Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.III. partikelcomposition. -- part. mit nom. unten bei der zus. setzung mit dem verbum, vor demnomen geschieht es nicht; unabtrennbarkeit hat sich also auch hier vor dem nomen früher entschieden. Was die form betrifft, so entspricht goth. ga- dem strengahd. ka-, wofür andere ga-, einige (über die lautverschiebung hin- aus, vgl. 1, 1071. zu 1, 185.) cha setzen. Das volle a in dem goth. ga- und dem ka-, ga-, der frühsten ahd. denk- mähler weist auf damalige betonung *), die spätere schwä- chung in ahd. ki-, gi-, ge- alts. gi-, ags. ge- (d. i. ge-) auf allmählige unbetonung, wie bei ar-, ir-, er-; ant-, int-, ent- etc. (nie erscheint gu-, go-, wie ur-, or-, for-). Jede ihrer freien bewegung beraubte partikel büßt an form, ton und bedeutung ein. Wäre ga- trennbar ge- blieben, vielleicht praeposition geworden, so hätte es nicht weniger als pi, pei, du, to, zuo, fra, fra, selbst vocal- verlängerung erfahren mögen. Es scheint mir grund- falsch die sache so anzusehen, als ob ga- aus einer nichts bedeutenden vorsilbe, oder aus einem der hochdeutschen mundart beliebten kehlbuchstaben, gar aus dem leeren hauch (obgleich die quellen keiner zeit ha-, hi-, he- dar- bieten) hervorgegangen sei. Ge- hat zwar unter allen unsern partikeln in den meisten fällen die gelindeste be- deutung, eine dem abgestumpften gefühl unmerkbar ge- wordene; aber es grenzt doch nahe an be- und ver-, denen niemand den nahmen wahrer und selbst praepo- sitionaler partikeln abstreiten kann. Noch versteckter und ungefühlter ist uns ja die kraft der s. 701. nachgewiese- nen s- und n-, die zur zeit der composition ganz leben- dig gewesen sein muß. Daraus daß vor verschiedenen wörtern der englischen und heutigen niederdeutschen volkssprache das ge- fehlt, die doch genau den sinn der hochdeutschen ge-formen geben, darf man nicht unbe- hutsam auf das bedeutungslose der partikel schließen. Sie kann auch unorganischerweise getilgt worden sein, wie theils die vergleichung der ags. und alts. sprache lehrt, deren gi-, ge- in solchen wörtern mit dem ahd. ein- stimmen, theils aus der altengl. westphäl. und fries. entstellung des ge- in y-, je- und endlich -e sichtbar folgt. Ein bloßes e- konnte leicht wegfallen. Und wie wenn selbst im altn. die partikel weggefallen wäre? ich will zeigen, *) ob sich insgemein für alle zus. gesetzten partikeln die regel
stellen läßt, daß ihre älteste a-form (ga-, ar-, far-, fra-, fram-, ant- etc.) noch nie des tons verlustig gehe, sondern tieftonig sei? ich komme in den schlußanm, darauf zurück. III. partikelcompoſition. — part. mit nom. unten bei der zuſ. ſetzung mit dem verbum, vor demnomen geſchieht es nicht; unabtrennbarkeit hat ſich alſo auch hier vor dem nomen früher entſchieden. Was die form betrifft, ſo entſpricht goth. ga- dem ſtrengahd. ka-, wofür andere ga-, einige (über die lautverſchiebung hin- aus, vgl. 1, 1071. zu 1, 185.) cha ſetzen. Das volle a in dem goth. ga- und dem ka-, ga-, der frühſten ahd. denk- mähler weiſt auf damalige betonung *), die ſpätere ſchwä- chung in ahd. ki-, gi-, gë- altſ. gi-, agſ. ge- (d. i. ge-) auf allmählige unbetonung, wie bei ar-, ir-, ër-; ant-, int-, ënt- etc. (nie erſcheint gu-, go-, wie ur-, or-, for-). Jede ihrer freien bewegung beraubte partikel büßt an form, ton und bedeutung ein. Wäre ga- trennbar ge- blieben, vielleicht praepoſition geworden, ſo hätte es nicht weniger als pi, pî, du, tô, zuo, fra, frâ, ſelbſt vocal- verlängerung erfahren mögen. Es ſcheint mir grund- falſch die ſache ſo anzuſehen, als ob ga- aus einer nichts bedeutenden