Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

Bären drücke ich die Gurgel zusammen, aber vor den Erdwürmen kann ich mich nicht schützen.' 'Hör, kleiner Kerl,' sprach er, 'zieh wieder ab, ich verspreche dir, daß ich dich und deine Gesellen in Zukunft in Ruhe lassen will, und hast du noch einen Wunsch, so sags mir, ich will dir wohl etwas zu Gefallen thun.' 'Du hast lange Beine,' sprach der Trommler, 'und kannst schneller laufen als ich, trag mich zum Glasberge, so will ich den Meinigen ein Zeichen zum Rückzug geben, und sie sollen dich diesmal in Ruhe lassen.' 'Komm her, Wurm,' sprach der Riese, 'setz dich auf meine Schulter, ich will dich tragen wohin du verlangst.' Der Riese hob ihn hinauf, und der Trommler fieng oben an nach Herzenslust auf der Trommel zu wirbeln. Der Riese dachte 'das wird das Zeichen sein, daß das andere Volk zurückgehen soll.' Nach einer Weile stand ein zweiter Riese am Weg, der nahm den Trommler dem ersten ab und steckte ihn in sein Knopfloch. Der Trommler faßte den Knopf, der wie eine Schüssel groß war, hielt sich daran und schaute ganz lustig umher. Dann kamen sie zu einem dritten, der nahm ihn aus dem Knopfloch und setzte ihn auf den Rand seines Hutes; da gieng der Trommler oben auf und ab und sah über die Bäume hinaus, und als er in blauer Ferne einen Berg erblickte, so dachte er 'das ist gewis der Glasberg,' und er war es auch. Der Riese that nur noch ein paar Schritte, so waren sie an dem Fuß des Bergs angelangt, wo ihn der Riese absetzte. Der Trommler verlangte er sollte ihn auch auf die Spitze des Glasberges tragen, aber der Riese schüttelte mit dem Kopf, brummte etwas in den Bart und gieng in den Wald zurück.

Nun stand der arme Trommler vor dem Berg, der so hoch war, als wenn drei Berge aufeinander gesetzt wären, und dabei so glatt wie ein Spiegel, und wußte keinen Rath um hinauf zu kommen. Er fieng an zu klettern, aber vergeblich, er rutschte immer wieder herab. 'Wer jetzt ein Vogel wäre' dachte er, aber

Bären drücke ich die Gurgel zusammen, aber vor den Erdwürmen kann ich mich nicht schützen.’ ‘Hör, kleiner Kerl,’ sprach er, ‘zieh wieder ab, ich verspreche dir, daß ich dich und deine Gesellen in Zukunft in Ruhe lassen will, und hast du noch einen Wunsch, so sags mir, ich will dir wohl etwas zu Gefallen thun.’ ‘Du hast lange Beine,’ sprach der Trommler, ‘und kannst schneller laufen als ich, trag mich zum Glasberge, so will ich den Meinigen ein Zeichen zum Rückzug geben, und sie sollen dich diesmal in Ruhe lassen.’ ‘Komm her, Wurm,’ sprach der Riese, ‘setz dich auf meine Schulter, ich will dich tragen wohin du verlangst.’ Der Riese hob ihn hinauf, und der Trommler fieng oben an nach Herzenslust auf der Trommel zu wirbeln. Der Riese dachte ‘das wird das Zeichen sein, daß das andere Volk zurückgehen soll.’ Nach einer Weile stand ein zweiter Riese am Weg, der nahm den Trommler dem ersten ab und steckte ihn in sein Knopfloch. Der Trommler faßte den Knopf, der wie eine Schüssel groß war, hielt sich daran und schaute ganz lustig umher. Dann kamen sie zu einem dritten, der nahm ihn aus dem Knopfloch und setzte ihn auf den Rand seines Hutes; da gieng der Trommler oben auf und ab und sah über die Bäume hinaus, und als er in blauer Ferne einen Berg erblickte, so dachte er ‘das ist gewis der Glasberg,’ und er war es auch. Der Riese that nur noch ein paar Schritte, so waren sie an dem Fuß des Bergs angelangt, wo ihn der Riese absetzte. Der Trommler verlangte er sollte ihn auch auf die Spitze des Glasberges tragen, aber der Riese schüttelte mit dem Kopf, brummte etwas in den Bart und gieng in den Wald zurück.

