Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.und nagten daran, und sie hatte keinen andern Gedanken, als wie sie die beiden doch noch ins Unglück bringen könnte. Jhre rechte Tochter, die häßlich war wie die Nacht, und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwürfe und sprach 'eine Königin zu werden, das Glück hätte mir gebührt.' 'Sei nur still,' sagte die Alte und sprach sie zufrieden, 'wenn's Zeit ist, will ich schon bei der Hand seyn.' Als nun die Zeit heran gerückt war, und die Königin ein schönes Knäbchen zur Welt gebracht hatte, und der König gerade auf der Jagd war, da nahm die alte Hexe die Gestalt der Kammerfrau an, trat in die Stube, wo die Königin lag, und sprach zu der Kranken 'kommt, das Bad ist fertig, das soll euch wohlthun und stärken; geschwind, eh es kalt wird.' Jhre Tochter war auch bei der Hand, und sie trugen die schwache Königin in die Badstube, legten sie hinein, giengen schnell fort und schlossen die Thüre ab. Jn der Badstube aber hatten sie ein rechtes Höllenfeuer angemacht, daß die schöne junge Königin bald ersticken mußte. Als das geschehen war, nahm die Alte ihre Tochter, und setzte ihr eine Haube auf, und legte sie ins Bett an der Königin Stelle. Sie gab ihr auch die Gestalt und das Ansehen der Königin, nur das verlorene Auge konnte sie ihr nicht wieder geben. Damit aber der König es nicht merken sollte, mußte sie sich auf die Seite legen wo sie kein Auge hatte. Am Abend, als der König heim kam, und hörte daß ihm ein Söhnlein geboren war, freute er sich herzlich, und wollte ans Bett zu seiner lieben Frau gehen, und wollte sehen was sie machte. Da rief die und nagten daran, und sie hatte keinen andern Gedanken, als wie sie die beiden doch noch ins Ungluͤck bringen koͤnnte. Jhre rechte Tochter, die haͤßlich war wie die Nacht, und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwuͤrfe und sprach ‘eine Koͤnigin zu werden, das Gluͤck haͤtte mir gebuͤhrt.’ ‘Sei nur still,’ sagte die Alte und sprach sie zufrieden, ‘wenn’s Zeit ist, will ich schon bei der Hand seyn.’ Als nun die Zeit heran geruͤckt war, und die Koͤnigin ein schoͤnes Knaͤbchen zur Welt gebracht hatte, und der Koͤnig gerade auf der Jagd war, da nahm die alte Hexe die Gestalt der Kammerfrau an, trat in die Stube, wo die Koͤnigin lag, und sprach zu der Kranken ‘kommt, das Bad ist fertig, das soll euch wohlthun und staͤrken; geschwind, eh es kalt wird.’ Jhre Tochter war auch bei der Hand, und sie trugen die schwache Koͤnigin in die Badstube, legten sie hinein, giengen schnell fort und schlossen die Thuͤre ab. Jn der Badstube aber hatten sie ein rechtes Hoͤllenfeuer angemacht, daß die schoͤne junge Koͤnigin bald ersticken mußte. Als das geschehen war, nahm die Alte ihre Tochter, und setzte ihr eine Haube auf, und legte sie ins Bett an der Koͤnigin Stelle. Sie gab ihr auch die Gestalt und das Ansehen der Koͤnigin, nur das verlorene Auge konnte sie ihr nicht wieder geben. Damit aber der Koͤnig es nicht merken sollte, mußte sie sich auf die Seite legen wo sie kein Auge hatte. Am Abend, als der Koͤnig heim kam, und hoͤrte daß ihm ein Soͤhnlein geboren war, freute er sich herzlich, und wollte ans Bett zu seiner lieben Frau gehen, und wollte sehen was sie machte. Da rief die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0104" n="73"/> und nagten daran, und sie hatte keinen andern Gedanken, als wie sie die beiden doch noch ins Ungluͤck bringen koͤnnte. Jhre rechte Tochter, die haͤßlich war wie die Nacht, und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwuͤrfe und sprach ‘eine Koͤnigin zu werden, das Gluͤck haͤtte mir gebuͤhrt.’ ‘Sei nur still,’ sagte die Alte und sprach sie zufrieden, ‘wenn’s Zeit ist, will ich schon bei der Hand seyn.’ Als nun die Zeit heran geruͤckt war, und die Koͤnigin ein schoͤnes Knaͤbchen zur Welt gebracht hatte, und der Koͤnig gerade auf der Jagd war, da nahm die alte Hexe die Gestalt der Kammerfrau an, trat in die Stube, wo die Koͤnigin lag, und sprach zu der Kranken ‘kommt, das Bad ist fertig, das soll euch wohlthun und staͤrken; geschwind, eh es kalt wird.’ Jhre Tochter war auch bei der Hand, und sie trugen die schwache Koͤnigin in die Badstube, legten sie hinein, giengen schnell fort und schlossen die Thuͤre ab. Jn der Badstube aber hatten sie ein rechtes Hoͤllenfeuer angemacht, daß die schoͤne junge Koͤnigin bald ersticken mußte.</p><lb/> <p>Als das geschehen war, nahm die Alte ihre Tochter, und setzte ihr eine Haube auf, und legte sie ins Bett an der Koͤnigin Stelle. Sie gab ihr auch die Gestalt und das Ansehen der Koͤnigin, nur das verlorene Auge konnte sie ihr nicht wieder geben. Damit aber der Koͤnig es nicht merken sollte, mußte sie sich auf die Seite legen wo sie kein Auge hatte. Am Abend, als der Koͤnig heim kam, und hoͤrte daß ihm ein Soͤhnlein geboren war, freute er sich herzlich, und wollte ans Bett zu seiner lieben Frau gehen, und wollte sehen was sie machte. Da rief die </p> </div> </body> </text> </TEI> [73/0104]
und nagten daran, und sie hatte keinen andern Gedanken, als wie sie die beiden doch noch ins Ungluͤck bringen koͤnnte. Jhre rechte Tochter, die haͤßlich war wie die Nacht, und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwuͤrfe und sprach ‘eine Koͤnigin zu werden, das Gluͤck haͤtte mir gebuͤhrt.’ ‘Sei nur still,’ sagte die Alte und sprach sie zufrieden, ‘wenn’s Zeit ist, will ich schon bei der Hand seyn.’ Als nun die Zeit heran geruͤckt war, und die Koͤnigin ein schoͤnes Knaͤbchen zur Welt gebracht hatte, und der Koͤnig gerade auf der Jagd war, da nahm die alte Hexe die Gestalt der Kammerfrau an, trat in die Stube, wo die Koͤnigin lag, und sprach zu der Kranken ‘kommt, das Bad ist fertig, das soll euch wohlthun und staͤrken; geschwind, eh es kalt wird.’ Jhre Tochter war auch bei der Hand, und sie trugen die schwache Koͤnigin in die Badstube, legten sie hinein, giengen schnell fort und schlossen die Thuͤre ab. Jn der Badstube aber hatten sie ein rechtes Hoͤllenfeuer angemacht, daß die schoͤne junge Koͤnigin bald ersticken mußte.
Als das geschehen war, nahm die Alte ihre Tochter, und setzte ihr eine Haube auf, und legte sie ins Bett an der Koͤnigin Stelle. Sie gab ihr auch die Gestalt und das Ansehen der Koͤnigin, nur das verlorene Auge konnte sie ihr nicht wieder geben. Damit aber der Koͤnig es nicht merken sollte, mußte sie sich auf die Seite legen wo sie kein Auge hatte. Am Abend, als der Koͤnig heim kam, und hoͤrte daß ihm ein Soͤhnlein geboren war, freute er sich herzlich, und wollte ans Bett zu seiner lieben Frau gehen, und wollte sehen was sie machte. Da rief die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |