die fließende rede construiert aba ni sneide, hina ne wur- fist N. Bth. 13. hina ne feret, auß ni gange (keineswegs: ni aba sneide etc.) sondern auch die glossen: nidar ni reisit doc. 231b auß ni wirso mons. 344. und merkwürdig mit dop- pelter negation: ni zo ni wirf! (non adjicias) ker. 210, während untrennbaren partikeln das ni nothwendig vor- ausgeht (ni pi-smerot, ni zi-plait jun. 240. ni cirpreh- hames, ni fir-mullames ker. 211.).
Allein dieser gründe ungeachtet wage ich nicht, die mhd. oder gar nhd. lösbarkeit der partikeln für das ahd. auszusprechen, weil a) die abwesenheit des gi- in vie- len part. praet. b) die häufigere vorsetzung der part. im directen fall (3, b.) c) die seltnere nachstellung im indi- recten und endlich d) die beständige vorsetzung in den glossen und bei K. wahrscheinlich machen, daß die frü- here ahd. sprache wenigstens, sich noch mehr der goth. als der mhd. weise anschließend, die befragten partikeln wirklich oft für mit dem verbo verbunden angesehen habe*). Die composition war nie so vollständig, wie bei den sechs untrennbaren noch bei den sechs trennbaren, in gewissen fällen enger zus. setzung fähigen partikeln; aber fie muß doch fester gewesen sein, als in späterer zeit. Dieses resultat widerspricht zwar der allgemein wahren behauptung, daß die uneigentliche composition nach und nach entsprungen und vervielfältigt worden ist; hier sind umgekehrt ältere, engere verknüpfungen im verfolg der zeit wieder loser geworden, und, inso- fern die größere freiheit der partikeln für einen vortheil gilt, unsere sprache hat sich einer zu sehr eingeschränk- ten fertigkeit wieder beßer bedienen gelernt. Hätte sich nur im nhd. die vorsetzbarkeit im directen fall nicht bei- nahe verloren! Wie man auch hiervon urtheile, die größere compositionsfähigkeit der partikeln im ahd. ist nicht zu leugnen und macht den übergang zum goth. möglich, wo die zusammensetzung noch um einen grad fester erscheint.
Für die abhandlung ergibt sich hieraus, daß es bei entschiednerer ahd. composition nöthiger, wenigstens nütz- licher ist, als im mhd. und nhd., die einzelnen, wichtig- sten fälle aufzuzählen. Für die rechtschreibung, daß es, zumahl bei denkmählern des 7. 8. jh. erlaubt sein wird,
*) privatives un- vor part. praet. (s. 873.) finde ich im ahd. nicht, außer bei jenen sechs partikeln, zumahl bei durah-, z. b. un-durahtan K. 25a un-thuruhzokan, un-thuruhlerit ker. 166.
III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
die fließende rede conſtruiert aba ni ſnîdê, hina ne wur- fiſt N. Bth. 13. hina ne feret, ûƷ ni gangê (keineswegs: ni aba ſnîdê etc.) ſondern auch die gloſſen: nidar ni rîſit doc. 231b ûƷ ni wirſo monſ. 344. und merkwürdig mit dop- pelter negation: ni zô ni wirf! (non adjicias) ker. 210, während untrennbaren partikeln das ni nothwendig vor- ausgeht (ni pi-ſmërôt, ni zi-plâit jun. 240. ni cirprëh- hamês, ni fir-mullamês ker. 211.).
Allein dieſer gründe ungeachtet wage ich nicht, die mhd. oder gar nhd. lösbarkeit der partikeln für das ahd. auszuſprechen, weil a) die abweſenheit des gi- in vie- len part. praet. b) die häufigere vorſetzung der part. im directen fall (3, β.) c) die ſeltnere nachſtellung im indi- recten und endlich d) die beſtändige vorſetzung in den gloſſen und bei K. wahrſcheinlich machen, daß die frü- here ahd. ſprache wenigſtens, ſich noch mehr der goth. als der mhd. weiſe anſchließend, die befragten partikeln wirklich oft für mit dem verbo verbunden angeſehen habe*). Die compoſition war nie ſo vollſtändig, wie bei den ſechs untrennbaren noch bei den ſechs trennbaren, in gewiſſen fällen enger zuſ. ſetzung fähigen partikeln; aber fie muß doch feſter geweſen ſein, als in ſpäterer zeit. Dieſes reſultat widerſpricht zwar der allgemein wahren behauptung, daß die uneigentliche compoſition nach und nach entſprungen und vervielfältigt worden iſt; hier ſind umgekehrt ältere, engere verknüpfungen im verfolg der zeit wieder loſer geworden, und, inſo- fern die größere freiheit der partikeln für einen vortheil gilt, unſere ſprache hat ſich einer zu ſehr eingeſchränk- ten fertigkeit wieder beßer bedienen gelernt. Hätte ſich nur im nhd. die vorſetzbarkeit im directen fall nicht bei- nahe verloren! Wie man auch hiervon urtheile, die größere compoſitionsfähigkeit der partikeln im ahd. iſt nicht zu leugnen und macht den übergang zum goth. möglich, wo die zuſammenſetzung noch um einen grad feſter erſcheint.
