lehren den schw. gen. wasa-hiltaun. Ich will bei dieser gelegenheit eine vermuthung mittheilen, welche stracks wider die 1, 823 vorgetragene theorie stößt. Wie, wenn auch die deutschen subst. früher im allgemeinen jedes der doppelten decl. fähig gewesen wären, die für alle adj. geltend geblieben ist? wenn eben die composita da- von deutliche spuren zeigten? Die regel, daß das deut- sche adj. bei vorstehendem artikel schwach, alleinstehend stark decliniere, ist, mehrfacher ausnahmen ungeachtet, in unserer sprache fest gegründet. Nun setzt Ulf. Joh. 10, 3. dauravards (janitor) Joh. 18, 16 dauravardai (ja- nitrici), beidemahl starkformig, beidemahl steht kein ar- tikel, den doch der text hat o thuroros, te thuroro; gleich daneben 18, 17. heißt es aber thivi so dauravardo (e thuroros). Nicht anders K. 55a 56a ewarto (sacer- dotum) ohne art., 21b des ewartin. Wirkliche adj. sind diese composita darum noch gar nicht. sonst hätte K. ewar- tero gesagt und für jenes goth. dauravardai würde er turiwartu, nicht turiwarteru sagen. Späterhin muß der grundsatz, wenn er sich durch mehr belege aus der ältesten sprache bestätigt, in seiner reinheit freilich wie- der aufgegeben werden, denn schon O. verletzt ihn un- bedenklich, indem er ohne art. ewarto und mit art. ther duriwart gebraucht; ja die exh. (misc. 7. 8.) za suonutagin neben za suonutage, doch liest die cass. hs. merkwürdig za demo sonatagin, und dann za sonatage, wiederum misc. 2, 288 ze demu suonutakin; vgl. des feirtagen N. 37, 5. in veiritage 37, 8. Weitere ausfüh- rungen fügen sich nicht hierher.
10) nächst diesem schwanken zwischen beiderlei flexion herrscht nicht selten im zweiten wort unsicher- heit des geschlechts und der zutretenden oder wegblei- benden vocalischen ableitung -i; vgl. namentlich ahd. -pein und -peini, -leih und -leihi, -mahal und -mahali, neutra bald erster, bald zweiter decl.
11) auch das zweite wort pflegt in einigen fällen aus seiner sinnlichen bedeutung in eine allgemeine, ab- stracte überzugehen; dahin gehören -heit, -scaft, -tuom, ags. -räden allmählig in bloße ableitungssilben ausar- tend; ein geringerer grad von abgezogenheit findet statt bei -chunni, -leih, -mahal, -rat, -reih, -spil, -stap, -tac und noch einigen andern. Diese abstracta sind gegen- stücke zu den unter 7. angeführten ersten wörten. Beide theile desselben comp. können natürlich nicht zusammen
III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
lehren den ſchw. gen. waſa-hiltûn. Ich will bei dieſer gelegenheit eine vermuthung mittheilen, welche ſtracks wider die 1, 823 vorgetragene theorie ſtößt. Wie, wenn auch die deutſchen ſubſt. früher im allgemeinen jedes der doppelten decl. fähig geweſen wären, die für alle adj. geltend geblieben iſt? wenn eben die compoſita da- von deutliche ſpuren zeigten? Die regel, daß das deut- ſche adj. bei vorſtehendem artikel ſchwach, alleinſtehend ſtark decliniere, iſt, mehrfacher ausnahmen ungeachtet, in unſerer ſprache feſt gegründet. Nun ſetzt Ulf. Joh. 10, 3. daúravards (janitor) Joh. 18, 16 daúravardái (ja- nitrici), beidemahl ſtarkformig, beidemahl ſteht kein ar- tikel, den doch der text hat ὁ θυρωρός, τῇ θυρωρῷ; gleich daneben 18, 17. heißt es aber þivi ſô daúravardô (ἡ θυρωρός). Nicht anders K. 55a 56a êwartô (ſacer- dotum) ohne art., 21b dës êwartin. Wirkliche adj. ſind dieſe compoſita darum noch gar nicht. ſonſt hätte K. êwar- têrô geſagt und für jenes goth. daúravardái würde er turiwartu, nicht turiwartêru ſagen. Späterhin muß der grundſatz, wenn er ſich durch mehr belege aus der älteſten ſprache beſtätigt, in ſeiner reinheit freilich wie- der aufgegeben werden, denn ſchon O. verletzt ihn un- bedenklich, indem er ohne art. êwarto und mit art. thër duriwart gebraucht; ja die exh. (miſc. 7. 8.) za ſuonutagin neben za ſuonutage, doch lieſt die caſſ. hſ. merkwürdig za dëmo ſônatagin, und dann za ſônatage, wiederum miſc. 2, 288 zë dëmu ſuonutakin; vgl. dës fîrtagen N. 37, 5. in vîritage 37, 8. Weitere ausfüh- rungen fügen ſich nicht hierher.
