German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.Erstes Buch. keinem Hencker-Mahl nichts/ dahero thät mir dieErkostung dieses herrlichen Anfangs so trefflich kirr und sanfft/ daß ichs keinem Menschen genugsam sa- gen/ rühmen und außsprechen kan; Ja ich glaube schwerlich/ daß ich mein Lebtag einiges mal einen grössern Wollust empfunden/ als eben damals. Als nun das Wambs fertig war/ zog ichs auch an/ und stellte in diesem neuen Kleid ein solch ungeschickte Po- stur vor Augen/ daß es sahe wie ein Trophaeum, oder als wenn man ein Zaunstecken geziert hätte/ weil mir die Schneider die Kleider mit Fleiß zu weit machen musten/ umb der Hoffnung willen die man hatte/ ich würde in kurtzer Zeit zulegen/ welches auch bey so gutem Futter augenscheinlich geschahe. Mein Wald- Kleid/ sampt der Ketten und aller Zugehör/ wurde hingegen in die Kunst-Kammer zu andern raren Sa- chen und Antiquitäten gethan/ und mein Bildnus in Lebensgröß darneben gestellt. Nach dem Nacht-Essen wurde mein Herr in ein Das D iij
Erſtes Buch. keinem Hencker-Mahl nichts/ dahero thaͤt mir dieErkoſtung dieſes herꝛlichen Anfangs ſo trefflich kirꝛ und ſanfft/ daß ichs keinem Menſchen genugſam ſa- gen/ ruͤhmen und außſprechen kan; Ja ich glaube ſchwerlich/ daß ich mein Lebtag einiges mal einen groͤſſern Wolluſt empfunden/ als eben damals. Als nun das Wambs fertig war/ zog ichs auch an/ und ſtellte in dieſem neuen Kleid ein ſolch ungeſchickte Po- ſtur vor Augen/ daß es ſahe wie ein Trophæum, oder als wenn man ein Zaunſtecken geziert haͤtte/ weil mir die Schneider die Kleider mit Fleiß zu weit machen muſten/ umb der Hoffnung willen die man hatte/ ich wuͤrde in kurtzer Zeit zulegen/ welches auch bey ſo gutem Futter augenſcheinlich geſchahe. Mein Wald- Kleid/ ſampt der Ketten und aller Zugehoͤr/ wurde hingegen in die Kunſt-Kammer zu andern raren Sa- chen und Antiquitaͤten gethan/ und mein Bildnus in Lebensgroͤß darneben geſtellt. Nach dem Nacht-Eſſen wurde mein Herꝛ in ein Das D iij
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Erſtes Buch.
keinem Hencker-Mahl nichts/ dahero thaͤt mir die
Erkoſtung dieſes herꝛlichen Anfangs ſo trefflich kirꝛ
und ſanfft/ daß ichs keinem Menſchen genugſam ſa-
gen/ ruͤhmen und außſprechen kan; Ja ich glaube
ſchwerlich/ daß ich mein Lebtag einiges mal einen
groͤſſern Wolluſt empfunden/ als eben damals. Als
nun das Wambs fertig war/ zog ichs auch an/ und
ſtellte in dieſem neuen Kleid ein ſolch ungeſchickte Po-
ſtur vor Augen/ daß es ſahe wie ein Trophæum, oder
als wenn man ein Zaunſtecken geziert haͤtte/ weil mir
die Schneider die Kleider mit Fleiß zu weit machen
muſten/ umb der Hoffnung willen die man hatte/ ich
wuͤrde in kurtzer Zeit zulegen/ welches auch bey ſo
gutem Futter augenſcheinlich geſchahe. Mein Wald-
Kleid/ ſampt der Ketten und aller Zugehoͤr/ wurde
hingegen in die Kunſt-Kammer zu andern raren Sa-
chen und Antiquitaͤten gethan/ und mein Bildnus in
Lebensgroͤß darneben geſtellt.
Nach dem Nacht-Eſſen wurde mein Herꝛ in ein
Bett gelegt/ dergleichen mir niemals weder bey mei-
nem Knan noch Einſidel zu theil worden; aber mein
Bauch kurꝛet und murꝛet die gantze Nacht hindurch/
daß ich nicht ſchlaffen konte/ vielleicht keiner andern
Urſach halber/ als weil er entweder noch nicht wuſte
was gut war/ oder weil er ſich uͤber die anmuͤtige neue
Speiſen/ die ihm zu theil worden/ verwunderte/ ich
blieb aber ein weg als den andern ligen/ biß die liebe
Sonn wieder leuchtet (deñ es war kalt) und betrach-
tet/ was vor ſeltzame Anſtaͤnd ich nun etliche Tag ge-
habt/ und wie mir der liebe GOtt ſo treulich durch
geholffen/ und mich an ein ſo gutes Ort gefuͤhret
haͤtte.
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