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Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843.

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schenken dürfe, und die vielleicht in weit späterer Zeit niedergeschriebene Klosternachricht für das nehmen müsse, was sie ist, eine Schilderung der Erlittenheiten in dem Bauernkriege, wobei leicht aus Irrthum oder auch absichtlich die Person verwechselt, und die Worte und Handlungen eines ganz andern unserm edeln Ritter in den Mund gelegt wurden.

Die Räubereien und Plünderungen der Bauern machten sich auch viele Bewohner der Stadt Amorbach und der Umgegend zu Nutze, und zerstörten, was jene bei ihrem Abzuge noch übrig gelassen. Sie schleppten die Tische, Stühle, Kisten, Bänke, Holz, Eisenwerk, selbst Ziegel in ihre Häuser, brachen die Platten der Gänge überall auf, und kehrten beinahe das ganze Kloster um, um vergrabene Schätze zu finden.

Die Bauern hatten ihre "Brandmeister" zurückgelassen, das ausgeleerte Kloster anzuzünden. Allein die Bürger der Stadt fürchteten davon Schaden für ihre Häuser und machten Vorstellungen dagegen. Man zerstörte es auf andere Weise, so viel man konnte, und verbrannte nur die Zinsbücher des Klosters.

Bei dieser Gelegenheit wurde auch das Kloster auf dem St. Gotthardsberge geplündert und niedergebrannt. Nachdem der Aufruhr der Bauern aber gedämpft war, kamen im nächsten Dezember Commissäre von der Ligue und aus Mainz, welche die Sache untersuchten, und drei von den Theilnehmern an den hier verübten Greueln hinrichten liessen.

Man rief die Mönche nun zurück und das Kloster ward wieder gehörig eingerichtet. Ehe aber ein weiteres Jahrhundert vergangen war, wiederholten sich ähnliche Scenen. Im Oktober 1631 kam der Schwedenkönig Gustav Adolf mit seinem Heere nach Franken. Die Mönche zu Amorbach entflohen zum Theile, die bleibenden aber wurden von den Schwedischen Soldaten verjagt. Das Kloster wurde geplündert; was man nicht raubte, wurde zerstört. Gustav Adolf setzte einen Edeln von Gemmingen zum Commandanten in Amorbach ein, und schenkte das Kloster mit allen Gütern dem Grafen von Erbach, der es sogleich in Besitz nahm. Die Klosterkirche ward den Lutheranern eingeräumt. Diess dauerte drei Jahre.

Die Klosternachrichten erzählen bei dieser Gelegenheit, der Himmel habe all diese Greuel und all diese Entweihungen der Kirche

schenken dürfe, und die vielleicht in weit späterer Zeit niedergeschriebene Klosternachricht für das nehmen müsse, was sie ist, eine Schilderung der Erlittenheiten in dem Bauernkriege, wobei leicht aus Irrthum oder auch absichtlich die Person verwechselt, und die Worte und Handlungen eines ganz andern unserm edeln Ritter in den Mund gelegt wurden.

Die Räubereien und Plünderungen der Bauern machten sich auch viele Bewohner der Stadt Amorbach und der Umgegend zu Nutze, und zerstörten, was jene bei ihrem Abzuge noch übrig gelassen. Sie schleppten die Tische, Stühle, Kisten, Bänke, Holz, Eisenwerk, selbst Ziegel in ihre Häuser, brachen die Platten der Gänge überall auf, und kehrten beinahe das ganze Kloster um, um vergrabene Schätze zu finden.

Die Bauern hatten ihre „Brandmeister“ zurückgelassen, das ausgeleerte Kloster anzuzünden. Allein die Bürger der Stadt fürchteten davon Schaden für ihre Häuser und machten Vorstellungen dagegen. Man zerstörte es auf andere Weise, so viel man konnte, und verbrannte nur die Zinsbücher des Klosters.

