der gen. fem. des adjectivischen) und im 17. jh. findet sich auch zeits, z. b. zeits meines lebens, zeits meiner jugend (tempore juv. meae) Phil. v. Sittew. Diese ad- verbia können nun einfluß gehabt haben auf die nhd. composita weihnachts-abend, faßnachts-pretzel, mitt- wochs-abend, nothdurfts-fall, hochzeits-abend? Selblt Luther hat nachts-tropfen Cantic. 5, 2. (so schon edit. 1535.) oder ist es: nachts tropfen? vgl. regens tr. bluts tr. oben s. 614.
b) noch mehr, das sechste cap. dieses buchs wird darthun, daß manche der hier in betracht stehenden fem. früherhin männlich oder neutral gesetzt und flectiert worden sind. So ist not bei O. zuweilen masc. zuweilen fem., das einfache rat überall masc., desgleichen das ein- sache bei einigen auch das zus. gesetzte heit (conditio) und selbst an die masc. auf -ung statt -unga (s. 359. 362.) wäre zu denken. Neben dem fem. zeit erscheint im ahd. und nhd. das neutrum zeit. Die composita heiraths-ver- trag, hochzeits-tag, weisheits-zahn, trauungs-rede ließen sich also aus jenen masc. oder neutr. deuten? Nur be- greift man wieder nicht, warum sie im mhd. mangeln; selbst einen ungebunden vorgesetzten mhd. gen. -unges, oder -heites (abgesehen von der verdächtigen, s. 936. note, beigebrachten stelle) wüste ich nicht aufzuzeigen. Die nhd. composita mit liebes-, der bedeutung nach zu dem sem. liebe (amor) gehörend, wären nicht ohne schein auf das mhd. neutr. liep (res vel persona grata) zurück- zubeziehen, vgl. liebes wan MS. 1, 3a liebes muot Trist. 1107. (schwerlich liebes liep Am. 11c 13a 14a, son- dern liebeß liep?); die gangbaren formeln verleiteten, das verwandte fem. liebe in der zusammensetzung damit zu mischen? Dem sinne nach ist das nhd. liebes-wahn ganz von jenem mhd. liebes wan abweichend. Vielleicht muß auch das nom. pr. liebes-kind (s. 677.) nicht für liebes kind (mhd. liebeß) genommen werden, sondern für kind der liebe.
g) endlich könnte die im nhd. entschiedne neigung ursprünglich weiblicher städte namen, ins neutr. überzu- gehen (1, 777.) angeschlagen werden. Wiewohl keine composita vorkommen und der vorstehende ungebundne gen. (z. b. hamburgs belagerung) ganz etwas anderes ist.
3) die unter 2. versuchte deutung erledigt höchstens einzelne fälle, das ganze bleibt unaufgelöst; außerdem steht ihr entgegen:
III. unflexiviſches compoſitions-S.
der gen. fem. des adjectiviſchen) und im 17. jh. findet ſich auch zeits, z. b. zeits meines lebens, zeits meiner jugend (tempore juv. meae) Phil. v. Sittew. Dieſe ad- verbia können nun einfluß gehabt haben auf die nhd. compoſita weihnachts-abend, faßnachts-pretzel, mitt- wochs-abend, nothdurfts-fall, hochzeits-abend? Selblt Luther hat nachts-tropfen Cantic. 5, 2. (ſo ſchon edit. 1535.) oder iſt es: nachts tropfen? vgl. regens tr. bluts tr. oben ſ. 614.
