Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

weh'! weh'! Windchen *),
nimm Kürdchen sein Hütchen,
und laß'n sich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geschnatzt
und wieder aufgesatzt.
und da kam ein so starker Wind, daß er dem
Kürdchen sein Hütchen wegwehte über alle Land,
daß es ihm nachlief und bis es wiederkam, war
sie mit dem Kämmen und Aufsetzen fertig und er
konnte keine Haare kriegen. Da war Kürdchen
bös und sprach nicht mit ihr, und so hüteten sie
die Gänse bis daß es Abend wurde, dann fuhren
sie nach Haus.

Den andern Morgen, wie sie unter dem fin-
stern Thor hinaustrieben, sprach die Jungfrau:

o du Falada, da du hangest,
es antwortete:
o du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
das Herz thät ihr zerspringen!
und in dem Feld setzte sie sich wieder auf die
Wiese und fing an ihr Haar auszukämmen, und
Kürdchen lief und wollte darnach greifen, da
sprach sie schnell:
weh'! weh'! Windchen,
nimm dem Kürdchen sein Hütchen

*) D. h. Windchen wehe! nicht die Ausrufung
eheu!

weh’! weh’! Windchen *),
nimm Kuͤrdchen ſein Huͤtchen,
und laß’n ſich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geſchnatzt
und wieder aufgeſatzt.
und da kam ein ſo ſtarker Wind, daß er dem
Kuͤrdchen ſein Huͤtchen wegwehte uͤber alle Land,
daß es ihm nachlief und bis es wiederkam, war
ſie mit dem Kaͤmmen und Aufſetzen fertig und er
konnte keine Haare kriegen. Da war Kuͤrdchen
boͤs und ſprach nicht mit ihr, und ſo huͤteten ſie
die Gaͤnſe bis daß es Abend wurde, dann fuhren
ſie nach Haus.

Den andern Morgen, wie ſie unter dem fin-
ſtern Thor hinaustrieben, ſprach die Jungfrau:

o du Falada, da du hangeſt,
es antwortete:
o du Jungfer Koͤnigin, da du gangeſt,
wenn das deine Mutter wuͤßte,
das Herz thaͤt ihr zerſpringen!
und in dem Feld ſetzte ſie ſich wieder auf die
Wieſe und fing an ihr Haar auszukaͤmmen, und
Kuͤrdchen lief und wollte darnach greifen, da
ſprach ſie ſchnell:
weh’! weh’! Windchen,
nimm dem Kuͤrdchen ſein Huͤtchen

*) D. h. Windchen wehe! nicht die Ausrufung
eheu!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0042" n="21"/><lg type="poem"><l>weh&#x2019;! weh&#x2019;! Windchen <note place="foot" n="*)">D. h. Windchen wehe! nicht die Ausrufung<lb/><hi rendition="#aq">eheu!</hi></note>,</l><lb/><l>nimm Ku&#x0364;rdchen &#x017F;ein Hu&#x0364;tchen,</l><lb/><l>und laß&#x2019;n &#x017F;ich mit jagen,</l><lb/><l>bis ich mich geflochten und ge&#x017F;chnatzt</l><lb/><l>und wieder aufge&#x017F;atzt.</l></lg><lb/>
und da kam ein &#x017F;o &#x017F;tarker Wind, daß er dem<lb/>
Ku&#x0364;rdchen &#x017F;ein Hu&#x0364;tchen wegwehte u&#x0364;ber alle Land,<lb/>
daß es ihm nachlief und bis es wiederkam, war<lb/>
&#x017F;ie mit dem Ka&#x0364;mmen und Auf&#x017F;etzen fertig und er<lb/>
konnte keine Haare kriegen. Da war Ku&#x0364;rdchen<lb/>
bo&#x0364;s und &#x017F;prach nicht mit ihr, und &#x017F;o hu&#x0364;teten &#x017F;ie<lb/>
die <choice><sic>Ga&#x0364;u&#x017F;e</sic><corr>Ga&#x0364;n&#x017F;e</corr></choice> bis daß es Abend wurde, dann fuhren<lb/>
&#x017F;ie nach Haus.</p><lb/>
        <p>Den andern Morgen, wie &#x017F;ie unter dem fin-<lb/>
&#x017F;tern Thor hinaustrieben, &#x017F;prach die Jungfrau:<lb/><lg type="poem"><l>o du Falada, da du hange&#x017F;t,</l></lg><lb/>
es antwortete:<lb/><lg type="poem"><l>o du Jungfer Ko&#x0364;nigin, da du gange&#x017F;t,</l><lb/><l>wenn das deine Mutter wu&#x0364;ßte,</l><lb/><l>das Herz tha&#x0364;t ihr zer&#x017F;pringen!</l></lg><lb/>
und in dem Feld &#x017F;etzte &#x017F;ie &#x017F;ich wieder auf die<lb/>
Wie&#x017F;e und fing an ihr Haar auszuka&#x0364;mmen, und<lb/>
Ku&#x0364;rdchen lief und wollte darnach greifen, da<lb/>
&#x017F;prach &#x017F;ie &#x017F;chnell:<lb/><lg type="poem"><l>weh&#x2019;! weh&#x2019;! Windchen,</l><lb/><l>nimm dem Ku&#x0364;rdchen &#x017F;ein Hu&#x0364;tchen</l><lb/><l>
</l></lg></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0042] weh’! weh’! Windchen *), nimm Kuͤrdchen ſein Huͤtchen, und laß’n ſich mit jagen, bis ich mich geflochten und geſchnatzt und wieder aufgeſatzt. und da kam ein ſo ſtarker Wind, daß er dem Kuͤrdchen ſein Huͤtchen wegwehte uͤber alle Land, daß es ihm nachlief und bis es wiederkam, war ſie mit dem Kaͤmmen und Aufſetzen fertig und er konnte keine Haare kriegen. Da war Kuͤrdchen boͤs und ſprach nicht mit ihr, und ſo huͤteten ſie die Gaͤnſe bis daß es Abend wurde, dann fuhren ſie nach Haus. Den andern Morgen, wie ſie unter dem fin- ſtern Thor hinaustrieben, ſprach die Jungfrau: o du Falada, da du hangeſt, es antwortete: o du Jungfer Koͤnigin, da du gangeſt, wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz thaͤt ihr zerſpringen! und in dem Feld ſetzte ſie ſich wieder auf die Wieſe und fing an ihr Haar auszukaͤmmen, und Kuͤrdchen lief und wollte darnach greifen, da ſprach ſie ſchnell: weh’! weh’! Windchen, nimm dem Kuͤrdchen ſein Huͤtchen *) D. h. Windchen wehe! nicht die Ausrufung eheu!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/42
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/42>, abgerufen am 03.10.2024.