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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. subst. uneig. comp. -- subst. mit subst. gen.
hunds-kiaftr (rictus) hunda-laus (ricinus); land-nam (oc-
cupatio) lands-lag (natura loci); mann-slag (caedes) manns-
barn (homo, menschenkind); biarn-dyri (ursus) biarnar-
feldr (pellis ursina); bok-stafr, bokar-eidr (juramentum
per codicem sacrum); iard-bauar (terricolae) iardar-synir
(filii terrae); braud-gumi (sponsus) braudar-sveinn (nym-
phagogus); fe-giald (mulcta) fiar-hald (tutela); hand-grip,
handar-veif (umdrehen der hand); hel-för (mors) heljar-
skinn (cutis lurida mortuorum); sol-bruni (adustio solis)
solar-fall (occasus); natt-hrafn (nycticorax) nattar-thel
(conticinium); bog-madr (sagittarius) boga-strengr (ner-
vus); aug-lit (vultus) auga-blik (momentum) augna-fro
(pflanze, augentrost); kon-fang (matrimonium) konu-
briost (mamma); gang-raum (ambulacrum) göngu-madr
(mendicus). Alle eigentlichen zusammensetzungen laßen
sich nur selten genitivisch umschreiben, fast alle uneigentli-
chen gradezu in das subst. mit nachstehendem gen. um-
setzen, z. b. tags-licht, hungers-noth, ebers-zahn, landes-
herr, sonnen-untergang ist gleichviel mit licht des tages,
noth des hungers, zahn eines ebers, herr des landes,
untergang der sonne. Doch räume ich ein, daß diese
umsetzung genaugenommen dem früher ungebunden vor-
stehenden gen. entspricht, z. b. das mhd. diu gotes ere
gleich ist dem: diu ere gotes. Durch den eintritt wirk-
licher composition verliert allerdings der begriff einiges
von seiner bestimmtheit und je mehr er die natur eines
eigennamens anzieht, desto weiter entfernt er sich aus
dem genitivischen verhältnis; es würde unthunlich sein
für königs-berg, hasen-öhrlein zu sagen: der berg des
königs, das öhrlein des hasen. Ohnehin weiß man nicht
in jedem fall, welcher von beiden artikeln, der bestimmte
oder unbestimmte, nach nhd. unterscheidung, bei der
umschreibung angewendet werden muß, z. b. engels-
stimme wird nach den umständen bedeuten können bald
die st. des engels, bald die stimme eines engels. Es ist
auch nicht aus jeder mhd. genitivvorsetzung ein nhd.
uneig. comp. hervorgegangen (s. 609.).

3) berührung und mischung beider compositionsarten,
der eigentlichen und uneigentlichen, erfolgt entw. auf
natürliche weise, da, wo ihre grenzen aneinander stoßen,
oder unorganisch durch vcrwirrung der formen.

a) bei verzeichnung der eigentlichen comp. habe ich
verschiedentlich fälle namhaft gemacht, in welchen sie
mit uneigentlicher (d. h. ursprünglich mit freier genitiv-

III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
hunds-kiaftr (rictus) hunda-lûs (ricinus); land-nâm (oc-
cupatio) lands-lag (natura loci); mann-ſlag (caedes) manns-
barn (homo, menſchenkind); biarn-dŷri (urſus) biarnar-
feldr (pellis urſina); bôk-ſtafr, bôkar-eiðr (juramentum
per codicem ſacrum); iard-bûar (terricolae) iardar-ſynir
(filii terrae); brûd-gumi (ſponſus) brûdar-ſveinn (nym-
phagogus); fê-giald (mulcta) fiár-hald (tutela); hand-grip,
handar-veif (umdrehen der hand); hel-för (mors) heljar-
ſkinn (cutis lurida mortuorum); ſôl-bruni (aduſtio ſolis)
ſôlar-fall (occaſus); nâtt-hrafn (nycticorax) nâttar-þel
(conticinium); bog-madr (ſagittarius) boga-ſtrengr (ner-
vus); aug-lit (vultus) auga-blik (momentum) augna-frô
(pflanze, augentroſt); kon-fâng (matrimonium) konu-
brióſt (mamma); gâng-rûm (ambulacrum) göngu-madr
(mendicus). Alle eigentlichen zuſammenſetzungen laßen
ſich nur ſelten genitiviſch umſchreiben, faſt alle uneigentli-
chen gradezu in das ſubſt. mit nachſtehendem gen. um-
ſetzen, z. b. tags-licht, hungers-noth, ebers-zahn, landes-
herr, ſonnen-untergang iſt gleichviel mit licht des tages,
noth des hungers, zahn eines ebers, herr des landes,
untergang der ſonne. Doch räume ich ein, daß dieſe
umſetzung genaugenommen dem früher ungebunden vor-
ſtehenden gen. entſpricht, z. b. das mhd. diu gotes êre
gleich iſt dem: diu êre gotes. Durch den eintritt wirk-
licher compoſition verliert allerdings der begriff einiges
von ſeiner beſtimmtheit und je mehr er die natur eines
eigennamens anzieht, deſto weiter entfernt er ſich aus
dem genitiviſchen verhältnis; es würde unthunlich ſein
für königs-berg, haſen-öhrlein zu ſagen: der berg des
königs, das öhrlein des haſen. Ohnehin weiß man nicht
in jedem fall, welcher von beiden artikeln, der beſtimmte
oder unbeſtimmte, nach nhd. unterſcheidung, bei der
umſchreibung angewendet werden muß, z. b. engels-
ſtimme wird nach den umſtänden bedeuten können bald
die ſt. des engels, bald die ſtimme eines engels. Es iſt
auch nicht aus jeder mhd. genitivvorſetzung ein nhd.
uneig. comp. hervorgegangen (ſ. 609.).

