Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.einem großen Feuer sitzen und schlafen, und Abends wollten die Eltern kommen und sie abholen. Zu Mittag theilte Grethel ihr Brot mit Hänsel, weil der seins all auf den Weg gestreut hatte, aber der Mittag vergieng, und der Abend vergieng, und niemand kam zu den armen Kindern. Hänsel tröstete die Grethel und sagte 'wart, wenn der Mond aufgeht, dann seh ich die Bröcklein Brot, die ich ausgestreut habe, die zeigen uns den Weg nach Haus.' Der Mond gieng auf, wie aber Hänsel nach den Bröcklein sah, da waren sie weg: die viel tausend Vöglein in dem Wald, die hatten sie gefunden und aufgepickt. Hänsel meinte doch den Weg nach Haus zu finden, und zog die Grethel mit sich: aber sie verirrten sich bald in der großen Wildnis, und giengen die Nacht und den ganzen Tag, da schliefen sie vor Müdigkeit ein. Dann giengen sie noch einen Tag, aber sie kamen nicht aus dem Wald heraus, und waren so hungrig, denn sie hatten nichts zu essen, als ein paar kleine Beeren, die auf der Erde standen. Als sie am dritten Tage wieder bis zu Mittag gegangen waren, da kamen sie an ein Häuslein, das war ganz aus Brot gebaut, und war mit Kuchen gedeckt, und die Fenster waren von hellem Zucker. 'Da wollen wir uns niedersetzen, und uns satt essen,' sagte Hänsel, 'ich will vom Dach essen, iß du vom Fenster, Grethel, das ist fein süß für dich.' Wie nun Grethel an dem Zucker knuperte, rief drinnen eine feine Stimme 'knuper, knuper, kneischen,
wer knupert an meinem Häuschen?' einem großen Feuer sitzen und schlafen, und Abends wollten die Eltern kommen und sie abholen. Zu Mittag theilte Grethel ihr Brot mit Haͤnsel, weil der seins all auf den Weg gestreut hatte, aber der Mittag vergieng, und der Abend vergieng, und niemand kam zu den armen Kindern. Haͤnsel troͤstete die Grethel und sagte ‘wart, wenn der Mond aufgeht, dann seh ich die Broͤcklein Brot, die ich ausgestreut habe, die zeigen uns den Weg nach Haus.’ Der Mond gieng auf, wie aber Haͤnsel nach den Broͤcklein sah, da waren sie weg: die viel tausend Voͤglein in dem Wald, die hatten sie gefunden und aufgepickt. Haͤnsel meinte doch den Weg nach Haus zu finden, und zog die Grethel mit sich: aber sie verirrten sich bald in der großen Wildnis, und giengen die Nacht und den ganzen Tag, da schliefen sie vor Muͤdigkeit ein. Dann giengen sie noch einen Tag, aber sie kamen nicht aus dem Wald heraus, und waren so hungrig, denn sie hatten nichts zu essen, als ein paar kleine Beeren, die auf der Erde standen. Als sie am dritten Tage wieder bis zu Mittag gegangen waren, da kamen sie an ein Haͤuslein, das war ganz aus Brot gebaut, und war mit Kuchen gedeckt, und die Fenster waren von hellem Zucker. ‘Da wollen wir uns niedersetzen, und uns satt essen,’ sagte Haͤnsel, ‘ich will vom Dach essen, iß du vom Fenster, Grethel, das ist fein suͤß fuͤr dich.’ Wie nun Grethel an dem Zucker knuperte, rief drinnen eine feine Stimme ‘knuper, knuper, kneischen,
wer knupert an meinem Haͤuschen?’ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0128" n="97"/> einem großen Feuer sitzen und schlafen, und Abends wollten die Eltern kommen und sie abholen. Zu Mittag theilte Grethel ihr Brot mit Haͤnsel, weil der seins all auf den Weg gestreut hatte, aber der Mittag vergieng, und der Abend vergieng, und niemand kam zu den armen Kindern. Haͤnsel troͤstete die Grethel und sagte ‘wart, wenn der Mond aufgeht, dann seh ich die Broͤcklein Brot, die ich ausgestreut habe, die zeigen uns den Weg nach Haus.’ Der Mond gieng auf, wie aber Haͤnsel nach den Broͤcklein sah, da waren sie weg: die viel tausend Voͤglein in dem Wald, die hatten sie gefunden und aufgepickt. Haͤnsel meinte doch den Weg nach Haus zu finden, und zog die Grethel mit sich: aber sie verirrten sich bald in der großen Wildnis, und giengen die Nacht und den ganzen Tag, da schliefen sie vor Muͤdigkeit ein. Dann giengen sie noch einen Tag, aber sie kamen nicht aus dem Wald heraus, und waren so hungrig, denn sie hatten nichts zu essen, als ein paar kleine Beeren, die auf der Erde standen.</p><lb/> <p>Als sie am dritten Tage wieder bis zu Mittag gegangen waren, da kamen sie an ein Haͤuslein, das war ganz aus Brot gebaut, und war mit Kuchen gedeckt, und die Fenster waren von hellem Zucker. ‘Da wollen wir uns niedersetzen, und uns satt essen,’ sagte Haͤnsel, ‘ich will vom Dach essen, iß du vom Fenster, Grethel, das ist fein suͤß fuͤr dich.’ Wie nun Grethel an dem Zucker knuperte, rief drinnen eine feine Stimme</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘knuper, knuper, kneischen,</l><lb/> <l>wer knupert an meinem Haͤuschen?’</l><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [97/0128]
einem großen Feuer sitzen und schlafen, und Abends wollten die Eltern kommen und sie abholen. Zu Mittag theilte Grethel ihr Brot mit Haͤnsel, weil der seins all auf den Weg gestreut hatte, aber der Mittag vergieng, und der Abend vergieng, und niemand kam zu den armen Kindern. Haͤnsel troͤstete die Grethel und sagte ‘wart, wenn der Mond aufgeht, dann seh ich die Broͤcklein Brot, die ich ausgestreut habe, die zeigen uns den Weg nach Haus.’ Der Mond gieng auf, wie aber Haͤnsel nach den Broͤcklein sah, da waren sie weg: die viel tausend Voͤglein in dem Wald, die hatten sie gefunden und aufgepickt. Haͤnsel meinte doch den Weg nach Haus zu finden, und zog die Grethel mit sich: aber sie verirrten sich bald in der großen Wildnis, und giengen die Nacht und den ganzen Tag, da schliefen sie vor Muͤdigkeit ein. Dann giengen sie noch einen Tag, aber sie kamen nicht aus dem Wald heraus, und waren so hungrig, denn sie hatten nichts zu essen, als ein paar kleine Beeren, die auf der Erde standen.
Als sie am dritten Tage wieder bis zu Mittag gegangen waren, da kamen sie an ein Haͤuslein, das war ganz aus Brot gebaut, und war mit Kuchen gedeckt, und die Fenster waren von hellem Zucker. ‘Da wollen wir uns niedersetzen, und uns satt essen,’ sagte Haͤnsel, ‘ich will vom Dach essen, iß du vom Fenster, Grethel, das ist fein suͤß fuͤr dich.’ Wie nun Grethel an dem Zucker knuperte, rief drinnen eine feine Stimme
‘knuper, knuper, kneischen,
wer knupert an meinem Haͤuschen?’
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