Nun stand der arme Trommler vor dem Berg, der so hoch war, als wenn drei Berge aufeinander gesetzt wären, und dabei so glatt wie ein Spiegel, und wußte keinen Rath um hinauf zu kommen. Er fieng an zu klettern, aber vergeblich, er rutschte immer wieder herab. ‘Wer jetzt ein Vogel wäre’ dachte er, aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0441" n="429"/>
Bären drücke ich die Gurgel zusammen, aber vor den Erdwürmen kann ich mich nicht schützen.&#x2019; &#x2018;Hör, kleiner Kerl,&#x2019; sprach er, &#x2018;zieh wieder ab, ich verspreche dir, daß ich dich und deine Gesellen in Zukunft in Ruhe lassen will, und hast du noch einen Wunsch, so sags mir, ich will dir wohl etwas zu Gefallen thun.&#x2019; &#x2018;Du hast lange Beine,&#x2019; sprach der Trommler, &#x2018;und kannst schneller laufen als ich, trag mich zum Glasberge, so will ich den Meinigen ein Zeichen zum Rückzug geben, und sie sollen dich diesmal in Ruhe lassen.&#x2019; &#x2018;Komm her, Wurm,&#x2019; sprach der Riese, &#x2018;setz dich auf meine Schulter, ich will dich tragen wohin du verlangst.&#x2019; Der Riese hob ihn hinauf, und der Trommler fieng oben an nach Herzenslust auf der Trommel zu wirbeln. Der Riese dachte &#x2018;das wird das Zeichen sein, daß das andere Volk zurückgehen soll.&#x2019; Nach einer Weile stand ein zweiter Riese am Weg, der nahm den Trommler dem ersten ab und steckte ihn in sein Knopfloch. Der Trommler faßte den Knopf, der wie eine Schüssel groß war, hielt sich daran und schaute ganz lustig umher. Dann kamen sie zu einem dritten, der nahm ihn aus dem Knopfloch und setzte ihn auf den Rand seines Hutes; da gieng der Trommler oben auf und ab und sah über die Bäume hinaus, und als er in blauer Ferne einen Berg erblickte, so dachte er &#x2018;das ist gewis der Glasberg,&#x2019; und er war es auch. Der Riese that nur noch ein paar Schritte, so waren sie an dem Fuß des Bergs angelangt, wo ihn der Riese absetzte. Der Trommler verlangte er sollte ihn auch auf die Spitze des Glasberges tragen, aber der Riese schüttelte mit dem Kopf, brummte etwas in den Bart und gieng in den Wald zurück.</p><lb/>
        <p>Nun stand der arme Trommler vor dem Berg, der so hoch war, als wenn drei Berge aufeinander gesetzt wären, und dabei so glatt wie ein Spiegel, und wußte keinen Rath um hinauf zu kommen. Er fieng an zu klettern, aber vergeblich, er rutschte immer wieder herab. &#x2018;Wer jetzt ein Vogel wäre&#x2019; dachte er, aber
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[429/0441] Bären drücke ich die Gurgel zusammen, aber vor den Erdwürmen kann ich mich nicht schützen.’ ‘Hör, kleiner Kerl,’ sprach er, ‘zieh wieder ab, ich verspreche dir, daß ich dich und deine Gesellen in Zukunft in Ruhe lassen will, und hast du noch einen Wunsch, so sags mir, ich will dir wohl etwas zu Gefallen thun.’ ‘Du hast lange Beine,’ sprach der Trommler, ‘und kannst schneller laufen als ich, trag mich zum Glasberge, so will ich den Meinigen ein Zeichen zum Rückzug geben, und sie sollen dich diesmal in Ruhe lassen.’ ‘Komm her, Wurm,’ sprach der Riese, ‘setz dich auf meine Schulter, ich will dich tragen wohin du verlangst.’ Der Riese hob ihn hinauf, und der Trommler fieng oben an nach Herzenslust auf der Trommel zu wirbeln. Der Riese dachte ‘das wird das Zeichen sein, daß das andere Volk zurückgehen soll.’ Nach einer Weile stand ein zweiter Riese am Weg, der nahm den Trommler dem ersten ab und steckte ihn in sein Knopfloch. Der Trommler faßte den Knopf, der wie eine Schüssel groß war, hielt sich daran und schaute ganz lustig umher. Dann kamen sie zu einem dritten, der nahm ihn aus dem Knopfloch und setzte ihn auf den Rand seines Hutes; da gieng der Trommler oben auf und ab und sah über die Bäume hinaus, und als er in blauer Ferne einen Berg erblickte, so dachte er ‘das ist gewis der Glasberg,’ und er war es auch. Der Riese that nur noch ein paar Schritte, so waren sie an dem Fuß des Bergs angelangt, wo ihn der Riese absetzte. Der Trommler verlangte er sollte ihn auch auf die Spitze des Glasberges tragen, aber der Riese schüttelte mit dem Kopf, brummte etwas in den Bart und gieng in den Wald zurück. Nun stand der arme Trommler vor dem Berg, der so hoch war, als wenn drei Berge aufeinander gesetzt wären, und dabei so glatt wie ein Spiegel, und wußte keinen Rath um hinauf zu kommen. Er fieng an zu klettern, aber vergeblich, er rutschte immer wieder herab. ‘Wer jetzt ein Vogel wäre’ dachte er, aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (Harvard University): Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-08T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/441
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1857, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1857/441>, abgerufen am 24.11.2024.