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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. th.
fem. der ith-form zur seite fast keine masc. duldet); goth.
weder ein fem. auf -otha, noch -oths, noch -othi. Auch
ahd. kein -oda, doch scheint doppelter misgriff ein -odei
herbeigeführt zu haben. Man nahm das organ. neutr.
aram-odi (paupertas) für ara-modi, ara-moti, d. h. für
ein compos. mit muot und setzte es nun ähnlichen fem.
zweiter decl. gleich, die aus adj. mit -muoti (animatus)
entspringen. Z. b. die adj. vast-muoti (constans) dio-
muoti (humilis) ein-muoti (concors) luzil-muoti (pusilla-
nimis) mihhil-muoti (magnanimus) heiß-muoti (iracundus)
laßen aus sich ebensoviel parallele fem. vast-muotei (con-
stantia) dio-muotei (humilitas) etc. ziehen. Das fehlerhafte
von ara-muotei (paupertas) mons. 336. O. II. 16, 3. III. 3,
28. 20, 81. fließt schon aus der abwesenheit eines adjecti-
vischen ara-muoti; was sollte es auch bedeuten? Inzwi-
schen begegne ich wirklich zuweilen der schreibung arm-
muati (O. III. 20, 81. cod. vind.) wodurch die echte ab-
leitung völlig verfinstert und ein ganz neues compos. er-
zeugt wird; auch N. wagt 68, 30. (nicht arm-muote, son-
dern) arm-muotig (pauper) und davon arm-muotigei (pau-
pertas), aber 71, 2. stehet armuotig. Das zweifache m
ist verwerflich, wie ein altn. armmodr f. armodr ver-
werflich wäre. -- Mhd. treten die bildungen -muete aus
der zweiten in die vierte decl., und nach den nom. die-
muot, über-muot bildete man auch einen nom. ar-muot,
gen. armuete. Mittlerzeit hatte man aber noch ein an-
deres org. neutrum -odi auf demselben wege ins fem.
verwandelt, das ahd. heim-odi (patria) erst in heimuoti,
heimmuoti, hein-muete, endlich in hein-muot Barl. 310,
6. 371, 36. 372, 7. Nib. 5520, wiewohl hier die wurzel
nauot noch weniger sinn gibt, als in ar-muot. Maria 50.
noch heim-ode: brode aber weiblich. -- Nhd. ist ar-muth
auf dem fuß von de-muth, groß-muth geblieben (nur
die volkssprache hat oft das richtigere arm-et, erm-et,
erm-edei), heimuth wieder aufgegeben, man sagt heim-
at (volksspr. heim-et, ham-et) wie zier-at. Zweiter decl.
folgen das mhd. ein-oete Barl. 372, 37. Trist. 1274. nhd.
ein-oede.

Außer diesen entstellten formen sind noch zu erwäh-
men: ahd. manak-otei (manus? copia?) mons. 343, schwer-
lich plur. masc. (f. manakodei), ob der nom. sg. -ot oder
-otei lautet? vielleicht manak-oti neutral?; mhd. gegen-
ote (regio, wie franz. contree, span. contrada) das sicher
fem., aber nur livl. 57b zu lesen ist, mnl. jeghen-ode,

III. conſonantiſche ableitungen. þ.
fem. der iþ-form zur ſeite faſt keine maſc. duldet); goth.
weder ein fem. auf -ôþa, noch -ôþs, noch -ôþi. Auch
ahd. kein -ôda, doch ſcheint doppelter misgriff ein -ôdî
herbeigeführt zu haben. Man nahm das organ. neutr.
aram-ôdi (paupertas) für ara-môdi, ara-môti, d. h. für
ein compoſ. mit muot und ſetzte es nun ähnlichen fem.
zweiter decl. gleich, die aus adj. mit -muoti (animatus)
entſpringen. Z. b. die adj. vaſt-muoti (conſtans) dio-
muoti (humilis) ein-muoti (concors) luzil-muoti (puſilla-
nimis) mihhil-muoti (magnanimus) heiƷ-muoti (iracundus)
laßen aus ſich ebenſoviel parallele fem. vaſt-muotî (con-
ſtantia) dio-muotî (humilitas) etc. ziehen. Das fehlerhafte
von ara-muotî (paupertas) monſ. 336. O. II. 16, 3. III. 3,
28. 20, 81. fließt ſchon aus der abweſenheit eines adjecti-
viſchen ara-muoti; was ſollte es auch bedeuten? Inzwi-
ſchen begegne ich wirklich zuweilen der ſchreibung arm-
muati (O. III. 20, 81. cod. vind.) wodurch die echte ab-
leitung völlig verfinſtert und ein ganz neues compoſ. er-
zeugt wird; auch N. wagt 68, 30. (nicht arm-muote, ſon-
dern) arm-muotig (pauper) und davon arm-muotigî (pau-
pertas), aber 71, 2. ſtehet armuotig. Das zweifache m
iſt verwerflich, wie ein altn. armmôðr f. armôðr ver-
werflich wäre. — Mhd. treten die bildungen -muete aus
der zweiten in die vierte decl., und nach den nom. die-
muot, über-muot bildete man auch einen nom. ar-muot,
gen. armuete. Mittlerzeit hatte man aber noch ein an-
deres org. neutrum -ôdi auf demſelben wege ins fem.
verwandelt, das ahd. heim-ôdi (patria) erſt in heimuoti,
heimmuoti, hein-muete, endlich in hein-muot Barl. 310,
6. 371, 36. 372, 7. Nib. 5520, wiewohl hier die wurzel
nauot noch weniger ſinn gibt, als in ar-muot. Maria 50.
noch heim-ôde: brôde aber weiblich. — Nhd. iſt ar-muth
auf dem fuß von dê-muth, groß-muth geblieben (nur
die volksſprache hat oft das richtigere arm-et, erm-et,
erm-edei), heimuth wieder aufgegeben, man ſagt heim-
àt (volksſpr. heim-et, hâm-et) wie zier-àt. Zweiter decl.
folgen das mhd. ein-œte Barl. 372, 37. Triſt. 1274. nhd.
ein-œde.