Für die abhandlung ergibt ſich hieraus, daß es bei entſchiednerer ahd. compoſition nöthiger, wenigſtens nütz- licher iſt, als im mhd. und nhd., die einzelnen, wichtig- ſten fälle aufzuzählen. Für die rechtſchreibung, daß es, zumahl bei denkmählern des 7. 8. jh. erlaubt ſein wird,
*) privatives un- vor part. praet. (ſ. 873.) finde ich im ahd. nicht, außer bei jenen ſechs partikeln, zumahl bei durah-, z. b. un-durahtan K. 25a un-thuruhzokan, un-thuruhlêrit ker. 166.
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III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
die fließende rede conſtruiert aba ni ſnîdê, hina ne wur-
fiſt N. Bth. 13. hina ne feret, ûƷ ni gangê (keineswegs: ni
aba ſnîdê etc.) ſondern auch die gloſſen: nidar ni rîſit doc.
231b ûƷ ni wirſo monſ. 344. und merkwürdig mit dop-
pelter negation: ni zô ni wirf! (non adjicias) ker. 210,
während untrennbaren partikeln das ni nothwendig vor-
ausgeht (ni pi-ſmërôt, ni zi-plâit jun. 240. ni cirprëh-
hamês, ni fir-mullamês ker. 211.).
Allein dieſer gründe ungeachtet wage ich nicht, die
mhd. oder gar nhd. lösbarkeit der partikeln für das ahd.
auszuſprechen, weil a) die abweſenheit des gi- in vie-
len part. praet. b) die häufigere vorſetzung der part. im
directen fall (3, β.) c) die ſeltnere nachſtellung im indi-
recten und endlich d) die beſtändige vorſetzung in den
gloſſen und bei K. wahrſcheinlich machen, daß die frü-
here ahd. ſprache wenigſtens, ſich noch mehr der goth.
als der mhd. weiſe anſchließend, die befragten partikeln
wirklich oft für mit dem verbo verbunden angeſehen
habe *). Die compoſition war nie ſo vollſtändig, wie bei
den ſechs untrennbaren noch bei den ſechs trennbaren,
in gewiſſen fällen enger zuſ. ſetzung fähigen partikeln;
aber fie muß doch feſter geweſen ſein, als in ſpäterer
zeit. Dieſes reſultat widerſpricht zwar der allgemein
wahren behauptung, daß die uneigentliche compoſition
nach und nach entſprungen und vervielfältigt worden
iſt; hier ſind umgekehrt ältere, engere verknüpfungen
im verfolg der zeit wieder loſer geworden, und, inſo-
fern die größere freiheit der partikeln für einen vortheil
gilt, unſere ſprache hat ſich einer zu ſehr eingeſchränk-
ten fertigkeit wieder beßer bedienen gelernt. Hätte ſich
nur im nhd. die vorſetzbarkeit im directen fall nicht bei-
nahe verloren! Wie man auch hiervon urtheile, die
größere compoſitionsfähigkeit der partikeln im ahd. iſt
nicht zu leugnen und macht den übergang zum goth.
möglich, wo die zuſammenſetzung noch um einen grad
feſter erſcheint.
Für die abhandlung ergibt ſich hieraus, daß es bei
entſchiednerer ahd. compoſition nöthiger, wenigſtens nütz-
licher iſt, als im mhd. und nhd., die einzelnen, wichtig-
ſten fälle aufzuzählen. Für die rechtſchreibung, daß es,
zumahl bei denkmählern des 7. 8. jh. erlaubt ſein wird,
*) privatives un- vor part. praet. (ſ. 873.) finde ich im ahd.
nicht, außer bei jenen ſechs partikeln, zumahl bei durah-, z. b.
un-durahtan K. 25a un-thuruhzokan, un-thuruhlêrit ker. 166.
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 892. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/910>, abgerufen am 25.11.2024.
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