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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi

Du Beruheuter/ sagte mein Herr/ wer lernet dich
so predigen? Jch antwortet/ Liebster Herr/ sage ich
nicht wahr/ daß du von deinen Ohrenbläsern und
Daumendrehern dergestalt verderbet seyest/ daß dir
bereits nicht mehr zu helffen; hingegen sehen andere
Leut deine Laster gar bald/ und urtheilen dich nicht
allein in hohen und wichtigen Sachen/ sondern fin-
den auch genug in geringen Dingen/ daran wenig
gelegen/ an dir zu tadlen: Hastu nicht Exempel ge-
nug an hohen Personen/ so vor der Zeit gelebt? die
Athenienser murmelten wider ihren Simonidem, nur
darumb daß er zu laut redete; die Thebaner klagten
über ihren Paniculum, dieweil er außwurffe; die La-
cedaemonier schalten an ihrem Lycuigo, daß er alle-
zeit mit nieder geneigtem Happt daher gienge; die
Römer vermeynten/ es stünde dem Scipione gar übel
an/ daß er im Schlaff so laut schnarchte; es dünckte
sie heßlich zu seyn/ daß sich Pompejus nur mit einem
Finger kratzte; deß Julii Caesaris spotteten sie/ weil er
seinen Gürtel nicht artig und lustig antrug; die Uti-
censer
verleumdeten thren guten Catonem, weil er/
wie sie bedünckte/ allzu-geitzig auff beyden Backen
asse; und die Carthaginenser redeten dem Hannibali
übel nach/ weil er immerzu mit der Brust auffgedeckt
und bloß daher gienge. Wie dünckt dich nun/ mein
lieber Herr? vermeynest du wol noch/ daß ich mit ei-
nem tauschen solte/ der vielleicht neben zwölff oder
dreyzehen Tisch Freunden/ Fuchsschwäntzern und
Schmarotzern/ mehr als 100. oder vermuthlicher
mehr als 10000. so heimliche als offentliche Feind/
Verleumder und mißgönstige Neider hat? zu dem/
was vor Glückseeligkeit/ was für Lust und was vor

Freud
Deß Abentheurl. Simpliciſſimi

Du Beruheuter/ ſagte mein Herꝛ/ wer lernet dich
ſo predigen? Jch antwortet/ Liebſter Herꝛ/ ſage ich
nicht wahr/ daß du von deinen Ohrenblaͤſern und
Daumendrehern dergeſtalt verderbet ſeyeſt/ daß dir
bereits nicht mehr zu helffen; hingegen ſehen andere
Leut deine Laſter gar bald/ und urtheilen dich nicht
allein in hohen und wichtigen Sachen/ ſondern fin-
den auch genug in geringen Dingen/ daran wenig
gelegen/ an dir zu tadlen: Haſtu nicht Exempel ge-
nug an hohen Perſonen/ ſo vor der Zeit gelebt? die
Athenienſer murmelten wider ihren Simonidem, nur
darumb daß er zu laut redete; die Thebaner klagten
uͤber ihren Paniculum, dieweil er außwurffe; die La-
cedæmonier ſchalten an ihrem Lycuigo, daß er alle-
zeit mit nieder geneigtem Happt daher gienge; die
Roͤmer vermeynten/ es ſtuͤnde dem Scipione gar uͤbel
an/ daß er im Schlaff ſo laut ſchnarchte; es duͤnckte
ſie heßlich zu ſeyn/ daß ſich Pompejus nur mit einem
Finger kratzte; deß Julii Cæſaris ſpotteten ſie/ weil er
ſeinen Guͤrtel nicht artig und luſtig antrug; die Uti-
cenſer
verleumdeten thren guten Catonem, weil er/
wie ſie beduͤnckte/ allzu-geitzig auff beyden Backen
aſſe; und die Carthaginenſer redeten dem Hannibali
uͤbel nach/ weil er immerzu mit der Bruſt auffgedeckt
und bloß daher gienge. Wie duͤnckt dich nun/ mein
lieber Herꝛ? vermeyneſt du wol noch/ daß ich mit ei-
nem tauſchen ſolte/ der vielleicht neben zwoͤlff oder
dreyzehen Tiſch Freunden/ Fuchsſchwaͤntzern und
Schmarotzern/ mehr als 100. oder vermuthlicher
mehr als 10000. ſo heimliche als offentliche Feind/
Verleumder und mißgoͤnſtige Neider hat? zu dem/
was vor Gluͤckſeeligkeit/ was fuͤr Luſt und was vor

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[164/0170] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi Du Beruheuter/ ſagte mein Herꝛ/ wer lernet dich ſo predigen? Jch antwortet/ Liebſter Herꝛ/ ſage ich nicht wahr/ daß du von deinen Ohrenblaͤſern und Daumendrehern dergeſtalt verderbet ſeyeſt/ daß dir bereits nicht mehr zu helffen; hingegen ſehen andere Leut deine Laſter gar bald/ und urtheilen dich nicht allein in hohen und wichtigen Sachen/ ſondern fin- den auch genug in geringen Dingen/ daran wenig gelegen/ an dir zu tadlen: Haſtu nicht Exempel ge- nug an hohen Perſonen/ ſo vor der Zeit gelebt? die Athenienſer murmelten wider ihren Simonidem, nur darumb daß er zu laut redete; die Thebaner klagten uͤber ihren Paniculum, dieweil er außwurffe; die La- cedæmonier ſchalten an ihrem Lycuigo, daß er alle- zeit mit nieder geneigtem Happt daher gienge; die Roͤmer vermeynten/ es ſtuͤnde dem Scipione gar uͤbel an/ daß er im Schlaff ſo laut ſchnarchte; es duͤnckte ſie heßlich zu ſeyn/ daß ſich Pompejus nur mit einem Finger kratzte; deß Julii Cæſaris ſpotteten ſie/ weil er ſeinen Guͤrtel nicht artig und luſtig antrug; die Uti- cenſer verleumdeten thren guten Catonem, weil er/ wie ſie beduͤnckte/ allzu-geitzig auff beyden Backen aſſe; und die Carthaginenſer redeten dem Hannibali uͤbel nach/ weil er immerzu mit der Bruſt auffgedeckt und bloß daher gienge. Wie duͤnckt dich nun/ mein lieber Herꝛ? vermeyneſt du wol noch/ daß ich mit ei- nem tauſchen ſolte/ der vielleicht neben zwoͤlff oder dreyzehen Tiſch Freunden/ Fuchsſchwaͤntzern und Schmarotzern/ mehr als 100. oder vermuthlicher mehr als 10000. ſo heimliche als offentliche Feind/ Verleumder und mißgoͤnſtige Neider hat? zu dem/ was vor Gluͤckſeeligkeit/ was fuͤr Luſt und was vor Freud

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/170>, abgerufen am 27.11.2024.