German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Zweytes Buch. aber stellt man ohne Zweiffel auff tausendfältige weisnach/ deßwegen ist dein gantzes Leben nichts anders als ein immerwährende Sorg und Schlaffbrechens/ dann du must Freund und Feind förchten/ die dich ohn Zweiffel/ wie du auch andern zu thun gedenckest/ entweder umb dein Leben/ oder umb dein Geld/ oder umb deine Reputation, oder umb dein Commando, oder umb sonsten etwas zu bringen nachsinnen/ der Feind setzt dir offentlich zu/ und deine vermeynte Freund beneiden heimlich dein Glück; vor deinen Untergebenen aber bistu auch nicht allerdings versi- chert. Jch geschweige hier/ wie dich täglich deine brennende Begierden quälen/ und hin und wider trei- ben/ wenn du gedenckest/ wie du dir einen noch grös- sern Nahmen und Ruhm zu machen/ höher in Kriegs- Aemptern zu steigen/ grössern Reichthum zu samlen/ dem Feind einen Tuck zu beweisen/ ein oder ander Ort zu überrumpeln/ und in Summa fast alles zu thun/ was andere Leut geheyet/ und deiner Seelen schäd- lich/ der Göttlichen Majestät aber mißfällig ist! Und was das aller-ärgste ist/ so bist du von deinen Fuchs- schwäntzern so verwähnt/ daß du dich selbsten nicht kennest/ und von ihnen so eingenommen und vergiff- tet/ daß du den gefährlicheu Weg/ den du gehest/ nicht sehen kanst/ denn alles was du thust/ heissen sie recht/ und alle deine Laster werden von ihnen zu lau- ter Tugenden gemacht und außgeruffen; dein Grim- migkeit ist ihnen eine Gerechtigkeit/ und wenn du Land und Leut verderben läst/ so sagen sie/ du seyst ein braver Soldat/ hetzen dich also zu ander Leut Scha- den/ damit sie deine Gunst behalten/ und ihre Beutel darbey spicken mögen. Du
Zweytes Buch. aber ſtellt man ohne Zweiffel auff tauſendfaͤltige weisnach/ deßwegen iſt dein gantzes Leben nichts anders als ein immerwaͤhrende Sorg und Schlaffbrechens/ dann du muſt Freund und Feind foͤrchten/ die dich ohn Zweiffel/ wie du auch andern zu thun gedenckeſt/ entweder umb dein Leben/ oder umb dein Geld/ oder umb deine Reputation, oder umb dein Commando, oder umb ſonſten etwas zu bringen nachſinnen/ der Feind ſetzt dir offentlich zu/ und deine vermeynte Freund beneiden heimlich dein Gluͤck; vor deinen Untergebenen aber biſtu auch nicht allerdings verſi- chert. Jch geſchweige hier/ wie dich taͤglich deine brennende Begierden quaͤlen/ und hin und wider trei- ben/ wenn du gedenckeſt/ wie du dir einen noch groͤſ- ſern Nahmen und Ruhm zu machen/ hoͤher in Kriegs- Aemptern zu ſteigen/ groͤſſern Reichthum zu ſamlen/ dem Feind einen Tuck zu beweiſen/ ein oder ander Ort zu uͤberꝛumpeln/ und in Summa faſt alles zu thun/ was andere Leut geheyet/ und deiner Seelen ſchaͤd- lich/ der Goͤttlichen Majeſtaͤt aber mißfaͤllig iſt! Und was das aller-aͤrgſte iſt/ ſo biſt du von deinen Fuchs- ſchwaͤntzern ſo verwaͤhnt/ daß du dich ſelbſten nicht kenneſt/ und von ihnen ſo eingenommen und vergiff- tet/ daß du den gefaͤhrlicheu Weg/ den du geheſt/ nicht ſehen kanſt/ denn alles was du thuſt/ heiſſen ſie recht/ und alle deine Laſter werden von ihnen zu lau- ter Tugenden gemacht und außgeruffen; dein Grim- migkeit iſt ihnen eine Gerechtigkeit/ und wenn du Land und Leut verderben laͤſt/ ſo ſagen ſie/ du ſeyſt ein braver Soldat/ hetzen dich alſo zu ander Leut Scha- den/ damit ſie deine Gunſt behalten/ und ihre Beutel darbey ſpicken moͤgen. Du
