten Gut nicht begehren! Spieleſtu und gewinneſt/ ſonderlich durch Betrug und falſche Wuͤrffel/ ſo uͤbertritteſt du das ſiebend und achte Gebot: Ja es kan kommen/ daß du auch zu einem Moͤrder an dem jenigen

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/206>, abgerufen am 03.05.2024.