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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. zahlwörtercomposita.
(bidens); tvei-tindadr (bifidus); tvei-toli (hermaphroditus);
tvei-vedraungr (anceps coelum) und die abgeleiteten verba:
tvei-henda (ambabus manibus arripere); tvei-klifa (iterare);
tvei-nora (bis rodere); unabgeleitet ist das starke tvei-taka
(iterare). Warum stehet tvö-faldr (duplex) für tvei-faldr?
Mhd. zwi-, aber die composita sind zum verwundern sel-
ten, ich weiß nur das häufige adj. zwi-valt (duplus) und
davon zwi-valden (duplicare) MS. 2, 29a. Nhd. zwie-.
neben zwei-; die alte form zwie- haben nur folgende:
zwie-back; zwie-sach; zwie-licht; zwie-mark; zwie-spalt;
zwie-tracht; zwie-wuchs. Dagegen: zwei-blatt; -deutig;
-drähtig; -falter; -fach; -händig; -herrig; -jährig;
-kampf; -männisch; -pfündig; -schattig; -schneidig;
-seitig; -sitzig; -stämmig; -stimmig; -silbig; -tägig;
-theilig; -zackig; -zahn (nom. plantae); -züngig u. a. m. --
Anm. diese composita sind uneigentlich, nämlich nicht
mit der cardinalzahl, welche auf kein zui-, tvi- führt,
ohnehin als bloß pluralisch eigentlicher comp. unfähig
scheint (vgl. s. 538.), sondern mit dem contrahierten adv.
verbunden. Das bestätigt 1) die ahd. nebenform, zuiro-
heiwid = zui-heiwid, folglich zui-falt aus zuiro-falt, zuir-
falt, wie a- aus ar- (s. 705.) hier aber ohne vocalverlän-
gerung, vgl. zuiro-zehanzug (bis centum) O. II. 8. 65.
Alleinstehend dauert das adv. zwir im mhd. und zwier
bei Luther fort (nähere angaben cap IV.); ich muth-
maße ein goth. adv. tvizva, nach analogie des altn.
tvisvar *); ags. lautet es tviva, tveova (oder tveiva,
tveova?) verkürzt tuva, tva, ungefähr wie sich izvis zu
eov verhält, es hätte auch ein ahd. zuiwo, zuiuwo dar-
aus werden können (wie iuwih, iu = izvis), allein die
ahd. mundart hielt sich hier mit vernachläßigung des
v an das s (vgl. ubizva, opasa) und wandelte dieses mit
der zeit in r. 2) die lat. und griech., grade so mit den
adverbien bis, dis, und neben ähnlicher kürzung in bi-,
di- bewirkte zusammensetzung. Einzelne werden auch
mit lat am-, an- (vgl. ambo) und gr amphi- gemacht,
z. b. an-ceps = bi-ceps, amphi-kephalos = di-kephalos; am-
phora stammt aus am-phoreus = amphi-phoreus, = di-
phoreus,
= ahd. zui-par.

[drei-] wiederum gebrechen goth. beispiele, nach
dem vorigen wäre thri-falths, thrizva-falths (triplex) zu

*) oder läßt sich tvi-svar, thri-svar für componiert mit svar
(responsum, loquela) nehmen, aualog dem hochd. zwei-, drei-
mahl?

III. zahlwörtercompoſita.
(bidens); tvî-tindadr (bifidus); tvî-tôli (hermaphroditus);
tvî-vëdrûngr (anceps coelum) und die abgeleiteten verba:
tvî-henda (ambabus manibus arripere); tvî-klifa (iterare);
tvî-nôra (bis rodere); unabgeleitet iſt das ſtarke tvî-taka
(iterare). Warum ſtehet tvö-faldr (duplex) für tvî-faldr?
Mhd. zwi-, aber die compoſita ſind zum verwundern ſel-
ten, ich weiß nur das häufige adj. zwi-valt (duplus) und
davon zwi-valden (duplicare) MS. 2, 29a. Nhd. zwie-.
neben zwei-; die alte form zwie- haben nur folgende:
zwie-back; zwie-ſach; zwie-licht; zwie-mark; zwie-ſpalt;
zwie-tracht; zwie-wuchs. Dagegen: zwei-blatt; -deutig;
-drähtig; -falter; -fach; -händig; -herrig; -jährig;
-kampf; -männiſch; -pfündig; -ſchattig; -ſchneidig;
-ſeitig; -ſitzig; -ſtämmig; -ſtimmig; -ſilbig; -tägig;
-theilig; -zackig; -zahn (nom. plantae); -züngig u. a. m. —
Anm. dieſe compoſita ſind uneigentlich, nämlich nicht
mit der cardinalzahl, welche auf kein zui-, tvi- führt,
ohnehin als bloß pluraliſch eigentlicher comp. unfähig
ſcheint (vgl. ſ. 538.), ſondern mit dem contrahierten adv.
verbunden. Das beſtätigt 1) die ahd. nebenform, zuiro-
hîwid = zui-hîwid, folglich zui-falt aus zuiro-falt, zuir-
falt, wie â- aus ar- (ſ. 705.) hier aber ohne vocalverlän-
gerung, vgl. zuiro-zëhanzug (bis centum) O. II. 8. 65.
Alleinſtehend dauert das adv. zwir im mhd. und zwier
bei Luther fort (nähere angaben cap IV.); ich muth-
maße ein goth. adv. tvizva, nach analogie des altn.
tviſvar *); agſ. lautet es tviva, tvëova (oder tvîva,
tvëóva?) verkürzt tuva, tva, ungefähr wie ſich ïzvis zu
ëóv verhält, es hätte auch ein ahd. zuiwo, zuiuwo dar-
aus werden können (wie iuwih, iu = ïzvis), allein die
ahd. mundart hielt ſich hier mit vernachläßigung des
v an das s (vgl. ubizva, opaſa) und wandelte dieſes mit
der zeit in r. 2) die lat. und griech., grade ſo mit den
adverbien bis, δίς, und neben ähnlicher kürzung in bi-,
δί- bewirkte zuſammenſetzung. Einzelne werden auch
mit lat am-, an- (vgl. ambo) und gr ἀμφι- gemacht,
z. b. an-ceps = bi-ceps, ἀμφι-κέφαλος = δι-κέφαλος; am-
phora ſtammt aus ἀμ-φορεύς = ἀμφι-φορεύς, = δι-
φορεύς,
= ahd. zui-par.