β) noch mehr, das ſechſte cap. dieſes buchs wird darthun, daß manche der hier in betracht ſtehenden fem. früherhin männlich oder neutral geſetzt und flectiert worden ſind. So iſt nôt bei O. zuweilen maſc. zuweilen fem., das einfache rât überall maſc., desgleichen das ein- ſache bei einigen auch das zuſ. geſetzte heit (conditio) und ſelbſt an die maſc. auf -ung ſtatt -unga (ſ. 359. 362.) wäre zu denken. Neben dem fem. zît erſcheint im ahd. und nhd. das neutrum zît. Die compoſita heiraths-ver- trag, hochzeits-tag, weisheits-zahn, trauungs-rede ließen ſich alſo aus jenen maſc. oder neutr. deuten? Nur be- greift man wieder nicht, warum ſie im mhd. mangeln; ſelbſt einen ungebunden vorgeſetzten mhd. gen. -unges, oder -heites (abgeſehen von der verdächtigen, ſ. 936. note, beigebrachten ſtelle) wüſte ich nicht aufzuzeigen. Die nhd. compoſita mit liebes-, der bedeutung nach zu dem ſem. liebe (amor) gehörend, wären nicht ohne ſchein auf das mhd. neutr. liep (res vel perſona grata) zurück- zubeziehen, vgl. liebes wân MS. 1, 3a liebes muot Triſt. 1107. (ſchwerlich liebes liep Am. 11c 13a 14a, ſon- dern liebeƷ liep?); die gangbaren formeln verleiteten, das verwandte fem. liebe in der zuſammenſetzung damit zu miſchen? Dem ſinne nach iſt das nhd. liebes-wahn ganz von jenem mhd. liebes wân abweichend. Vielleicht muß auch das nom. pr. liebes-kind (ſ. 677.) nicht für liebes kind (mhd. liebeƷ) genommen werden, ſondern für kind der liebe.
γ) endlich könnte die im nhd. entſchiedne neigung urſprünglich weiblicher ſtädte namen, ins neutr. überzu- gehen (1, 777.) angeſchlagen werden. Wiewohl keine compoſita vorkommen und der vorſtehende ungebundne gen. (z. b. hamburgs belagerung) ganz etwas anderes iſt.
3) die unter 2. verſuchte deutung erledigt höchſtens einzelne fälle, das ganze bleibt unaufgelöſt; außerdem ſteht ihr entgegen:
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0957"n="939"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">III. <hirendition="#i">unflexiviſches compoſitions-S.</hi></hi></fw><lb/>
der gen. fem. des adjectiviſchen) und im 17. jh. findet<lb/>ſich auch zeits, z. b. zeits meines lebens, zeits meiner<lb/>
jugend (tempore juv. meae) Phil. v. Sittew. Dieſe ad-<lb/>
verbia können nun einfluß gehabt haben auf die nhd.<lb/>
compoſita weihnachts-abend, faßnachts-pretzel, mitt-<lb/>
wochs-abend, nothdurfts-fall, hochzeits-abend? Selblt<lb/>
Luther hat nachts-tropfen Cantic. 5, 2. (ſo ſchon edit.<lb/>
1535.) oder iſt es: nachts tropfen? vgl. regens tr. bluts<lb/>
tr. oben ſ. 614.</p><lb/><p><hirendition="#i">β</hi>) noch mehr, das ſechſte cap. dieſes buchs wird<lb/>
darthun, daß manche der hier in betracht ſtehenden fem.<lb/>
früherhin männlich oder neutral geſetzt und flectiert<lb/>
worden ſind. So iſt nôt bei O. zuweilen maſc. zuweilen<lb/>
fem., das einfache rât überall maſc., desgleichen das ein-<lb/>ſache bei einigen auch das zuſ. geſetzte heit (conditio)<lb/>
und ſelbſt an die maſc. auf -ung ſtatt -unga (ſ. 359. 362.)<lb/>
wäre zu denken. Neben dem fem. zît erſcheint im ahd.<lb/>
und nhd. das neutrum zît. Die compoſita heiraths-ver-<lb/>
trag, hochzeits-tag, weisheits-zahn, trauungs-rede ließen<lb/>ſich alſo aus jenen maſc. oder neutr. deuten? Nur be-<lb/>
greift man wieder nicht, warum ſie im mhd. mangeln;<lb/>ſelbſt einen ungebunden vorgeſetzten mhd. gen. -unges,<lb/>
oder -heites (abgeſehen von der verdächtigen, ſ. 936.<lb/>
note, beigebrachten ſtelle) wüſte ich nicht aufzuzeigen.<lb/>
Die nhd. compoſita mit liebes-, der bedeutung nach zu<lb/>
dem ſem. liebe (amor) gehörend, wären nicht ohne ſchein<lb/>
auf das mhd. neutr. liep (res vel perſona grata) zurück-<lb/>
zubeziehen, vgl. liebes wân MS. 1, 3<hirendition="#sup">a</hi> liebes muot Triſt.<lb/>
1107. (ſchwerlich liebes liep Am. 11<hirendition="#sup">c</hi> 13<hirendition="#sup">a</hi> 14<hirendition="#sup">a</hi>, ſon-<lb/>
dern liebeƷ liep?); die gangbaren formeln verleiteten,<lb/>
das verwandte fem. liebe in der zuſammenſetzung damit<lb/>
zu miſchen? Dem ſinne nach iſt das nhd. liebes-wahn<lb/>
ganz von jenem mhd. liebes wân abweichend. Vielleicht<lb/>
muß auch das nom. pr. liebes-kind (ſ. 677.) nicht für<lb/>
liebes kind (mhd. liebeƷ) genommen werden, ſondern für<lb/>
kind der liebe.</p><lb/><p><hirendition="#i">γ</hi>) endlich könnte die im nhd. entſchiedne neigung<lb/>
urſprünglich weiblicher ſtädte namen, ins neutr. überzu-<lb/>
gehen (1, 777.) angeſchlagen werden. Wiewohl keine<lb/>
compoſita vorkommen und der vorſtehende ungebundne<lb/>
gen. (z. b. hamburgs belagerung) ganz etwas anderes iſt.</p><lb/><p>3) die unter 2. verſuchte deutung erledigt höchſtens<lb/>
einzelne fälle, das ganze bleibt unaufgelöſt; außerdem<lb/>ſteht ihr entgegen:</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[939/0957]
