Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

der rechten Königstochter zu Ohr und sie versprach
dem Schinder heimlich ein Stück Geld, das sie
ihm bezahlen wollte, wenn er ihr einen kleinen
Dienst erwiese. In der Stadt war ein großes,
finsteres Thor, wo sie Abends und Morgens mit
den Gänsen durch mußte, "unter das finstere
Thor möchte er dem Falada seinen Kopf hinna-
geln, daß sie ihn doch noch als einmal sehen
könnte." Also versprach das der Schindersknecht
zu thun, hieb den Kopf ab und nagelte ihn unter
das finstere Thor fest.

Des Morgens früh, als sie und Kürdchen
unterm Thor hinaus trieben, sprach sie im Vor-
beigehen:

o du Falada, da du hangest,
da antwortete der Kopf:
o du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
ihr Herz thät ihr zerspringen!
da zog sie still weiter zur Stadt hinaus und sie
trieben die Gänse auf's Feld. Und wenn sie auf
der Wiese angekommen war, saß sie hier und
machte ihre Haare auf, die waren eitel Silber,
und Kürdchen sah sie und freute sich, wie sie
glänzten, und wollte ihr ein Paar ausraufen.
Da sprach sie:

der rechten Koͤnigstochter zu Ohr und ſie verſprach
dem Schinder heimlich ein Stuͤck Geld, das ſie
ihm bezahlen wollte, wenn er ihr einen kleinen
Dienſt erwieſe. In der Stadt war ein großes,
finſteres Thor, wo ſie Abends und Morgens mit
den Gaͤnſen durch mußte, „unter das finſtere
Thor moͤchte er dem Falada ſeinen Kopf hinna-
geln, daß ſie ihn doch noch als einmal ſehen
koͤnnte.“ Alſo verſprach das der Schindersknecht
zu thun, hieb den Kopf ab und nagelte ihn unter
das finſtere Thor feſt.

Des Morgens fruͤh, als ſie und Kuͤrdchen
unterm Thor hinaus trieben, ſprach ſie im Vor-
beigehen:

o du Falada, da du hangeſt,
da antwortete der Kopf:
o du Jungfer Koͤnigin, da du gangeſt,
wenn das deine Mutter wuͤßte,
ihr Herz thaͤt ihr zerſpringen!
da zog ſie ſtill weiter zur Stadt hinaus und ſie
trieben die Gaͤnſe auf’s Feld. Und wenn ſie auf
der Wieſe angekommen war, ſaß ſie hier und
machte ihre Haare auf, die waren eitel Silber,
und Kuͤrdchen ſah ſie und freute ſich, wie ſie
glaͤnzten, und wollte ihr ein Paar ausraufen.
Da ſprach ſie:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0041" n="20"/>
der rechten Ko&#x0364;nigstochter zu Ohr und &#x017F;ie ver&#x017F;prach<lb/>
dem Schinder heimlich ein Stu&#x0364;ck Geld, das &#x017F;ie<lb/>
ihm bezahlen wollte, wenn er ihr einen kleinen<lb/>
Dien&#x017F;t erwie&#x017F;e. In der Stadt war ein großes,<lb/>
fin&#x017F;teres Thor, wo &#x017F;ie Abends und Morgens mit<lb/>
den Ga&#x0364;n&#x017F;en durch mußte, &#x201E;unter das fin&#x017F;tere<lb/>
Thor mo&#x0364;chte er dem Falada &#x017F;einen Kopf hinna-<lb/>
geln, daß &#x017F;ie ihn doch noch als einmal &#x017F;ehen<lb/>
ko&#x0364;nnte.&#x201C; Al&#x017F;o ver&#x017F;prach das der Schindersknecht<lb/>
zu thun, hieb den Kopf ab und nagelte ihn unter<lb/>
das fin&#x017F;tere Thor fe&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Des Morgens fru&#x0364;h, als &#x017F;ie und Ku&#x0364;rdchen<lb/>
unterm Thor hinaus trieben, &#x017F;prach &#x017F;ie im Vor-<lb/>
beigehen:<lb/><lg type="poem"><l>o du Falada, da du hange&#x017F;t,</l></lg><lb/>
da antwortete der Kopf:<lb/><lg type="poem"><l>o du Jungfer Ko&#x0364;nigin, da du gange&#x017F;t,</l><lb/><l>wenn das deine Mutter wu&#x0364;ßte,</l><lb/><l>ihr Herz tha&#x0364;t ihr zer&#x017F;pringen!</l></lg><lb/>
da zog &#x017F;ie &#x017F;till weiter zur Stadt hinaus und &#x017F;ie<lb/>
trieben die Ga&#x0364;n&#x017F;e auf&#x2019;s Feld. Und wenn &#x017F;ie auf<lb/>
der Wie&#x017F;e angekommen war, &#x017F;&#x017F;ie hier und<lb/>
machte ihre Haare auf, die waren eitel Silber,<lb/>
und Ku&#x0364;rdchen &#x017F;ah &#x017F;ie und freute &#x017F;ich, wie &#x017F;ie<lb/>
gla&#x0364;nzten, und wollte ihr ein Paar ausraufen.<lb/>
Da &#x017F;prach &#x017F;ie:<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0041] der rechten Koͤnigstochter zu Ohr und ſie verſprach dem Schinder heimlich ein Stuͤck Geld, das ſie ihm bezahlen wollte, wenn er ihr einen kleinen Dienſt erwieſe. In der Stadt war ein großes, finſteres Thor, wo ſie Abends und Morgens mit den Gaͤnſen durch mußte, „unter das finſtere Thor moͤchte er dem Falada ſeinen Kopf hinna- geln, daß ſie ihn doch noch als einmal ſehen koͤnnte.“ Alſo verſprach das der Schindersknecht zu thun, hieb den Kopf ab und nagelte ihn unter das finſtere Thor feſt. Des Morgens fruͤh, als ſie und Kuͤrdchen unterm Thor hinaus trieben, ſprach ſie im Vor- beigehen: o du Falada, da du hangeſt, da antwortete der Kopf: o du Jungfer Koͤnigin, da du gangeſt, wenn das deine Mutter wuͤßte, ihr Herz thaͤt ihr zerſpringen! da zog ſie ſtill weiter zur Stadt hinaus und ſie trieben die Gaͤnſe auf’s Feld. Und wenn ſie auf der Wieſe angekommen war, ſaß ſie hier und machte ihre Haare auf, die waren eitel Silber, und Kuͤrdchen ſah ſie und freute ſich, wie ſie glaͤnzten, und wollte ihr ein Paar ausraufen. Da ſprach ſie:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/41
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/41>, abgerufen am 03.10.2024.