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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.

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und zusammenhängenden erzählt als das verwandte deutsche (Nr 112).

Bekannt sind die epischen Lieder der Serben, und ihre Schönheit stellt niemand in Abrede: von der Reinheit und Vollständigkeit der serbischen Märchen wird man sich überzeugen, wenn die, welche Wuck Karadschitsch gesammelt und wovon er eine deutsche Übersetzung vorbereitet hat, veröffentlicht sind. Einige wenige, davon bekannt gewordene (Bd. 3, 421--27) zeigen deutlich Verwandtschaft mit den deutschen.

Die in alten fliegenden Blättern zu Moskau gefundenen, noch nicht vollständig bekannt gemachten russischen Märchen enthalten großentheils echte Überlieferung in einfacher, etwas trockener Erzählung: wahrscheinlich würde, wenn man bei den Landleuten sorgsam nachforschen wollte, eine frischere und vollere Quelle sich öffnen. Den Zusammenhang mit alten Heldenliedern zeigt das Märchen von Jlja (Elias), der auch in Wladimirs Tafelrunde auftritt. Die Verwandtschaft mit deutschen ist nicht bloß in einzelnen Zügen sichtbar, auch denselben Grund finden wir häufig wieder, doch mit Abweichungen und unter ganz anderer Umgebung. Wenn Jwan von seinem Diener verlangt er solle ihm Wasser schöpfen, und dieser sich weigert und ihn heißt es selber zu thun, um ihn damit in seine Gewalt zu bringen, so sehen wir dies in der Gänsemagd (Nr 89) auf eine Königstochter angewendet, wo sich auf eine ähnliche Art daraus die weitern Begebenheiten entwickeln. Die sieben Simeone, im Besitz besonderer Geschicklichkeiten, deren einer als listiger Dieb sich hervor thut, entsprechen den vier kunstreichen Brüdern (Nr 129). Noch näher kommt Jwan, der sein goldnes Haar mit einer Blase bedeckt, dem Königssohn in dem deutschen Märchen vom Eisenhans (Nr 136), der, um dieses Zeichen königlicher Abkunft zu verbergen, seinen Hut niemals abnehmen

und zusammenhängenden erzählt als das verwandte deutsche (Nr 112).

Bekannt sind die epischen Lieder der Serben, und ihre Schönheit stellt niemand in Abrede: von der Reinheit und Vollständigkeit der serbischen Märchen wird man sich überzeugen, wenn die, welche Wuck Karadschitsch gesammelt und wovon er eine deutsche Übersetzung vorbereitet hat, veröffentlicht sind. Einige wenige, davon bekannt gewordene (Bd. 3, 421—27) zeigen deutlich Verwandtschaft mit den deutschen.

Die in alten fliegenden Blättern zu Moskau gefundenen, noch nicht vollständig bekannt gemachten russischen Märchen enthalten großentheils echte Überlieferung in einfacher, etwas trockener Erzählung: wahrscheinlich würde, wenn man bei den Landleuten sorgsam nachforschen wollte, eine frischere und vollere Quelle sich öffnen. Den Zusammenhang mit alten Heldenliedern zeigt das Märchen von Jlja (Elias), der auch in Wladimirs Tafelrunde auftritt. Die Verwandtschaft mit deutschen ist nicht bloß in einzelnen Zügen sichtbar, auch denselben Grund finden wir häufig wieder, doch mit Abweichungen und unter ganz anderer Umgebung. Wenn Jwan von seinem Diener verlangt er solle ihm Wasser schöpfen, und dieser sich weigert und ihn heißt es selber zu thun, um ihn damit in seine Gewalt zu bringen, so sehen wir dies in der Gänsemagd (Nr 89) auf eine Königstochter angewendet, wo sich auf eine ähnliche Art daraus die weitern Begebenheiten entwickeln. Die sieben Simeone, im Besitz besonderer Geschicklichkeiten, deren einer als listiger Dieb sich hervor thut, entsprechen den vier kunstreichen Brüdern (Nr 129). Noch näher kommt Jwan, der sein goldnes Haar mit einer Blase bedeckt, dem Königssohn in dem deutschen Märchen vom Eisenhans (Nr 136), der, um dieses Zeichen königlicher Abkunft zu verbergen, seinen Hut niemals abnehmen

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[LI/0057] und zusammenhängenden erzählt als das verwandte deutsche (Nr 112). Bekannt sind die epischen Lieder der Serben, und ihre Schönheit stellt niemand in Abrede: von der Reinheit und Vollständigkeit der serbischen Märchen wird man sich überzeugen, wenn die, welche Wuck Karadschitsch gesammelt und wovon er eine deutsche Übersetzung vorbereitet hat, veröffentlicht sind. Einige wenige, davon bekannt gewordene (Bd. 3, 421—27) zeigen deutlich Verwandtschaft mit den deutschen. Die in alten fliegenden Blättern zu Moskau gefundenen, noch nicht vollständig bekannt gemachten russischen Märchen enthalten großentheils echte Überlieferung in einfacher, etwas trockener Erzählung: wahrscheinlich würde, wenn man bei den Landleuten sorgsam nachforschen wollte, eine frischere und vollere Quelle sich öffnen. Den Zusammenhang mit alten Heldenliedern zeigt das Märchen von Jlja (Elias), der auch in Wladimirs Tafelrunde auftritt. Die Verwandtschaft mit deutschen ist nicht bloß in einzelnen Zügen sichtbar, auch denselben Grund finden wir häufig wieder, doch mit Abweichungen und unter ganz anderer Umgebung. Wenn Jwan von seinem Diener verlangt er solle ihm Wasser schöpfen, und dieser sich weigert und ihn heißt es selber zu thun, um ihn damit in seine Gewalt zu bringen, so sehen wir dies in der Gänsemagd (Nr 89) auf eine Königstochter angewendet, wo sich auf eine ähnliche Art daraus die weitern Begebenheiten entwickeln. Die sieben Simeone, im Besitz besonderer Geschicklichkeiten, deren einer als listiger Dieb sich hervor thut, entsprechen den vier kunstreichen Brüdern (Nr 129). Noch näher kommt Jwan, der sein goldnes Haar mit einer Blase bedeckt, dem Königssohn in dem deutschen Märchen vom Eisenhans (Nr 136), der, um dieses Zeichen königlicher Abkunft zu verbergen, seinen Hut niemals abnehmen

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850, S. LI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850/57>, abgerufen am 06.05.2024.