Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

und dich heirathen, aber du mußt mir dein erstes
Kind versprechen etc. Auch wird das Männchen
anders entdeckt. Eine Magd der Königin geht
Nachts hinaus in den Wald, da sieht sie es auf ei-
nem Kochlöffel um ein groß Feuer herum reiten etc.
Zuletzt fliegt auch das Männchen auf dem Koch-
löffel zum Fenster hinaus.

In vielen deutschen Märchen kommen Müller
und Müllerstöchter vor (s. No. 31.), das gegen-
wärtige erinnert aber ganz sonderlich an die nor-
dischen Fenia und Menia, die alles, was man ha-
ben wollte, mahlen konnten, und die der König
Frode Frieden und Gold mahlen ließ. -- Das Ab-
fodern der Kinder greift in sehr viele Mythen ein.

Zu dem Liebsten Roland. No. 56.

Nach einer andern Erzählung, stecken die zwei
bei ihrer Flucht eine Bohne in einen Kuchen, der
eben auf dem Heerd liegt und backen soll, als die
Stiefmutter aufwacht und ihre Tochter ruft, ant-
wortet die Bohne für diese auf jede Frage, und
sagt sie sey in der Küche und koche; so lange aber
nur, als der Kuchen noch backt, als er gar ist,
schweigt sie still, da ist ihre Kraft vorbei, und
über das Stillschweigen wird die Mutter aufmerk-
sam, und findet dann ihre todte Tochter.

In den Zaubereien bei der Flucht vor der
Stiefmutter kommt dies Märchen mit dem vom
Fundevogel und Okerlo zusammen: die letzte Ver-
wandlung, wo die Stiefmutter durch Tanzen in
einer Dornhecke umkommt, erinnert an das be-
kannte Fabliau, welches Ayrer auch drama-
tisch behandelt hat, wo sich ein Verurtheilter auf
diese Art vom Tod rettet.

Zum goldnen Vogel. No. 57.

No. 64, I. von der weißen Taube hat denselben
Eingang, doch wird es auch sehr häufig und wie
es scheint, wo nicht besser, doch älter mit folgen-
dem erzählt: ein König war krank, oder nach an-
dern blind geworden, und nichts in der Welt ver-

C 2

und dich heirathen, aber du mußt mir dein erſtes
Kind verſprechen ꝛc. Auch wird das Maͤnnchen
anders entdeckt. Eine Magd der Koͤnigin geht
Nachts hinaus in den Wald, da ſieht ſie es auf ei-
nem Kochloͤffel um ein groß Feuer herum reiten ꝛc.
Zuletzt fliegt auch das Maͤnnchen auf dem Koch-
loͤffel zum Fenſter hinaus.

In vielen deutſchen Maͤrchen kommen Muͤller
und Muͤllerstoͤchter vor (ſ. No. 31.), das gegen-
waͤrtige erinnert aber ganz ſonderlich an die nor-
diſchen Fenia und Menia, die alles, was man ha-
ben wollte, mahlen konnten, und die der Koͤnig
Frode Frieden und Gold mahlen ließ. — Das Ab-
fodern der Kinder greift in ſehr viele Mythen ein.

Zu dem Liebſten Roland. No. 56.

Nach einer andern Erzaͤhlung, ſtecken die zwei
bei ihrer Flucht eine Bohne in einen Kuchen, der
eben auf dem Heerd liegt und backen ſoll, als die
Stiefmutter aufwacht und ihre Tochter ruft, ant-
wortet die Bohne fuͤr dieſe auf jede Frage, und
ſagt ſie ſey in der Kuͤche und koche; ſo lange aber
nur, als der Kuchen noch backt, als er gar iſt,
ſchweigt ſie ſtill, da iſt ihre Kraft vorbei, und
uͤber das Stillſchweigen wird die Mutter aufmerk-
ſam, und findet dann ihre todte Tochter.

In den Zaubereien bei der Flucht vor der
Stiefmutter kommt dies Maͤrchen mit dem vom
Fundevogel und Okerlo zuſammen: die letzte Ver-
wandlung, wo die Stiefmutter durch Tanzen in
einer Dornhecke umkommt, erinnert an das be-
kannte Fabliau, welches Ayrer auch drama-
tiſch behandelt hat, wo ſich ein Verurtheilter auf
dieſe Art vom Tod rettet.

Zum goldnen Vogel. No. 57.

No. 64, I. von der weißen Taube hat denſelben
Eingang, doch wird es auch ſehr haͤufig und wie
es ſcheint, wo nicht beſſer, doch aͤlter mit folgen-
dem erzaͤhlt: ein Koͤnig war krank, oder nach an-
dern blind geworden, und nichts in der Welt ver-