Außer dieſen entſtellten formen ſind noch zu erwäh-
men: ahd. manak-ôtî (manus? copia?) monſ. 343, ſchwer-
lich plur. maſc. (f. manakôdî), ob der nom. ſg. -ôt oder
-ôtî lautet? vielleicht manak-ôti neutral?; mhd. gegen-
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[256/0274] III. conſonantiſche ableitungen. þ. fem. der iþ-form zur ſeite faſt keine maſc. duldet); goth. weder ein fem. auf -ôþa, noch -ôþs, noch -ôþi. Auch ahd. kein -ôda, doch ſcheint doppelter misgriff ein -ôdî herbeigeführt zu haben. Man nahm das organ. neutr. aram-ôdi (paupertas) für ara-môdi, ara-môti, d. h. für ein compoſ. mit muot und ſetzte es nun ähnlichen fem. zweiter decl. gleich, die aus adj. mit -muoti (animatus) entſpringen. Z. b. die adj. vaſt-muoti (conſtans) dio- muoti (humilis) ein-muoti (concors) luzil-muoti (puſilla- nimis) mihhil-muoti (magnanimus) heiƷ-muoti (iracundus) laßen aus ſich ebenſoviel parallele fem. vaſt-muotî (con- ſtantia) dio-muotî (humilitas) etc. ziehen. Das fehlerhafte von ara-muotî (paupertas) monſ. 336. O. II. 16, 3. III. 3, 28. 20, 81. fließt ſchon aus der abweſenheit eines adjecti- viſchen ara-muoti; was ſollte es auch bedeuten? Inzwi- ſchen begegne ich wirklich zuweilen der ſchreibung arm- muati (O. III. 20, 81. cod. vind.) wodurch die echte ab- leitung völlig verfinſtert und ein ganz neues compoſ. er- zeugt wird; auch N. wagt 68, 30. (nicht arm-muote, ſon- dern) arm-muotig (pauper) und davon arm-muotigî (pau- pertas), aber 71, 2. ſtehet armuotig. Das zweifache m iſt verwerflich, wie ein altn. armmôðr f. armôðr ver- werflich wäre. — Mhd. treten die bildungen -muete aus der zweiten in die vierte decl., und nach den nom. die- muot, über-muot bildete man auch einen nom. ar-muot, gen. armuete. Mittlerzeit hatte man aber noch ein an- deres org. neutrum -ôdi auf demſelben wege ins fem. verwandelt, das ahd. heim-ôdi (patria) erſt in heimuoti, heimmuoti, hein-muete, endlich in hein-muot Barl. 310, 6. 371, 36. 372, 7. Nib. 5520, wiewohl hier die wurzel nauot noch weniger ſinn gibt, als in ar-muot. Maria 50. noch heim-ôde: brôde aber weiblich. — Nhd. iſt ar-muth auf dem fuß von dê-muth, groß-muth geblieben (nur die volksſprache hat oft das richtigere arm-et, erm-et, erm-edei), heimuth wieder aufgegeben, man ſagt heim- àt (volksſpr. heim-et, hâm-et) wie zier-àt. Zweiter decl. folgen das mhd. ein-œte Barl. 372, 37. Triſt. 1274. nhd. ein-œde. Außer dieſen entſtellten formen ſind noch zu erwäh- men: ahd. manak-ôtî (manus? copia?) monſ. 343, ſchwer- lich plur. maſc. (f. manakôdî), ob der nom. ſg. -ôt oder -ôtî lautet? vielleicht manak-ôti neutral?; mhd. gegen- ôte (regio, wie franz. contrée, ſpan. contrada) das ſicher fem., aber nur livl. 57b zu leſen iſt, mnl. jeghen-ode,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/274>, abgerufen am 10.05.2024.