Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.Die Kinder antworteten 'der Wind, der Wind, das himmlische Kind.' Und aßen weiter. Grethel brach sich eine ganze runde Fensterscheibe heraus, und Hänsel riß sich ein großes Stück Kuchen vom Dach ab. Da gieng die Thüre auf, und eine steinalte Frau kam heraus geschlichen. Hänsel und Grethel erschracken so gewaltig, daß sie fallen ließen was sie in Händen hatten. Die Alte aber wackelte mit dem Kopf, und sagte 'ei, ihr lieben Kinder, wo seyd ihr denn hergelaufen, kommt herein mit mir, ihr sollts gut haben,' faßte beide an der Hand, und führte sie in ihr Häuschen. Da ward gutes Essen aufgetragen, Milch und Pfannkuchen mit Zucker, Aepfel und Nüsse, und dann wurden zwei schöne Bettlein bereitet: da legten sich Hänsel und Grethel hinein, und meinten sie wären im Himmel. Die Alte aber war eine böse Hexe, die lauerte den Kindern auf, und hatte bloß um sie zu locken ihr Brothäuslein gebaut, und wenn eins in ihre Gewalt kam, da machte sie es todt, kochte es und aß es, und das war ihr ein Festtag. Da war sie nun recht froh wie Hänsel und Grethel ihr zugelaufen kamen. Früh, ehe sie noch erwacht waren, stand sie schon auf, gieng an ihr Bettlein, und wie sie die zwei so lieblich ruhen sah, freute sie sich, und murmelte 'das wird ein guter Bissen für mich seyn.' Darauf packte sie Hänsel, und steckte ihn in einen kleinen Stall; wie er nun aufwachte, war er von einem Gitter umschlossen, wie man junge Hühnlein einsperrt, und Die Kinder antworteten ‘der Wind, der Wind, das himmlische Kind.’ Und aßen weiter. Grethel brach sich eine ganze runde Fensterscheibe heraus, und Haͤnsel riß sich ein großes Stuͤck Kuchen vom Dach ab. Da gieng die Thuͤre auf, und eine steinalte Frau kam heraus geschlichen. Haͤnsel und Grethel erschracken so gewaltig, daß sie fallen ließen was sie in Haͤnden hatten. Die Alte aber wackelte mit dem Kopf, und sagte ‘ei, ihr lieben Kinder, wo seyd ihr denn hergelaufen, kommt herein mit mir, ihr sollts gut haben,’ faßte beide an der Hand, und fuͤhrte sie in ihr Haͤuschen. Da ward gutes Essen aufgetragen, Milch und Pfannkuchen mit Zucker, Aepfel und Nuͤsse, und dann wurden zwei schoͤne Bettlein bereitet: da legten sich Haͤnsel und Grethel hinein, und meinten sie waͤren im Himmel. Die Alte aber war eine boͤse Hexe, die lauerte den Kindern auf, und hatte bloß um sie zu locken ihr Brothaͤuslein gebaut, und wenn eins in ihre Gewalt kam, da machte sie es todt, kochte es und aß es, und das war ihr ein Festtag. Da war sie nun recht froh wie Haͤnsel und Grethel ihr zugelaufen kamen. Fruͤh, ehe sie noch erwacht waren, stand sie schon auf, gieng an ihr Bettlein, und wie sie die zwei so lieblich ruhen sah, freute sie sich, und murmelte ‘das wird ein guter Bissen fuͤr mich seyn.’ Darauf packte sie Haͤnsel, und steckte ihn in einen kleinen Stall; wie er nun aufwachte, war er von einem Gitter umschlossen, wie man junge Huͤhnlein einsperrt, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0129" n="98"/> <p> Die Kinder antworteten</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘der Wind, der Wind,</l><lb/> <l>das himmlische Kind.’</l><lb/> </lg> <p>Und aßen weiter. Grethel brach sich eine ganze runde Fensterscheibe heraus, und Haͤnsel riß sich ein großes Stuͤck Kuchen vom Dach ab. Da gieng die Thuͤre auf, und eine steinalte Frau kam heraus geschlichen. Haͤnsel und Grethel erschracken so gewaltig, daß sie fallen ließen was sie in Haͤnden hatten. Die Alte aber wackelte mit dem Kopf, und sagte ‘ei, ihr lieben Kinder, wo seyd ihr denn hergelaufen, kommt herein mit mir, ihr sollts gut haben,’ faßte beide an der Hand, und fuͤhrte sie in ihr Haͤuschen. Da ward gutes Essen aufgetragen, Milch und Pfannkuchen mit Zucker, Aepfel und Nuͤsse, und dann wurden zwei schoͤne Bettlein bereitet: da legten sich Haͤnsel und Grethel hinein, und meinten sie waͤren im Himmel.</p><lb/> <p>Die Alte aber war eine boͤse Hexe, die lauerte den Kindern auf, und hatte bloß um sie zu locken ihr Brothaͤuslein gebaut, und wenn eins in ihre Gewalt kam, da machte sie es todt, kochte es und aß es, und das war ihr ein Festtag. Da war sie nun recht froh wie Haͤnsel und Grethel ihr zugelaufen kamen. Fruͤh, ehe sie noch erwacht waren, stand sie schon auf, gieng an ihr Bettlein, und wie sie die zwei so lieblich ruhen sah, freute sie sich, und murmelte ‘das wird ein guter Bissen fuͤr mich seyn.’ Darauf packte sie Haͤnsel, und steckte ihn in einen kleinen Stall; wie er nun aufwachte, war er von einem Gitter umschlossen, wie man junge Huͤhnlein einsperrt, und </p> </div> </body> </text> </TEI> [98/0129]
Die Kinder antworteten
‘der Wind, der Wind,
das himmlische Kind.’
Und aßen weiter. Grethel brach sich eine ganze runde Fensterscheibe heraus, und Haͤnsel riß sich ein großes Stuͤck Kuchen vom Dach ab. Da gieng die Thuͤre auf, und eine steinalte Frau kam heraus geschlichen. Haͤnsel und Grethel erschracken so gewaltig, daß sie fallen ließen was sie in Haͤnden hatten. Die Alte aber wackelte mit dem Kopf, und sagte ‘ei, ihr lieben Kinder, wo seyd ihr denn hergelaufen, kommt herein mit mir, ihr sollts gut haben,’ faßte beide an der Hand, und fuͤhrte sie in ihr Haͤuschen. Da ward gutes Essen aufgetragen, Milch und Pfannkuchen mit Zucker, Aepfel und Nuͤsse, und dann wurden zwei schoͤne Bettlein bereitet: da legten sich Haͤnsel und Grethel hinein, und meinten sie waͤren im Himmel.
Die Alte aber war eine boͤse Hexe, die lauerte den Kindern auf, und hatte bloß um sie zu locken ihr Brothaͤuslein gebaut, und wenn eins in ihre Gewalt kam, da machte sie es todt, kochte es und aß es, und das war ihr ein Festtag. Da war sie nun recht froh wie Haͤnsel und Grethel ihr zugelaufen kamen. Fruͤh, ehe sie noch erwacht waren, stand sie schon auf, gieng an ihr Bettlein, und wie sie die zwei so lieblich ruhen sah, freute sie sich, und murmelte ‘das wird ein guter Bissen fuͤr mich seyn.’ Darauf packte sie Haͤnsel, und steckte ihn in einen kleinen Stall; wie er nun aufwachte, war er von einem Gitter umschlossen, wie man junge Huͤhnlein einsperrt, und
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