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0169" n="163"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweytes Buch.</hi></fw><lb/> aber ſtellt man ohne Zweiffel auff tauſendfaͤltige weis<lb/> nach/ deßwegen iſt dein gantzes Leben nichts anders<lb/> als ein immerwaͤhrende Sorg und Schlaffbrechens/<lb/> dann du muſt Freund und Feind foͤrchten/ die dich<lb/> ohn Zweiffel/ wie du auch andern zu thun gedenckeſt/<lb/> entweder umb dein Leben/ oder umb dein Geld/ oder<lb/> umb deine <hi rendition="#aq">Reputation,</hi> oder umb dein <hi rendition="#aq">Commando,</hi><lb/> oder umb ſonſten etwas zu bringen nachſinnen/ der<lb/> Feind ſetzt dir offentlich zu/ und deine vermeynte<lb/> Freund beneiden heimlich dein Gluͤck; vor deinen<lb/> Untergebenen aber biſtu auch nicht allerdings verſi-<lb/> chert. Jch geſchweige hier/ wie dich taͤglich deine<lb/> brennende Begierden quaͤlen/ und hin und wider trei-<lb/> ben/ wenn du gedenckeſt/ wie du dir einen noch groͤſ-<lb/> ſern Nahmen und Ruhm zu machen/ hoͤher in Kriegs-<lb/> Aemptern zu ſteigen/ groͤſſern Reichthum zu ſamlen/<lb/> dem Feind einen Tuck zu beweiſen/ ein oder ander Ort<lb/> zu uͤberꝛumpeln/ und in Summa faſt alles zu thun/<lb/> was andere Leut geheyet/ und deiner Seelen ſchaͤd-<lb/> lich/ der Goͤttlichen Majeſtaͤt aber mißfaͤllig iſt! Und<lb/> was das aller-aͤrgſte iſt/ ſo biſt du von deinen Fuchs-<lb/> ſchwaͤntzern ſo verwaͤhnt/ daß du dich ſelbſten nicht<lb/> kenneſt/ und von ihnen ſo eingenommen und vergiff-<lb/> tet/ daß du den gefaͤhrlicheu Weg/ den du geheſt/<lb/> nicht ſehen kanſt/ denn alles was du thuſt/ heiſſen ſie<lb/> recht/ und alle deine Laſter werden von ihnen zu lau-<lb/> ter Tugenden gemacht und außgeruffen; dein Grim-<lb/> migkeit iſt ihnen eine Gerechtigkeit/ und wenn du<lb/> Land und Leut verderben laͤſt/ ſo ſagen ſie/ du ſeyſt ein<lb/> braver Soldat/ hetzen dich alſo zu ander Leut Scha-<lb/> den/ damit ſie deine Gunſt behalten/ und ihre Beutel<lb/> darbey ſpicken moͤgen.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Du</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [163/0169]
Zweytes Buch.
aber ſtellt man ohne Zweiffel auff tauſendfaͤltige weis
nach/ deßwegen iſt dein gantzes Leben nichts anders
als ein immerwaͤhrende Sorg und Schlaffbrechens/
dann du muſt Freund und Feind foͤrchten/ die dich
ohn Zweiffel/ wie du auch andern zu thun gedenckeſt/
entweder umb dein Leben/ oder umb dein Geld/ oder
umb deine Reputation, oder umb dein Commando,
oder umb ſonſten etwas zu bringen nachſinnen/ der
Feind ſetzt dir offentlich zu/ und deine vermeynte
Freund beneiden heimlich dein Gluͤck; vor deinen
Untergebenen aber biſtu auch nicht allerdings verſi-
chert. Jch geſchweige hier/ wie dich taͤglich deine
brennende Begierden quaͤlen/ und hin und wider trei-
ben/ wenn du gedenckeſt/ wie du dir einen noch groͤſ-
ſern Nahmen und Ruhm zu machen/ hoͤher in Kriegs-
Aemptern zu ſteigen/ groͤſſern Reichthum zu ſamlen/
dem Feind einen Tuck zu beweiſen/ ein oder ander Ort
zu uͤberꝛumpeln/ und in Summa faſt alles zu thun/
was andere Leut geheyet/ und deiner Seelen ſchaͤd-
lich/ der Goͤttlichen Majeſtaͤt aber mißfaͤllig iſt! Und
was das aller-aͤrgſte iſt/ ſo biſt du von deinen Fuchs-
ſchwaͤntzern ſo verwaͤhnt/ daß du dich ſelbſten nicht
kenneſt/ und von ihnen ſo eingenommen und vergiff-
tet/ daß du den gefaͤhrlicheu Weg/ den du geheſt/
nicht ſehen kanſt/ denn alles was du thuſt/ heiſſen ſie
recht/ und alle deine Laſter werden von ihnen zu lau-
ter Tugenden gemacht und außgeruffen; dein Grim-
migkeit iſt ihnen eine Gerechtigkeit/ und wenn du
Land und Leut verderben laͤſt/ ſo ſagen ſie/ du ſeyſt ein
braver Soldat/ hetzen dich alſo zu ander Leut Scha-
den/ damit ſie deine Gunſt behalten/ und ihre Beutel
darbey ſpicken moͤgen.
Du
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDer angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |