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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Zweytes Buch.
geholt/ wieder an dasselbig Ort kam/ dahero war ich
sehr glückselig im sielen/ und wurde niemals auff der
Mauserey erdappt.

Einsmal zu End deß May/ als ich abermal durch
mein gewöhnlich/ ob zwar verbottenes Mittel/ meine
Nahrung holen wolte/ und zu dem Ende zu einem
Baurn-Hof gestrichen war/ kam ich in die Küchen/
merckte aber bald/ daß noch Leut auff waren (Nota,
wo sich Hund befanden/ da kam ich wol nicht hin)
derowegen sperrete ich die eine Küchenthür/ die in
Hof gieng/ Angelweit auff/ damit wann es etwan
Gefahr setzte/ ich stracks außreissen könte blieb also
Maußstill sitzen/ biß ich erwarten möchte/ daß sich
die Leut nidergelegt hätten: Unte[r]dessen nam ich ei-
nes Spalts gewahr/ den das Küchenschälterlein
hatte/ welches in die Stuben gieng; ich schlich hin-
zu/ zu sehen/ ob die Leut nicht bald schlaffen gehen
wolten? aber meine Hoffnung war nichts/ dann sie
hatten sich erst angezogen/ und an statt deß Liechts/
ein schweflichte blaue Flamm auff der Banck stehen/
bey welcher sie Stecken/ Besem/ Gablen/ Stül und
Bänck schmierten/ und nacheinander damit zum Feu-
ster hinauß flogen. Jch verwundert mich schröcklich/
und empfand ein grosses Grausen; weil ich aber grös-
serer Erschröcklichkeiten gewohnt war/ zumal mein
Lebtag von den Unholden weder gelesen noch gehört
hatte/ achtet ichs nicht sonderlich/ vornemlich weil
alles so still hergieng/ sondern verfügte mich/ nach-
dem alles darvon gefahren war/ auch in die Stub/
bedachte was ich mit nemmen/ und wo ich solches
suchen wolte/ und setzte mich in solchen Gedancken
auff einen Banck schrittlings nider; Jch war aber

kaum

Zweytes Buch.
geholt/ wieder an daſſelbig Ort kam/ dahero war ich
ſehr gluͤckſelig im ſielen/ und wurde niemals auff der
Mauſerey erdappt.

Einsmal zu End deß May/ als ich abermal durch
mein gewoͤhnlich/ ob zwar verbottenes Mittel/ meine
Nahrung holen wolte/ und zu dem Ende zu einem
Baurn-Hof geſtrichen war/ kam ich in die Kuͤchen/
merckte aber bald/ daß noch Leut auff waren (Nota,
wo ſich Hund befanden/ da kam ich wol nicht hin)
derowegen ſperꝛete ich die eine Kuͤchenthuͤr/ die in
Hof gieng/ Angelweit auff/ damit wann es etwan
Gefahr ſetzte/ ich ſtracks außreiſſen koͤnte blieb alſo
Maußſtill ſitzen/ biß ich erwarten moͤchte/ daß ſich
die Leut nidergelegt haͤtten: Unte[r]deſſen nam ich ei-
nes Spalts gewahr/ den das Kuͤchenſchaͤlterlein
hatte/ welches in die Stuben gieng; ich ſchlich hin-
zu/ zu ſehen/ ob die Leut nicht bald ſchlaffen gehen
wolten? aber meine Hoffnung war nichts/ dann ſie
hatten ſich erſt angezogen/ und an ſtatt deß Liechts/
ein ſchweflichte blaue Flamm auff der Banck ſtehen/
bey welcher ſie Stecken/ Beſem/ Gablen/ Stuͤl und
Baͤnck ſchmierten/ und nacheinander damit zum Feu-
ſter hinauß flogen. Jch verwundert mich ſchroͤcklich/
und empfand ein groſſes Grauſen; weil ich aber groͤſ-
ſerer Erſchroͤcklichkeiten gewohnt war/ zumal mein
Lebtag von den Unholden weder geleſen noch gehoͤrt
hatte/ achtet ichs nicht ſonderlich/ vornemlich weil
alles ſo ſtill hergieng/ ſondern verfuͤgte mich/ nach-
dem alles darvon gefahren war/ auch in die Stub/
bedachte was ich mit nemmen/ und wo ich ſolches
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auff einen Banck ſchrittlings nider; Jch war aber

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[187/0193] Zweytes Buch. geholt/ wieder an daſſelbig Ort kam/ dahero war ich ſehr gluͤckſelig im ſielen/ und wurde niemals auff der Mauſerey erdappt. Einsmal zu End deß May/ als ich abermal durch mein gewoͤhnlich/ ob zwar verbottenes Mittel/ meine Nahrung holen wolte/ und zu dem Ende zu einem Baurn-Hof geſtrichen war/ kam ich in die Kuͤchen/ merckte aber bald/ daß noch Leut auff waren (Nota, wo ſich Hund befanden/ da kam ich wol nicht hin) derowegen ſperꝛete ich die eine Kuͤchenthuͤr/ die in Hof gieng/ Angelweit auff/ damit wann es etwan Gefahr ſetzte/ ich ſtracks außreiſſen koͤnte blieb alſo Maußſtill ſitzen/ biß ich erwarten moͤchte/ daß ſich die Leut nidergelegt haͤtten: Unterdeſſen nam ich ei- nes Spalts gewahr/ den das Kuͤchenſchaͤlterlein hatte/ welches in die Stuben gieng; ich ſchlich hin- zu/ zu ſehen/ ob die Leut nicht bald ſchlaffen gehen wolten? aber meine Hoffnung war nichts/ dann ſie hatten ſich erſt angezogen/ und an ſtatt deß Liechts/ ein ſchweflichte blaue Flamm auff der Banck ſtehen/ bey welcher ſie Stecken/ Beſem/ Gablen/ Stuͤl und Baͤnck ſchmierten/ und nacheinander damit zum Feu- ſter hinauß flogen. Jch verwundert mich ſchroͤcklich/ und empfand ein groſſes Grauſen; weil ich aber groͤſ- ſerer Erſchroͤcklichkeiten gewohnt war/ zumal mein Lebtag von den Unholden weder geleſen noch gehoͤrt hatte/ achtet ichs nicht ſonderlich/ vornemlich weil alles ſo ſtill hergieng/ ſondern verfuͤgte mich/ nach- dem alles darvon gefahren war/ auch in die Stub/ bedachte was ich mit nemmen/ und wo ich ſolches ſuchen wolte/ und ſetzte mich in ſolchen Gedancken auff einen Banck ſchrittlings nider; Jch war aber kaum

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/193>, abgerufen am 22.11.2024.