Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

Lexovicensis episcopi ed. 1539. Tom. II. L. V. fol. CXLVIIIb. -- Bei Hans Sachs Kempt. Ausg. I S. 465. findet sich folgende Stelle:

willt du bei guten Leuten sitzen
für alle Kürzweil Linsen spitzen
gleich wie ein Kind bei einem Jahr?

was heißt das? --

Ueber die Kinderspiele im Norden hat Sk. Th. Thorlacius antiquitt boreal. spec. V. p. 237. viel Schätzbares zusammengestellt*). Nachzutragen ist ein eigenthümlicher Zug in der Floamanna-Sage (nach der Uebersetzung ins Dänische von B. Thorlacius S. 53. 54.), welcher zeigt, wie früh schon bei Kindern in dem heidnischen Norden die Achtung vor ungezähmter Naturkraft geweckt war. Als Thorgil, der Held dieser Sage, fünf Jahr alt war, wollte er mit bei einem Knabenspiel seyn. Die andern weisen ihn ab, weil sie festgesetzt hatten: "daß der nur Theil an

*) Ossian gedenkt auch der Kinderspiele seines Volkes: wie die Distel ein Hirsch, die wandernde Samenwolle ein Reh war (Gall Alterthümer I. S. 51). Rührend ist, wenn der sterbende Curach zum Ossian sagt (S. 303.) "gieb dieses Schwert (einst) meinem Sohne! Jn dem grünen, binsenreichen Thale von Sliruth verfolgt er (jetzt noch ein Kind) die Samenwolle, die auf dem Fittich der scherzenden Geister flieht. Der Schall des fallenden Wassers dringt zu des Knaben Ohr. Jch höre, sagt er, die Schritte meines Vaters. Mit dem ungleichen Schritt der Freude läuft er mich zu treffen, aber er sieht den grauen Strom. Kehre zurück mein Kind und verfolge deine Samenvögelchen, mein Auge wird vor Freude schimmern. wenn ich dich von meiner schwebenden Wolke erblicke."

Lexovicensis episcopi ed. 1539. Tom. II. L. V. fol. CXLVIIIb. — Bei Hans Sachs Kempt. Ausg. I S. 465. findet sich folgende Stelle:

willt du bei guten Leuten sitzen
fuͤr alle Kuͤrzweil Linsen spitzen
gleich wie ein Kind bei einem Jahr?

was heißt das? —

Ueber die Kinderspiele im Norden hat Sk. Th. Thorlacius antiquitt boreal. spec. V. p. 237. viel Schaͤtzbares zusammengestellt*). Nachzutragen ist ein eigenthuͤmlicher Zug in der Floamanna-Sage (nach der Uebersetzung ins Daͤnische von B. Thorlacius S. 53. 54.), welcher zeigt, wie fruͤh schon bei Kindern in dem heidnischen Norden die Achtung vor ungezaͤhmter Naturkraft geweckt war. Als Thorgil, der Held dieser Sage, fuͤnf Jahr alt war, wollte er mit bei einem Knabenspiel seyn. Die andern weisen ihn ab, weil sie festgesetzt hatten: „daß der nur Theil an