[drei-] wiederum gebrechen goth. beiſpiele, nach
dem vorigen wäre þri-falþs, þrizva-falþs (triplex) zu

*) oder läßt ſich tvi-ſvar, þri-ſvar für componiert mit ſvar
(reſponſum, loquela) nehmen, aualog dem hochd. zwei-, drei-
mahl?
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[957/0975] III. zahlwörtercompoſita. (bidens); tvî-tindadr (bifidus); tvî-tôli (hermaphroditus); tvî-vëdrûngr (anceps coelum) und die abgeleiteten verba: tvî-henda (ambabus manibus arripere); tvî-klifa (iterare); tvî-nôra (bis rodere); unabgeleitet iſt das ſtarke tvî-taka (iterare). Warum ſtehet tvö-faldr (duplex) für tvî-faldr? Mhd. zwi-, aber die compoſita ſind zum verwundern ſel- ten, ich weiß nur das häufige adj. zwi-valt (duplus) und davon zwi-valden (duplicare) MS. 2, 29a. Nhd. zwie-. neben zwei-; die alte form zwie- haben nur folgende: zwie-back; zwie-ſach; zwie-licht; zwie-mark; zwie-ſpalt; zwie-tracht; zwie-wuchs. Dagegen: zwei-blatt; -deutig; -drähtig; -falter; -fach; -händig; -herrig; -jährig; -kampf; -männiſch; -pfündig; -ſchattig; -ſchneidig; -ſeitig; -ſitzig; -ſtämmig; -ſtimmig; -ſilbig; -tägig; -theilig; -zackig; -zahn (nom. plantae); -züngig u. a. m. — Anm. dieſe compoſita ſind uneigentlich, nämlich nicht mit der cardinalzahl, welche auf kein zui-, tvi- führt, ohnehin als bloß pluraliſch eigentlicher comp. unfähig ſcheint (vgl. ſ. 538.), ſondern mit dem contrahierten adv. verbunden. Das beſtätigt 1) die ahd. nebenform, zuiro- hîwid = zui-hîwid, folglich zui-falt aus zuiro-falt, zuir- falt, wie â- aus ar- (ſ. 705.) hier aber ohne vocalverlän- gerung, vgl. zuiro-zëhanzug (bis centum) O. II. 8. 65. Alleinſtehend dauert das adv. zwir im mhd. und zwier bei Luther fort (nähere angaben cap IV.); ich muth- maße ein goth. adv. tvizva, nach analogie des altn. tviſvar *); agſ. lautet es tviva, tvëova (oder tvîva, tvëóva?) verkürzt tuva, tva, ungefähr wie ſich ïzvis zu ëóv verhält, es hätte auch ein ahd. zuiwo, zuiuwo dar- aus werden können (wie iuwih, iu = ïzvis), allein die ahd. mundart hielt ſich hier mit vernachläßigung des v an das s (vgl. ubizva, opaſa) und wandelte dieſes mit der zeit in r. 2) die lat. und griech., grade ſo mit den adverbien bis, δίς, und neben ähnlicher kürzung in bi-, δί- bewirkte zuſammenſetzung. Einzelne werden auch mit lat am-, an- (vgl. ambo) und gr ἀμφι- gemacht, z. b. an-ceps = bi-ceps, ἀμφι-κέφαλος = δι-κέφαλος; am- phora ſtammt aus ἀμ-φορεύς = ἀμφι-φορεύς, = δι- φορεύς, = ahd. zui-par. [drei-] wiederum gebrechen goth. beiſpiele, nach dem vorigen wäre þri-falþs, þrizva-falþs (triplex) zu *) oder läßt ſich tvi-ſvar, þri-ſvar für componiert mit ſvar (reſponſum, loquela) nehmen, aualog dem hochd. zwei-, drei- mahl?

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 957. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/975>, abgerufen am 19.05.2024.