10) nächſt dieſem ſchwanken zwiſchen beiderlei flexion herrſcht nicht ſelten im zweiten wort unſicher- heit des geſchlechts und der zutretenden oder wegblei- benden vocaliſchen ableitung -i; vgl. namentlich ahd. -pein und -peini, -leih und -leihi, -mahal und -mahali, neutra bald erſter, bald zweiter decl.
11) auch das zweite wort pflegt in einigen fällen aus ſeiner ſinnlichen bedeutung in eine allgemeine, ab- ſtracte überzugehen; dahin gehören -heit, -ſcaft, -tuom, agſ. -räden allmählig in bloße ableitungsſilben ausar- tend; ein geringerer grad von abgezogenheit findet ſtatt bei -chunni, -leih, -mahal, -rât, -rîh, -ſpil, -ſtap, -tac und noch einigen andern. Dieſe abſtracta ſind gegen- ſtücke zu den unter 7. angeführten erſten wörten. Beide theile deſſelben comp. können natürlich nicht zuſammen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0561"n="543"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">III. <hirendition="#i">ſubſt. eigentl. comp. —ſubſt. mit ſubſt.</hi></hi></fw><lb/>
lehren den ſchw. gen. waſa-hiltûn. Ich will bei dieſer<lb/>
gelegenheit eine vermuthung mittheilen, welche ſtracks<lb/>
wider die 1, 823 vorgetragene theorie ſtößt. Wie, wenn<lb/>
auch die deutſchen ſubſt. früher im allgemeinen jedes<lb/>
der doppelten decl. fähig geweſen wären, die für alle<lb/>
adj. geltend geblieben iſt? wenn eben die compoſita da-<lb/>
von deutliche ſpuren zeigten? Die regel, daß das deut-<lb/>ſche adj. bei vorſtehendem artikel ſchwach, alleinſtehend<lb/>ſtark decliniere, iſt, mehrfacher ausnahmen ungeachtet,<lb/>
in unſerer ſprache feſt gegründet. Nun ſetzt Ulf. Joh.<lb/>
10, 3. daúravards (janitor) Joh. 18, 16 daúravardái (ja-<lb/>
nitrici), beidemahl ſtarkformig, beidemahl ſteht kein ar-<lb/>
tikel, den doch der text hat <hirendition="#i">ὁθυρωρός, τῇθυρωρῷ;</hi><lb/>
gleich daneben 18, 17. heißt es aber þivi ſô daúravardô<lb/>
(<hirendition="#i">ἡθυρωρός</hi>). Nicht anders K. 55<hirendition="#sup">a</hi> 56<hirendition="#sup">a</hi> êwartô (ſacer-<lb/>
dotum) ohne art., 21<hirendition="#sup">b</hi> dës êwartin. Wirkliche adj. ſind<lb/>
dieſe compoſita darum noch gar nicht. ſonſt hätte K. êwar-<lb/>
têrô geſagt und für jenes goth. daúravardái würde er<lb/>
turiwartu, nicht turiwartêru ſagen. Späterhin muß der<lb/>
grundſatz, wenn er ſich durch mehr belege aus der<lb/>
älteſten ſprache beſtätigt, in ſeiner reinheit freilich wie-<lb/>
der aufgegeben werden, denn ſchon O. verletzt ihn un-<lb/>
bedenklich, indem er ohne art. êwarto und mit art.<lb/>
thër duriwart gebraucht; ja die exh. (miſc. 7. 8.) za<lb/>ſuonutagin neben za ſuonutage, doch lieſt die caſſ. hſ.<lb/>
merkwürdig za <hirendition="#i">dëmo</hi>ſônatagin, und dann za ſônatage,<lb/>
wiederum miſc. 2, 288 zë <hirendition="#i">dëmu</hi>ſuonutakin; vgl. <hirendition="#i">dës</hi><lb/>
fîrtagen N. 37, 5. in vîritage 37, 8. Weitere ausfüh-<lb/>
rungen fügen ſich nicht hierher.</p><lb/><p>10) nächſt dieſem ſchwanken zwiſchen beiderlei<lb/>
flexion herrſcht nicht ſelten im zweiten wort unſicher-<lb/>
heit des geſchlechts und der zutretenden oder wegblei-<lb/>
benden vocaliſchen ableitung -i; vgl. namentlich ahd.<lb/>
-pein und -peini, -leih und -leihi, -mahal und -mahali,<lb/>