vorſilbe, oder aus einem der hochdeutſchen mundart beliebten kehlbuchſtaben, gar aus dem leeren hauch (obgleich die quellen keiner zeit ha-, hi-, he- dar- bieten) hervorgegangen ſei. Ge- hat zwar unter allen unſern partikeln in den meiſten fällen die gelindeſte be- deutung, eine dem abgeſtumpften gefühl unmerkbar ge- wordene; aber es grenzt doch nahe an be- und ver-, denen niemand den nahmen wahrer und ſelbſt praepo- ſitionaler partikeln abſtreiten kann. Noch verſteckter und ungefühlter iſt uns ja die kraft der ſ. 701. nachgewieſe- nen ſ- und n-, die zur zeit der compoſition ganz leben- dig geweſen ſein muß. Daraus daß vor verſchiedenen wörtern der engliſchen und heutigen niederdeutſchen volksſprache das ge- fehlt, die doch genau den ſinn der hochdeutſchen ge-formen geben, darf man nicht unbe- hutſam auf das bëdeutungsloſe der partikel ſchließen. Sie kann auch unorganiſcherweiſe getilgt worden ſein, wie theils die vergleichung der agſ. und altſ. ſprache lehrt, deren gi-, ge- in ſolchen wörtern mit dem ahd. ein- ſtimmen, theils aus der altengl. weſtphäl. und frieſ. entſtellung des ge- in y-, je- und endlich -e ſichtbar folgt. Ein bloßes e- konnte leicht wegfallen. Und wie wenn ſelbſt im altn. die partikel weggefallen wäre? ich will zeigen, *) ob ſich insgemein für alle zuſ. geſetzten partikeln die regel
ſtellen läßt, daß ihre älteſte a-form (ga-, ar-, far-, fra-, fram-, ant- etc.) noch nie des tons verluſtig gehe, ſondern tieftonig ſei? ich komme in den ſchlußanm, darauf zurück. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0752" n="734"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">partikelcompoſition. — part. mit nom.</hi></hi></fw><lb/> unten bei der zuſ. ſetzung mit dem verbum, vor dem<lb/> nomen geſchieht es nicht; unabtrennbarkeit hat ſich alſo<lb/> auch hier vor dem nomen früher entſchieden. Was die<lb/> form betrifft, ſo entſpricht goth. <hi rendition="#i">ga-</hi> dem ſtrengahd. <hi rendition="#i">ka-</hi>,<lb/> wofür andere <hi rendition="#i">ga-</hi>, einige (über die lautverſchiebung hin-<lb/> aus, vgl. 1, 1071. zu 1, 185.) <hi rendition="#i">cha</hi> ſetzen. Das volle a in<lb/> dem goth. ga- und dem ka-, ga-, der frühſten ahd. denk-<lb/> mähler weiſt auf damalige betonung <note place="foot" n="*)">ob ſich insgemein für alle zuſ. geſetzten partikeln die regel<lb/> ſtellen läßt, daß ihre älteſte a-form (ga-, ar-, far-, fra-, fram-,<lb/> ant- etc.) noch nie des tons verluſtig gehe, ſondern tieftonig ſei?<lb/> ich komme in den ſchlußanm, darauf zurück.</note>, die ſpätere ſchwä-<lb/> chung in ahd. ki-, gi-, gë- altſ. gi-, agſ. ge- (d. i. ge-)<lb/> auf allmählige unbetonung, wie bei ar-, ir-, ër-; ant-,<lb/> int-, ënt- etc. (nie erſcheint gu-, go-, wie ur-, or-, for-).<lb/> Jede ihrer freien bewegung beraubte partikel büßt an<lb/> form, ton und bedeutung ein. Wäre ga- trennbar ge-<lb/> blieben, vielleicht praepoſition geworden, ſo hätte es nicht<lb/> weniger als pi, pî, du, tô, zuo, fra, frâ, ſelbſt vocal-<lb/> verlängerung erfahren mögen. Es ſcheint mir grund-<lb/> falſch die ſache ſo anzuſehen, als ob ga- aus einer nichts<lb/> bedeutenden vorſilbe, oder aus einem der hochdeutſchen<lb/> mundart beliebten kehlbuchſtaben, gar aus dem leeren<lb/> hauch (obgleich die quellen keiner zeit ha-, hi-, he- dar-<lb/> bieten) hervorgegangen ſei. Ge- hat zwar unter allen<lb/> unſern partikeln in den meiſten fällen die gelindeſte be-<lb/> deutung, eine dem abgeſtumpften gefühl unmerkbar ge-<lb/> wordene; aber es grenzt doch nahe an be- und ver-,<lb/> denen niemand den nahmen wahrer und ſelbſt praepo-<lb/> ſitionaler partikeln abſtreiten kann. Noch verſteckter und<lb/> ungefühlter iſt uns ja die kraft der ſ. 701. nachgewieſe-<lb/> nen ſ- und n-, die zur zeit der compoſition ganz leben-<lb/> dig geweſen ſein muß. Daraus daß vor verſchiedenen<lb/> wörtern der engliſchen und heutigen niederdeutſchen<lb/> volksſprache das ge- fehlt, die doch genau den ſinn der<lb/> hochdeutſchen ge-formen geben, darf man nicht unbe-<lb/> hutſam auf das bëdeutungsloſe der partikel ſchließen.<lb/> Sie kann auch unorganiſcherweiſe <hi rendition="#i">getilgt</hi> worden ſein,<lb/> wie theils die vergleichung der agſ. und altſ. ſprache<lb/> lehrt, deren gi-, ge- in ſolchen wörtern mit dem ahd. ein-<lb/> ſtimmen, theils aus der altengl. weſtphäl. und frieſ. entſtellung<lb/> des ge- in y-, je- und endlich -e ſichtbar folgt. Ein bloßes<lb/> e- konnte leicht wegfallen. Und wie wenn ſelbſt im<lb/> altn. die partikel weggefallen wäre? ich will zeigen,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [734/0752]
III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
unten bei der zuſ. ſetzung mit dem verbum, vor dem
nomen geſchieht es nicht; unabtrennbarkeit hat ſich alſo
auch hier vor dem nomen früher entſchieden. Was die
form betrifft, ſo entſpricht goth. ga- dem ſtrengahd. ka-,
wofür andere ga-, einige (über die lautverſchiebung hin-
aus, vgl. 1, 1071. zu 1, 185.) cha ſetzen. Das volle a in
dem goth. ga- und dem ka-, ga-, der frühſten ahd. denk-
mähler weiſt auf damalige betonung *), die ſpätere ſchwä-
chung in ahd. ki-, gi-, gë- altſ. gi-, agſ. ge- (d. i. ge-)
auf allmählige unbetonung, wie bei ar-, ir-, ër-; ant-,
int-, ënt- etc. (nie erſcheint gu-, go-, wie ur-, or-, for-).
Jede ihrer freien bewegung beraubte partikel büßt an
form, ton und bedeutung ein. Wäre ga- trennbar ge-
blieben, vielleicht praepoſition geworden, ſo hätte es nicht
weniger als pi, pî, du, tô, zuo, fra, frâ, ſelbſt vocal-
verlängerung erfahren mögen. Es ſcheint mir grund-
falſch die ſache ſo anzuſehen, als ob ga- aus einer nichts
bedeutenden vorſilbe, oder aus einem der hochdeutſchen
mundart beliebten kehlbuchſtaben, gar aus dem leeren
hauch (obgleich die quellen keiner zeit ha-, hi-, he- dar-
bieten) hervorgegangen ſei. Ge- hat zwar unter allen
unſern partikeln in den meiſten fällen die gelindeſte be-
deutung, eine dem abgeſtumpften gefühl unmerkbar ge-
wordene; aber es grenzt doch nahe an be- und ver-,
denen niemand den nahmen wahrer und ſelbſt praepo-
ſitionaler partikeln abſtreiten kann. Noch verſteckter und
ungefühlter iſt uns ja die kraft der ſ. 701. nachgewieſe-
nen ſ- und n-, die zur zeit der compoſition ganz leben-
dig geweſen ſein muß. Daraus daß vor verſchiedenen
wörtern der engliſchen und heutigen niederdeutſchen
volksſprache das ge- fehlt, die doch genau den ſinn der
hochdeutſchen ge-formen geben, darf man nicht unbe-
hutſam auf das bëdeutungsloſe der partikel ſchließen.
Sie kann auch unorganiſcherweiſe getilgt worden ſein,
wie theils die vergleichung der agſ. und altſ. ſprache
lehrt, deren gi-, ge- in ſolchen wörtern mit dem ahd. ein-
ſtimmen, theils aus der altengl. weſtphäl. und frieſ. entſtellung
des ge- in y-, je- und endlich -e ſichtbar folgt. Ein bloßes
e- konnte leicht wegfallen. Und wie wenn ſelbſt im
altn. die partikel weggefallen wäre? ich will zeigen,
*) ob ſich insgemein für alle zuſ. geſetzten partikeln die regel
ſtellen läßt, daß ihre älteſte a-form (ga-, ar-, far-, fra-, fram-,
ant- etc.) noch nie des tons verluſtig gehe, ſondern tieftonig ſei?
ich komme in den ſchlußanm, darauf zurück.
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