C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0457" n="XXXV"/>
und dich heirathen, aber du mußt mir dein er&#x017F;tes<lb/>
Kind ver&#x017F;prechen &#xA75B;c. Auch wird das Ma&#x0364;nnchen<lb/>
anders entdeckt. Eine Magd der Ko&#x0364;nigin geht<lb/>
Nachts hinaus in den Wald, da &#x017F;ieht &#x017F;ie es auf ei-<lb/>
nem Kochlo&#x0364;ffel um ein groß Feuer herum reiten &#xA75B;c.<lb/>
Zuletzt fliegt auch das Ma&#x0364;nnchen auf dem Koch-<lb/>
lo&#x0364;ffel zum Fen&#x017F;ter hinaus.</p><lb/>
          <p>In vielen deut&#x017F;chen Ma&#x0364;rchen kommen Mu&#x0364;ller<lb/>
und Mu&#x0364;llersto&#x0364;chter vor (&#x017F;. No. 31.), das gegen-<lb/>
wa&#x0364;rtige erinnert aber ganz &#x017F;onderlich an die nor-<lb/>
di&#x017F;chen Fenia und Menia, die alles, was man ha-<lb/>
ben wollte, mahlen konnten, und die der Ko&#x0364;nig<lb/>
Frode Frieden und Gold mahlen ließ. &#x2014; Das Ab-<lb/>
fodern der Kinder greift in &#x017F;ehr viele Mythen ein.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Zu dem Lieb&#x017F;ten Roland. No. 56.</head><lb/>
          <p>Nach einer andern Erza&#x0364;hlung, &#x017F;tecken die zwei<lb/>
bei ihrer Flucht eine Bohne in einen Kuchen, der<lb/>
eben auf dem Heerd liegt und backen &#x017F;oll, als die<lb/>
Stiefmutter aufwacht und ihre Tochter ruft, ant-<lb/>
wortet die Bohne fu&#x0364;r die&#x017F;e auf jede Frage, und<lb/>
&#x017F;agt &#x017F;ie &#x017F;ey in der Ku&#x0364;che und koche; &#x017F;o lange aber<lb/>
nur, als der Kuchen noch backt, als er gar i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;chweigt &#x017F;ie &#x017F;till, da i&#x017F;t ihre Kraft vorbei, und<lb/>
u&#x0364;ber das Still&#x017F;chweigen wird die Mutter aufmerk-<lb/>
&#x017F;am, und findet dann ihre todte Tochter.</p><lb/>
          <p>In den Zaubereien bei der Flucht vor der<lb/>
Stiefmutter kommt dies Ma&#x0364;rchen mit dem vom<lb/>
Fundevogel und Okerlo zu&#x017F;ammen: die letzte Ver-<lb/>
wandlung, wo die Stiefmutter durch Tanzen in<lb/>
einer Dornhecke umkommt, erinnert an das be-<lb/>
kannte Fabliau, welches <choice><sic>Hans Sachs</sic><corr type="corrigenda">Ayrer</corr></choice> auch drama-<lb/>
ti&#x017F;ch behandelt hat, wo &#x017F;ich ein Verurtheilter auf<lb/>
die&#x017F;e Art vom Tod rettet.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Zum goldnen Vogel. No. 57.</head><lb/>
          <p>No. 64, <hi rendition="#aq">I.</hi> von der weißen Taube hat den&#x017F;elben<lb/>
Eingang, doch wird es auch &#x017F;ehr ha&#x0364;ufig und wie<lb/>
es &#x017F;cheint, wo nicht be&#x017F;&#x017F;er, doch a&#x0364;lter mit folgen-<lb/>
dem erza&#x0364;hlt: ein Ko&#x0364;nig war krank, oder nach an-<lb/>
dern blind geworden, und nichts in der Welt ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[XXXV/0457] und dich heirathen, aber du mußt mir dein erſtes Kind verſprechen ꝛc. Auch wird das Maͤnnchen anders entdeckt. Eine Magd der Koͤnigin geht Nachts hinaus in den Wald, da ſieht ſie es auf ei- nem Kochloͤffel um ein groß Feuer herum reiten ꝛc. Zuletzt fliegt auch das Maͤnnchen auf dem Koch- loͤffel zum Fenſter hinaus. In vielen deutſchen Maͤrchen kommen Muͤller und Muͤllerstoͤchter vor (ſ. No. 31.), das gegen- waͤrtige erinnert aber ganz ſonderlich an die nor- diſchen Fenia und Menia, die alles, was man ha- ben wollte, mahlen konnten, und die der Koͤnig Frode Frieden und Gold mahlen ließ. — Das Ab- fodern der Kinder greift in ſehr viele Mythen ein. Zu dem Liebſten Roland. No. 56. Nach einer andern Erzaͤhlung, ſtecken die zwei bei ihrer Flucht eine Bohne in einen Kuchen, der eben auf dem Heerd liegt und backen ſoll, als die Stiefmutter aufwacht und ihre Tochter ruft, ant- wortet die Bohne fuͤr dieſe auf jede Frage, und ſagt ſie ſey in der Kuͤche und koche; ſo lange aber nur, als der Kuchen noch backt, als er gar iſt, ſchweigt ſie ſtill, da iſt ihre Kraft vorbei, und uͤber das Stillſchweigen wird die Mutter aufmerk- ſam, und findet dann ihre todte Tochter. In den Zaubereien bei der Flucht vor der Stiefmutter kommt dies Maͤrchen mit dem vom Fundevogel und Okerlo zuſammen: die letzte Ver- wandlung, wo die Stiefmutter durch Tanzen in einer Dornhecke umkommt, erinnert an das be- kannte Fabliau, welches Ayrer auch drama- tiſch behandelt hat, wo ſich ein Verurtheilter auf dieſe Art vom Tod rettet. Zum goldnen Vogel. No. 57. No. 64, I. von der weißen Taube hat denſelben Eingang, doch wird es auch ſehr haͤufig und wie es ſcheint, wo nicht beſſer, doch aͤlter mit folgen- dem erzaͤhlt: ein Koͤnig war krank, oder nach an- dern blind geworden, und nichts in der Welt ver- C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/457
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. XXXV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/457>, abgerufen am 25.11.2024.