neutra bald erſter, bald zweiter decl.</p><lb/><p>11) auch das zweite wort pflegt in einigen fällen<lb/>
aus ſeiner ſinnlichen bedeutung in eine <hirendition="#i">allgemeine</hi>, ab-<lb/>ſtracte überzugehen; dahin gehören -heit, -ſcaft, -tuom,<lb/>
agſ. -räden allmählig in bloße ableitungsſilben ausar-<lb/>
tend; ein geringerer grad von abgezogenheit findet ſtatt<lb/>
bei -chunni, -leih, -mahal, -rât, -rîh, -ſpil, -ſtap, -tac<lb/>
und noch einigen andern. Dieſe abſtracta ſind gegen-<lb/>ſtücke zu den unter 7. angeführten erſten wörten. Beide<lb/>
theile deſſelben comp. können natürlich nicht zuſammen<lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[543/0561]
III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
lehren den ſchw. gen. waſa-hiltûn. Ich will bei dieſer
gelegenheit eine vermuthung mittheilen, welche ſtracks
wider die 1, 823 vorgetragene theorie ſtößt. Wie, wenn
auch die deutſchen ſubſt. früher im allgemeinen jedes
der doppelten decl. fähig geweſen wären, die für alle
adj. geltend geblieben iſt? wenn eben die compoſita da-
von deutliche ſpuren zeigten? Die regel, daß das deut-
ſche adj. bei vorſtehendem artikel ſchwach, alleinſtehend
ſtark decliniere, iſt, mehrfacher ausnahmen ungeachtet,
in unſerer ſprache feſt gegründet. Nun ſetzt Ulf. Joh.
10, 3. daúravards (janitor) Joh. 18, 16 daúravardái (ja-
nitrici), beidemahl ſtarkformig, beidemahl ſteht kein ar-
tikel, den doch der text hat ὁ θυρωρός, τῇ θυρωρῷ;
gleich daneben 18, 17. heißt es aber þivi ſô daúravardô
(ἡ θυρωρός). Nicht anders K. 55a 56a êwartô (ſacer-
dotum) ohne art., 21b dës êwartin. Wirkliche adj. ſind
dieſe compoſita darum noch gar nicht. ſonſt hätte K. êwar-
têrô geſagt und für jenes goth. daúravardái würde er
turiwartu, nicht turiwartêru ſagen. Späterhin muß der
grundſatz, wenn er ſich durch mehr belege aus der
älteſten ſprache beſtätigt, in ſeiner reinheit freilich wie-
der aufgegeben werden, denn ſchon O. verletzt ihn un-
bedenklich, indem er ohne art. êwarto und mit art.
thër duriwart gebraucht; ja die exh. (miſc. 7. 8.) za
ſuonutagin neben za ſuonutage, doch lieſt die caſſ. hſ.
merkwürdig za dëmo ſônatagin, und dann za ſônatage,
wiederum miſc. 2, 288 zë dëmu ſuonutakin; vgl. dës
fîrtagen N. 37, 5. in vîritage 37, 8. Weitere ausfüh-
rungen fügen ſich nicht hierher.
10) nächſt dieſem ſchwanken zwiſchen beiderlei
flexion herrſcht nicht ſelten im zweiten wort unſicher-
heit des geſchlechts und der zutretenden oder wegblei-
benden vocaliſchen ableitung -i; vgl. namentlich ahd.
-pein und -peini, -leih und -leihi, -mahal und -mahali,
neutra bald erſter, bald zweiter decl.
11) auch das zweite wort pflegt in einigen fällen
aus ſeiner ſinnlichen bedeutung in eine allgemeine, ab-
ſtracte überzugehen; dahin gehören -heit, -ſcaft, -tuom,
agſ. -räden allmählig in bloße ableitungsſilben ausar-
tend; ein geringerer grad von abgezogenheit findet ſtatt
bei -chunni, -leih, -mahal, -rât, -rîh, -ſpil, -ſtap, -tac
und noch einigen andern. Dieſe abſtracta ſind gegen-
ſtücke zu den unter 7. angeführten erſten wörten. Beide
theile deſſelben comp. können natürlich nicht zuſammen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/561>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.