3) berührung und miſchung beider compoſitionsarten,
der eigentlichen und uneigentlichen, erfolgt entw. auf
natürliche weiſe, da, wo ihre grenzen aneinander ſtoßen,
oder unorganiſch durch vcrwirrung der formen.

α) bei verzeichnung der eigentlichen comp. habe ich
verſchiedentlich fälle namhaft gemacht, in welchen ſie
mit uneigentlicher (d. h. urſprünglich mit freier genitiv-

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[612/0630] III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen. hunds-kiaftr (rictus) hunda-lûs (ricinus); land-nâm (oc- cupatio) lands-lag (natura loci); mann-ſlag (caedes) manns- barn (homo, menſchenkind); biarn-dŷri (urſus) biarnar- feldr (pellis urſina); bôk-ſtafr, bôkar-eiðr (juramentum per codicem ſacrum); iard-bûar (terricolae) iardar-ſynir (filii terrae); brûd-gumi (ſponſus) brûdar-ſveinn (nym- phagogus); fê-giald (mulcta) fiár-hald (tutela); hand-grip, handar-veif (umdrehen der hand); hel-för (mors) heljar- ſkinn (cutis lurida mortuorum); ſôl-bruni (aduſtio ſolis) ſôlar-fall (occaſus); nâtt-hrafn (nycticorax) nâttar-þel (conticinium); bog-madr (ſagittarius) boga-ſtrengr (ner- vus); aug-lit (vultus) auga-blik (momentum) augna-frô (pflanze, augentroſt); kon-fâng (matrimonium) konu- brióſt (mamma); gâng-rûm (ambulacrum) göngu-madr (mendicus). Alle eigentlichen zuſammenſetzungen laßen ſich nur ſelten genitiviſch umſchreiben, faſt alle uneigentli- chen gradezu in das ſubſt. mit nachſtehendem gen. um- ſetzen, z. b. tags-licht, hungers-noth, ebers-zahn, landes- herr, ſonnen-untergang iſt gleichviel mit licht des tages, noth des hungers, zahn eines ebers, herr des landes, untergang der ſonne. Doch räume ich ein, daß dieſe umſetzung genaugenommen dem früher ungebunden vor- ſtehenden gen. entſpricht, z. b. das mhd. diu gotes êre gleich iſt dem: diu êre gotes. Durch den eintritt wirk- licher compoſition verliert allerdings der begriff einiges von ſeiner beſtimmtheit und je mehr er die natur eines eigennamens anzieht, deſto weiter entfernt er ſich aus dem genitiviſchen verhältnis; es würde unthunlich ſein für königs-berg, haſen-öhrlein zu ſagen: der berg des königs, das öhrlein des haſen. Ohnehin weiß man nicht in jedem fall, welcher von beiden artikeln, der beſtimmte oder unbeſtimmte, nach nhd. unterſcheidung, bei der umſchreibung angewendet werden muß, z. b. engels- ſtimme wird nach den umſtänden bedeuten können bald die ſt. des engels, bald die ſtimme eines engels. Es iſt auch nicht aus jeder mhd. genitivvorſetzung ein nhd. uneig. comp. hervorgegangen (ſ. 609.). 3) berührung und miſchung beider compoſitionsarten, der eigentlichen und uneigentlichen, erfolgt entw. auf natürliche weiſe, da, wo ihre grenzen aneinander ſtoßen, oder unorganiſch durch vcrwirrung der formen. α) bei verzeichnung der eigentlichen comp. habe ich verſchiedentlich fälle namhaft gemacht, in welchen ſie mit uneigentlicher (d. h. urſprünglich mit freier genitiv-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/630>, abgerufen am 28.05.2024.