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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. th.
fah-edais, dat. fah-edai, Marc. 4, 16. Luc. 1, 14. Joh. 15,
11. 16, 21, 24; av-ethi (ovile eig. poimne) Joh. 10, 16, zu
nehmen habe, für parallel dem ahd. a oder ei? Er wech-
selt mit ei: fah-eid Luc. 2, 10. fah-eidai Luc. 8, 13, wie
veisun, seiths f. vesun, seths (1, 36. 844.) ahd. warun, sat und
vgl. altn. fagnadr, das wohl fagnadr war (unten s. 255).
Da aber auch goth. e in i übergeht (spille, spilli) und ei
mit i vertauscht wird (gabeigs, gabigs), so verdient das
ahd. ei rücksicht. Ich wüste nun für hd. ableitungen -ad kaum
etwas vorzubringen (denn die s. 233. 235. abgehandelten
ad, ada entspringen aus ah-ad), es wären denn die mhd.
femiuina wehsel-at (vicissitudo) marter-at (martyrium),
wie sie in der nikolsburger hs. des (nicht von Rud. ge-
dichteten) passionals stehen *) und etwa den fremden wör-
tern trinitat, nativitat etc. analog gebildet scheinen. Mehr
gewicht für goth. ei = ahd. ei hat hier das ahd. ouw-eiti
(caula) doc. 227b ew-eit, ew-eiti (so l. für eutti) grex, T.
6, 1. 53, 9. nämlich ouw, ew verhalten sich zum goth.
av (die lesart aivethi ist ganz falsch) wie houwi, hewi zu
havi; daß ouweiti, eweiti f. organ. ouweidi, eweidi stehe, be-
weist das goth. th. Auch schwanken die ags. eov-ed,
eov-od, eov-d (grex, ovile) zwischen d und d, die be-
schaffenheit des ags. vocals e, o wage ich nicht zu be-
stimmen.


[OOth] diese ableitungen sind wieder zahlreicher; der
ahd. vocal schwankt zwischen o und uo, der ags. zwi-
schen o und a (oder ist auch kurzes o, a statthaft?)

1) substantiva,

a) starke masculina
goth. men-oths (mensis) und nach dritter auhj-odus (tu-
multus) f. auhj-othus; ga-baurj-othus (voluptas). --

ahd. ziemlich viele, doch kann ich nicht für alle das
geschlecht sichern, einzelne gelten bei verschiednen schrift-
stellern neutral, auslautend wird zumahl später ein unorg.
-t statt -d geschrieben, alle bedeuten handlungen, zu-
stände, nie personen (wie die auf -id): arn-od (messis)
N. 88, 36; chepis-od (pellicatus) mons. 322; cherr-od
(stridor) doc. 205b; chizil-od (titillatio) mons. 413; chlak-
od (querimonia) der gen. chlag-idis N. 101, 28. ist assimi-
liert; dras-od (sternulatio) doc. 208b steht für drahis-od;

*) Wien. lit. zeit. 1816. p. 164. 173. einigemahl; die meinunger
hs. liest merteler rat (grundr. p. 264.).

III. conſonantiſche ableitungen. þ.
fah-êdáis, dat. fah-êdái, Marc. 4, 16. Luc. 1, 14. Joh. 15,
11. 16, 21, 24; av-êþi (ovile eig. ποίμνη) Joh. 10, 16, zu
nehmen habe, für parallel dem ahd. â oder î? Er wech-
ſelt mit ei: fah-eid Luc. 2, 10. fah-eidái Luc. 8, 13, wie
veiſun, ſeiþs f. vêſun, ſêþs (1, 36. 844.) ahd. wârun, ſât und
vgl. altn. fagnaðr, das wohl fagnâðr war (unten ſ. 255).
Da aber auch goth. ê in i übergeht (ſpillê, ſpilli) und ei
mit i vertauſcht wird (gabeigs, gabigs), ſo verdient das
ahd. î rückſicht. Ich wüſte nun für hd. ableitungen -âd kaum
etwas vorzubringen (denn die ſ. 233. 235. abgehandelten
âd, âda entſpringen aus ah-ad), es wären denn die mhd.
femiuina wëhſel-ât (viciſſitudo) marter-ât (martyrium),
wie ſie in der nikolsburger hſ. des (nicht von Rud. ge-
dichteten) paſſionals ſtehen *) und etwa den fremden wör-
tern trinitât, nativitât etc. analog gebildet ſcheinen. Mehr
gewicht für goth. ei = ahd. î hat hier das ahd. ouw-îti
(caula) doc. 227b ew-ît, ew-îti (ſo l. für eutti) grex, T.
6, 1. 53, 9. nämlich ouw, ew verhalten ſich zum goth.
av (die leſart aiveþi iſt ganz falſch) wie houwi, hewi zu
havi; daß ouwîti, ewîti f. organ. ouwîdi, ewîdi ſtehe, be-
weiſt das goth. þ. Auch ſchwanken die agſ. ëov-ed,
ëov-od, eov-ð (grex, ovile) zwiſchen d und ð, die be-
ſchaffenheit des agſ. vocals e, o wage ich nicht zu be-
ſtimmen.


