die Hände geben wollten. Für einzelne Fälle mag die Sorge recht seyn und da leicht aus- gewählt werden; im Ganzen ist sie gewiß un- nöthig. Nichts besser kann uns vertheidigen, als die Natur selber, welche gerad diese Blu- men und Blätter in dieser Farbe und Gestalt hat wachsen lassen; wem sie nicht zuträglich sind, nach besonderen Bedürfnissen, wovon jene nichts weiß, kann leicht daran vorbei- gehen, aber er kann nicht fordern, daß sie darnach anders gefärbt und geschnitten wer- den sollen. Oder auch: Regen und Thau fällt als eine Wohlthat für alles herab, was auf der Erde steht, wer seine Pflanzen nicht hineinzustellen getraut, weil sie zu empfindlich dagegen sind und Schaden nehmen könnten, sondern lieber in der Stube begießt, wird doch nicht verlangen, daß jene darum ausbleiben sollen. Gedeihlich aber kann alles werden, was natürlich ist, und darnach sollen wir trachten. Uebrigens wissen wir kein gesundes und kräftiges Buch, welches das Volk erbaut hat, wenn wir die Bibel obenan stellen, wo solche Bedenklichkeiten nicht in ungleich grö- ßerm Maaß einträten; der rechte Gebrauch
die Haͤnde geben wollten. Fuͤr einzelne Faͤlle mag die Sorge recht ſeyn und da leicht aus- gewaͤhlt werden; im Ganzen iſt ſie gewiß un- noͤthig. Nichts beſſer kann uns vertheidigen, als die Natur ſelber, welche gerad dieſe Blu- men und Blaͤtter in dieſer Farbe und Geſtalt hat wachſen laſſen; wem ſie nicht zutraͤglich ſind, nach beſonderen Beduͤrfniſſen, wovon jene nichts weiß, kann leicht daran vorbei- gehen, aber er kann nicht fordern, daß ſie darnach anders gefaͤrbt und geſchnitten wer- den ſollen. Oder auch: Regen und Thau faͤllt als eine Wohlthat fuͤr alles herab, was auf der Erde ſteht, wer ſeine Pflanzen nicht hineinzuſtellen getraut, weil ſie zu empfindlich dagegen ſind und Schaden nehmen koͤnnten, ſondern lieber in der Stube begießt, wird doch nicht verlangen, daß jene darum ausbleiben ſollen. Gedeihlich aber kann alles werden, was natuͤrlich iſt, und darnach ſollen wir trachten. Uebrigens wiſſen wir kein geſundes und kraͤftiges Buch, welches das Volk erbaut hat, wenn wir die Bibel obenan ſtellen, wo ſolche Bedenklichkeiten nicht in ungleich groͤ- ßerm Maaß eintraͤten; der rechte Gebrauch
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[IX/0014]
die Haͤnde geben wollten. Fuͤr einzelne Faͤlle
mag die Sorge recht ſeyn und da leicht aus-
gewaͤhlt werden; im Ganzen iſt ſie gewiß un-
noͤthig. Nichts beſſer kann uns vertheidigen,
als die Natur ſelber, welche gerad dieſe Blu-
men und Blaͤtter in dieſer Farbe und Geſtalt
hat wachſen laſſen; wem ſie nicht zutraͤglich
ſind, nach beſonderen Beduͤrfniſſen, wovon
jene nichts weiß, kann leicht daran vorbei-
gehen, aber er kann nicht fordern, daß ſie
darnach anders gefaͤrbt und geſchnitten wer-
den ſollen. Oder auch: Regen und Thau
faͤllt als eine Wohlthat fuͤr alles herab, was
auf der Erde ſteht, wer ſeine Pflanzen nicht
hineinzuſtellen getraut, weil ſie zu empfindlich
dagegen ſind und Schaden nehmen koͤnnten,
ſondern lieber in der Stube begießt, wird doch
nicht verlangen, daß jene darum ausbleiben
ſollen. Gedeihlich aber kann alles werden,
was natuͤrlich iſt, und darnach ſollen wir
trachten. Uebrigens wiſſen wir kein geſundes
und kraͤftiges Buch, welches das Volk erbaut
hat, wenn wir die Bibel obenan ſtellen, wo
ſolche Bedenklichkeiten nicht in ungleich groͤ-
ßerm Maaß eintraͤten; der rechte Gebrauch
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/14>, abgerufen am 18.12.2024.
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