*) Ossian gedenkt auch der Kinderspiele seines Volkes: wie die Distel ein Hirsch, die wandernde Samenwolle ein Reh war (Gall Alterthuͤmer I. S. 51). Ruͤhrend ist, wenn der sterbende Curach zum Ossian sagt (S. 303.) „gieb dieses Schwert (einst) meinem Sohne! Jn dem gruͤnen, binsenreichen Thale von Sliruth verfolgt er (jetzt noch ein Kind) die Samenwolle, die auf dem Fittich der scherzenden Geister flieht. Der Schall des fallenden Wassers dringt zu des Knaben Ohr. Jch hoͤre, sagt er, die Schritte meines Vaters. Mit dem ungleichen Schritt der Freude laͤuft er mich zu treffen, aber er sieht den grauen Strom. Kehre zuruͤck mein Kind und verfolge deine Samenvoͤgelchen, mein Auge wird vor Freude schimmern. wenn ich dich von meiner schwebenden Wolke erblicke.“
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <p><hi rendition="#aq"><pb facs="#f0019" n="XIII"/>
Lexovicensis episcopi ed. 1539. Tom. II. L. V. fol. CXLVIIIb.</hi> &#x2014; Bei Hans Sachs Kempt. Ausg. <hi rendition="#aq">I</hi> S. 465. findet sich folgende Stelle:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>willt du bei guten Leuten sitzen</l><lb/>
          <l>fu&#x0364;r alle Ku&#x0364;rzweil <hi rendition="#g">Linsen spitzen</hi></l><lb/>
          <l><hi rendition="#g">gleich wie ein Kind bei einem Jahr</hi>?</l><lb/>
        </lg>
        <p>was heißt das? &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ueber die Kinderspiele im Norden hat <hi rendition="#g">Sk. Th. Thorlacius</hi> <hi rendition="#aq">antiquitt boreal. spec. V. p. 237</hi>. viel Scha&#x0364;tzbares zusammengestellt<note place="foot" n="*)">Ossian gedenkt auch der Kinderspiele seines Volkes: wie die <hi rendition="#g">Distel</hi> ein <hi rendition="#g">Hirsch</hi>, die <hi rendition="#g">wandernde Samenwolle</hi> ein <hi rendition="#g">Reh</hi> war (Gall Alterthu&#x0364;mer <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 51). Ru&#x0364;hrend ist, wenn der sterbende Curach zum Ossian sagt (S. 303.) &#x201E;gieb dieses Schwert (einst) meinem Sohne! Jn dem gru&#x0364;nen, binsenreichen Thale von Sliruth verfolgt er (jetzt noch ein Kind) die <hi rendition="#g">Samenwolle</hi>, die auf dem Fittich der scherzenden Geister flieht. Der Schall des fallenden Wassers dringt zu des Knaben Ohr. Jch ho&#x0364;re, sagt er, die Schritte meines Vaters. Mit dem ungleichen Schritt der Freude la&#x0364;uft er mich zu treffen, aber er sieht den grauen Strom. Kehre zuru&#x0364;ck mein Kind und verfolge deine <hi rendition="#g">Samenvo&#x0364;gelchen</hi>, mein Auge wird vor Freude schimmern. wenn ich dich von meiner schwebenden Wolke erblicke.&#x201C;</note>. Nachzutragen ist ein eigenthu&#x0364;mlicher Zug in der Floamanna-Sage (nach der Uebersetzung ins Da&#x0364;nische von B. Thorlacius S. 53. 54.), welcher zeigt, wie fru&#x0364;h schon bei Kindern in dem heidnischen Norden die Achtung vor ungeza&#x0364;hmter Naturkraft geweckt war. Als Thorgil, der Held dieser Sage, fu&#x0364;nf Jahr alt war, wollte er mit bei einem Knabenspiel seyn. Die andern weisen ihn ab, weil sie festgesetzt hatten: &#x201E;daß der nur Theil an
</p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XIII/0019] Lexovicensis episcopi ed. 1539. Tom. II. L. V. fol. CXLVIIIb. — Bei Hans Sachs Kempt. Ausg. I S. 465. findet sich folgende Stelle: willt du bei guten Leuten sitzen fuͤr alle Kuͤrzweil Linsen spitzen gleich wie ein Kind bei einem Jahr? was heißt das? — Ueber die Kinderspiele im Norden hat Sk. Th. Thorlacius antiquitt boreal. spec. V. p. 237. viel Schaͤtzbares zusammengestellt *). Nachzutragen ist ein eigenthuͤmlicher Zug in der Floamanna-Sage (nach der Uebersetzung ins Daͤnische von B. Thorlacius S. 53. 54.), welcher zeigt, wie fruͤh schon bei Kindern in dem heidnischen Norden die Achtung vor ungezaͤhmter Naturkraft geweckt war. Als Thorgil, der Held dieser Sage, fuͤnf Jahr alt war, wollte er mit bei einem Knabenspiel seyn. Die andern weisen ihn ab, weil sie festgesetzt hatten: „daß der nur Theil an *) Ossian gedenkt auch der Kinderspiele seines Volkes: wie die Distel ein Hirsch, die wandernde Samenwolle ein Reh war (Gall Alterthuͤmer I. S. 51). Ruͤhrend ist, wenn der sterbende Curach zum Ossian sagt (S. 303.) „gieb dieses Schwert (einst) meinem Sohne! Jn dem gruͤnen, binsenreichen Thale von Sliruth verfolgt er (jetzt noch ein Kind) die Samenwolle, die auf dem Fittich der scherzenden Geister flieht. Der Schall des fallenden Wassers dringt zu des Knaben Ohr. Jch hoͤre, sagt er, die Schritte meines Vaters. Mit dem ungleichen Schritt der Freude laͤuft er mich zu treffen, aber er sieht den grauen Strom. Kehre zuruͤck mein Kind und verfolge deine Samenvoͤgelchen, mein Auge wird vor Freude schimmern. wenn ich dich von meiner schwebenden Wolke erblicke.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/19
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. XIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/19>, abgerufen am 26.04.2024.