[OOþ] dieſe ableitungen ſind wieder zahlreicher; der
ahd. vocal ſchwankt zwiſchen ô und uo, der agſ. zwi-
ſchen ô und â (oder iſt auch kurzes o, a ſtatthaft?)

1) ſubſtantiva,

α) ſtarke maſculina
goth. mên-ôþs (menſis) und nach dritter aúhj-ôdus (tu-
multus) f. aúhj-ôþus; ga-baúrj-ôþus (voluptas). —

ahd. ziemlich viele, doch kann ich nicht für alle das
geſchlecht ſichern, einzelne gelten bei verſchiednen ſchrift-
ſtellern neutral, auslautend wird zumahl ſpäter ein unorg.
-t ſtatt -d geſchrieben, alle bedeuten handlungen, zu-
ſtände, nie perſonen (wie die auf -id): arn-ôd (meſſis)
N. 88, 36; chepiſ-ôd (pellicatus) monſ. 322; chërr-ôd
(ſtridor) doc. 205b; chizil-ôd (titillatio) monſ. 413; chlak-
ôd (querimonia) der gen. chlag-idis N. 101, 28. iſt aſſimi-
liert; drâſ-ôd (ſternulatio) doc. 208b ſteht für drâhiſ-ôd;

*) Wien. lit. zeit. 1816. p. 164. 173. einigemahl; die meinunger
hſ. lieſt merteler rât (grundr. p. 264.).
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[252/0270] III. conſonantiſche ableitungen. þ. fah-êdáis, dat. fah-êdái, Marc. 4, 16. Luc. 1, 14. Joh. 15, 11. 16, 21, 24; av-êþi (ovile eig. ποίμνη) Joh. 10, 16, zu nehmen habe, für parallel dem ahd. â oder î? Er wech- ſelt mit ei: fah-eid Luc. 2, 10. fah-eidái Luc. 8, 13, wie veiſun, ſeiþs f. vêſun, ſêþs (1, 36. 844.) ahd. wârun, ſât und vgl. altn. fagnaðr, das wohl fagnâðr war (unten ſ. 255). Da aber auch goth. ê in i übergeht (ſpillê, ſpilli) und ei mit i vertauſcht wird (gabeigs, gabigs), ſo verdient das ahd. î rückſicht. Ich wüſte nun für hd. ableitungen -âd kaum etwas vorzubringen (denn die ſ. 233. 235. abgehandelten âd, âda entſpringen aus ah-ad), es wären denn die mhd. femiuina wëhſel-ât (viciſſitudo) marter-ât (martyrium), wie ſie in der nikolsburger hſ. des (nicht von Rud. ge- dichteten) paſſionals ſtehen *) und etwa den fremden wör- tern trinitât, nativitât etc. analog gebildet ſcheinen. Mehr gewicht für goth. ei = ahd. î hat hier das ahd. ouw-îti (caula) doc. 227b ew-ît, ew-îti (ſo l. für eutti) grex, T. 6, 1. 53, 9. nämlich ouw, ew verhalten ſich zum goth. av (die leſart aiveþi iſt ganz falſch) wie houwi, hewi zu havi; daß ouwîti, ewîti f. organ. ouwîdi, ewîdi ſtehe, be- weiſt das goth. þ. Auch ſchwanken die agſ. ëov-ed, ëov-od, eov-ð (grex, ovile) zwiſchen d und ð, die be- ſchaffenheit des agſ. vocals e, o wage ich nicht zu be- ſtimmen. [OOþ] dieſe ableitungen ſind wieder zahlreicher; der ahd. vocal ſchwankt zwiſchen ô und uo, der agſ. zwi- ſchen ô und â (oder iſt auch kurzes o, a ſtatthaft?) 1) ſubſtantiva, α) ſtarke maſculina goth. mên-ôþs (menſis) und nach dritter aúhj-ôdus (tu- multus) f. aúhj-ôþus; ga-baúrj-ôþus (voluptas). — ahd. ziemlich viele, doch kann ich nicht für alle das geſchlecht ſichern, einzelne gelten bei verſchiednen ſchrift- ſtellern neutral, auslautend wird zumahl ſpäter ein unorg. -t ſtatt -d geſchrieben, alle bedeuten handlungen, zu- ſtände, nie perſonen (wie die auf -id): arn-ôd (meſſis) N. 88, 36; chepiſ-ôd (pellicatus) monſ. 322; chërr-ôd (ſtridor) doc. 205b; chizil-ôd (titillatio) monſ. 413; chlak- ôd (querimonia) der gen. chlag-idis N. 101, 28. iſt aſſimi- liert; drâſ-ôd (ſternulatio) doc. 208b ſteht für drâhiſ-ôd; *) Wien. lit. zeit. 1816. p. 164. 173. einigemahl; die meinunger hſ. lieſt merteler rât (grundr. p. 264.).

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/270>, abgerufen am 10.05.2024.