Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

Haus, wo sie ihr Kind fanden, das war groß und
schön geworden, und sie lebten von nun an ver-
gnügt bis an ihr Ende.

3.
Die Gänsemagd.

Es lebte einmal eine alte Königin, der war
ihr Gemahl schon lange Jahre gestorben und sie
hatte eine schöne Tochter, wie die erwuchs, wurde
sie weit über Feld auch an einen Königssohn ver-
sprochen. Als nun die Zeit kam, wo sie vermählt
werden sollten, und das Kind in das fremde Reich
abreisen mußte, packte ihr die Alte gar viel köst-
liches Geräth und Geschmeide ein: Gold und
Silber, Becher und Kleinode, kurz alles, was
ihr zu einem königlichen Brautschatz gehörte, denn
sie hatte ihr Kind von Herzen lieb. Auch gab sie
ihr eine Kammerjungfer bei, welche mitreiten
und die Braut in die Hände des Bräutigams
überliefern sollte und jede bekam ein Pferd zur
Reise, aber das Pferd der Königstochter hieß
Falada und konnte sprechen. Wie nun die
Abschiedsstunde da war, begab sich die alte Mutter
in ihre Schlafkammer, nahm ein Messerlein und
schnitt damit in ihre Finger, daß sie bluteten;
darauf hielt sie ein weißes Läppchen unter und
ließ drei Tropfen Blut hineinfallen, gab sie der
Tochter und sprach: "liebes Kind verwahr sie
wohl, sie werden dir unterweges Noth thun."

Also

Haus, wo ſie ihr Kind fanden, das war groß und
ſchoͤn geworden, und ſie lebten von nun an ver-
gnuͤgt bis an ihr Ende.

3.
Die Gaͤnſemagd.

Es lebte einmal eine alte Koͤnigin, der war
ihr Gemahl ſchon lange Jahre geſtorben und ſie
hatte eine ſchoͤne Tochter, wie die erwuchs, wurde
ſie weit uͤber Feld auch an einen Koͤnigsſohn ver-
ſprochen. Als nun die Zeit kam, wo ſie vermaͤhlt
werden ſollten, und das Kind in das fremde Reich
abreiſen mußte, packte ihr die Alte gar viel koͤſt-
liches Geraͤth und Geſchmeide ein: Gold und
Silber, Becher und Kleinode, kurz alles, was
ihr zu einem koͤniglichen Brautſchatz gehoͤrte, denn
ſie hatte ihr Kind von Herzen lieb. Auch gab ſie
ihr eine Kammerjungfer bei, welche mitreiten
und die Braut in die Haͤnde des Braͤutigams
uͤberliefern ſollte und jede bekam ein Pferd zur
Reiſe, aber das Pferd der Koͤnigstochter hieß
Falada und konnte ſprechen. Wie nun die
Abſchiedsſtunde da war, begab ſich die alte Mutter
in ihre Schlafkammer, nahm ein Meſſerlein und
ſchnitt damit in ihre Finger, daß ſie bluteten;
darauf hielt ſie ein weißes Laͤppchen unter und
ließ drei Tropfen Blut hineinfallen, gab ſie der
Tochter und ſprach: „liebes Kind verwahr ſie
wohl, ſie werden dir unterweges Noth thun.“