III. unflexiviſches compoſitions-S.
der gen. fem. des adjectiviſchen) und im 17. jh. findet
ſich auch zeits, z. b. zeits meines lebens, zeits meiner
jugend (tempore juv. meae) Phil. v. Sittew. Dieſe ad-
verbia können nun einfluß gehabt haben auf die nhd.
compoſita weihnachts-abend, faßnachts-pretzel, mitt-
wochs-abend, nothdurfts-fall, hochzeits-abend? Selblt
Luther hat nachts-tropfen Cantic. 5, 2. (ſo ſchon edit.
1535.) oder iſt es: nachts tropfen? vgl. regens tr. bluts
tr. oben ſ. 614.
β) noch mehr, das ſechſte cap. dieſes buchs wird
darthun, daß manche der hier in betracht ſtehenden fem.
früherhin männlich oder neutral geſetzt und flectiert
worden ſind. So iſt nôt bei O. zuweilen maſc. zuweilen
fem., das einfache rât überall maſc., desgleichen das ein-
ſache bei einigen auch das zuſ. geſetzte heit (conditio)
und ſelbſt an die maſc. auf -ung ſtatt -unga (ſ. 359. 362.)
wäre zu denken. Neben dem fem. zît erſcheint im ahd.
und nhd. das neutrum zît. Die compoſita heiraths-ver-
trag, hochzeits-tag, weisheits-zahn, trauungs-rede ließen
ſich alſo aus jenen maſc. oder neutr. deuten? Nur be-
greift man wieder nicht, warum ſie im mhd. mangeln;
ſelbſt einen ungebunden vorgeſetzten mhd. gen. -unges,
oder -heites (abgeſehen von der verdächtigen, ſ. 936.
note, beigebrachten ſtelle) wüſte ich nicht aufzuzeigen.
Die nhd. compoſita mit liebes-, der bedeutung nach zu
dem ſem. liebe (amor) gehörend, wären nicht ohne ſchein
auf das mhd. neutr. liep (res vel perſona grata) zurück-
zubeziehen, vgl. liebes wân MS. 1, 3a liebes muot Triſt.
1107. (ſchwerlich liebes liep Am. 11c 13a 14a, ſon-
dern liebeƷ liep?); die gangbaren formeln verleiteten,
das verwandte fem. liebe in der zuſammenſetzung damit
zu miſchen? Dem ſinne nach iſt das nhd. liebes-wahn
ganz von jenem mhd. liebes wân abweichend. Vielleicht
muß auch das nom. pr. liebes-kind (ſ. 677.) nicht für
liebes kind (mhd. liebeƷ) genommen werden, ſondern für
kind der liebe.
γ) endlich könnte die im nhd. entſchiedne neigung
urſprünglich weiblicher ſtädte namen, ins neutr. überzu-
gehen (1, 777.) angeſchlagen werden. Wiewohl keine
compoſita vorkommen und der vorſtehende ungebundne
gen. (z. b. hamburgs belagerung) ganz etwas anderes iſt.
3) die unter 2. verſuchte deutung erledigt höchſtens
einzelne fälle, das ganze bleibt unaufgelöſt; außerdem
ſteht ihr entgegen:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 939. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/957>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.