Bei dieser Gelegenheit wurde auch das Kloster auf dem St. Gotthardsberge geplündert und niedergebrannt. Nachdem der Aufruhr der Bauern aber gedämpft war, kamen im nächsten Dezember Commissäre von der Ligue und aus Mainz, welche die Sache untersuchten, und drei von den Theilnehmern an den hier verübten Greueln hinrichten liessen.

Man rief die Mönche nun zurück und das Kloster ward wieder gehörig eingerichtet. Ehe aber ein weiteres Jahrhundert vergangen war, wiederholten sich ähnliche Scenen. Im Oktober 1631 kam der Schwedenkönig Gustav Adolf mit seinem Heere nach Franken. Die Mönche zu Amorbach entflohen zum Theile, die bleibenden aber wurden von den Schwedischen Soldaten verjagt. Das Kloster wurde geplündert; was man nicht raubte, wurde zerstört. Gustav Adolf setzte einen Edeln von Gemmingen zum Commandanten in Amorbach ein, und schenkte das Kloster mit allen Gütern dem Grafen von Erbach, der es sogleich in Besitz nahm. Die Klosterkirche ward den Lutheranern eingeräumt. Diess dauerte drei Jahre.

Die Klosternachrichten erzählen bei dieser Gelegenheit, der Himmel habe all diese Greuel und all diese Entweihungen der Kirche

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[87/0087] schenken dürfe, und die vielleicht in weit späterer Zeit niedergeschriebene Klosternachricht für das nehmen müsse, was sie ist, eine Schilderung der Erlittenheiten in dem Bauernkriege, wobei leicht aus Irrthum oder auch absichtlich die Person verwechselt, und die Worte und Handlungen eines ganz andern unserm edeln Ritter in den Mund gelegt wurden. Die Räubereien und Plünderungen der Bauern machten sich auch viele Bewohner der Stadt Amorbach und der Umgegend zu Nutze, und zerstörten, was jene bei ihrem Abzuge noch übrig gelassen. Sie schleppten die Tische, Stühle, Kisten, Bänke, Holz, Eisenwerk, selbst Ziegel in ihre Häuser, brachen die Platten der Gänge überall auf, und kehrten beinahe das ganze Kloster um, um vergrabene Schätze zu finden. Die Bauern hatten ihre „Brandmeister“ zurückgelassen, das ausgeleerte Kloster anzuzünden. Allein die Bürger der Stadt fürchteten davon Schaden für ihre Häuser und machten Vorstellungen dagegen. Man zerstörte es auf andere Weise, so viel man konnte, und verbrannte nur die Zinsbücher des Klosters. Bei dieser Gelegenheit wurde auch das Kloster auf dem St. Gotthardsberge geplündert und niedergebrannt. Nachdem der Aufruhr der Bauern aber gedämpft war, kamen im nächsten Dezember Commissäre von der Ligue und aus Mainz, welche die Sache untersuchten, und drei von den Theilnehmern an den hier verübten Greueln hinrichten liessen. Man rief die Mönche nun zurück und das Kloster ward wieder gehörig eingerichtet. Ehe aber ein weiteres Jahrhundert vergangen war, wiederholten sich ähnliche Scenen. Im Oktober 1631 kam der Schwedenkönig Gustav Adolf mit seinem Heere nach Franken. Die Mönche zu Amorbach entflohen zum Theile, die bleibenden aber wurden von den Schwedischen Soldaten verjagt. Das Kloster wurde geplündert; was man nicht raubte, wurde zerstört. Gustav Adolf setzte einen Edeln von Gemmingen zum Commandanten in Amorbach ein, und schenkte das Kloster mit allen Gütern dem Grafen von Erbach, der es sogleich in Besitz nahm. Die Klosterkirche ward den Lutheranern eingeräumt. Diess dauerte drei Jahre. Die Klosternachrichten erzählen bei dieser Gelegenheit, der Himmel habe all diese Greuel und all diese Entweihungen der Kirche

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Zitationshilfe: Grimm, Albert Ludwig: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes. Darmstadt, 1843, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_odenwald_1843/87>, abgerufen am 04.05.2024.