Alſo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="16"/>
Haus, wo &#x017F;ie ihr Kind fanden, das war groß und<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n geworden, und &#x017F;ie lebten von nun an ver-<lb/>
gnu&#x0364;gt bis an ihr Ende.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>3.<lb/><hi rendition="#g">Die Ga&#x0364;n&#x017F;emagd</hi>.</head><lb/>
        <p>Es lebte einmal eine alte Ko&#x0364;nigin, der war<lb/>
ihr Gemahl &#x017F;chon lange Jahre ge&#x017F;torben und &#x017F;ie<lb/>
hatte eine &#x017F;cho&#x0364;ne Tochter, wie die erwuchs, wurde<lb/>
&#x017F;ie weit u&#x0364;ber Feld auch an einen Ko&#x0364;nigs&#x017F;ohn ver-<lb/>
&#x017F;prochen. Als nun die Zeit kam, wo &#x017F;ie verma&#x0364;hlt<lb/>
werden &#x017F;ollten, und das Kind in das fremde Reich<lb/>
abrei&#x017F;en mußte, packte ihr die Alte gar viel ko&#x0364;&#x017F;t-<lb/>
liches Gera&#x0364;th und Ge&#x017F;chmeide ein: Gold und<lb/>
Silber, Becher und Kleinode, kurz alles, was<lb/>
ihr zu einem ko&#x0364;niglichen Braut&#x017F;chatz geho&#x0364;rte, denn<lb/>
&#x017F;ie hatte ihr Kind von Herzen lieb. Auch gab &#x017F;ie<lb/>
ihr eine Kammerjungfer bei, welche mitreiten<lb/>
und die Braut in die Ha&#x0364;nde des Bra&#x0364;utigams<lb/>
u&#x0364;berliefern &#x017F;ollte und jede bekam ein Pferd zur<lb/>
Rei&#x017F;e, aber das Pferd der Ko&#x0364;nigstochter hieß<lb/><hi rendition="#g">Falada</hi> und konnte &#x017F;prechen. Wie nun die<lb/>
Ab&#x017F;chieds&#x017F;tunde da war, begab &#x017F;ich die alte Mutter<lb/>
in ihre Schlafkammer, nahm ein Me&#x017F;&#x017F;erlein und<lb/>
&#x017F;chnitt damit in ihre Finger, daß &#x017F;ie bluteten;<lb/>
darauf hielt &#x017F;ie ein weißes La&#x0364;ppchen unter und<lb/>
ließ drei Tropfen Blut hineinfallen, gab &#x017F;ie der<lb/>
Tochter und &#x017F;prach: &#x201E;liebes Kind verwahr &#x017F;ie<lb/>
wohl, &#x017F;ie werden dir unterweges Noth thun.&#x201C;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Al&#x017F;o</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0037] Haus, wo ſie ihr Kind fanden, das war groß und ſchoͤn geworden, und ſie lebten von nun an ver- gnuͤgt bis an ihr Ende. 3. Die Gaͤnſemagd. Es lebte einmal eine alte Koͤnigin, der war ihr Gemahl ſchon lange Jahre geſtorben und ſie hatte eine ſchoͤne Tochter, wie die erwuchs, wurde ſie weit uͤber Feld auch an einen Koͤnigsſohn ver- ſprochen. Als nun die Zeit kam, wo ſie vermaͤhlt werden ſollten, und das Kind in das fremde Reich abreiſen mußte, packte ihr die Alte gar viel koͤſt- liches Geraͤth und Geſchmeide ein: Gold und Silber, Becher und Kleinode, kurz alles, was ihr zu einem koͤniglichen Brautſchatz gehoͤrte, denn ſie hatte ihr Kind von Herzen lieb. Auch gab ſie ihr eine Kammerjungfer bei, welche mitreiten und die Braut in die Haͤnde des Braͤutigams uͤberliefern ſollte und jede bekam ein Pferd zur Reiſe, aber das Pferd der Koͤnigstochter hieß Falada und konnte ſprechen. Wie nun die Abſchiedsſtunde da war, begab ſich die alte Mutter in ihre Schlafkammer, nahm ein Meſſerlein und ſchnitt damit in ihre Finger, daß ſie bluteten; darauf hielt ſie ein weißes Laͤppchen unter und ließ drei Tropfen Blut hineinfallen, gab ſie der Tochter und ſprach: „liebes Kind verwahr ſie wohl, ſie werden dir unterweges Noth thun.“ Alſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/37
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/37>, abgerufen am 18.12.2024.