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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. T.

2) geht dem f-t, s-t, h-t noch ein andrer wurzelhaf-
ter consonant (und es kann nur liquida oder spirans sein)
voraus, so ist das f, s und h der eigentlichen wurzel
fremd und scheint selbst ableiterisch. Die hier in be-
tracht kommenden formeln sind mft, lft, rft, lst, mst,
nst, rst, hst, lht, rht; ich unterscheide

a) die erste ableitung hat sich mit der wurzel so enge
verbunden, daß sie ablautend geworden ist; hier tritt das
-t der ablautenden formel ganz wie unter 1. hinzu, folg-
lich: rimpan, ramft; hvilban, hvilftri; hvairban, huurft;
thaurban, durft; thinsan, dunst; thairsan, durst (zum be-
weis, daß man auch ahd. früher dursi f. durri gesagt
hat); vahsan, vahstus; ahsan, ohsta; bilgan, gi-bulht;
vairkan (?) vaurhts.

b) in einigen fällen vermuthe ich solche ablautsfor-
formeln, kann sie aber nicht belegen; so scheint mir
maihstus (fimus) ahd. misit, mist f. mihst *), ein verbum
maihsan (nr. 632.) zu fordern, welches (wie thaihsan s. 71.
auf theihan) wahrscheinlich auf nr. 190. meigan oder viel-
leicht richtiger meihan (mejere, mingere) zurückweist.
Nicht anders gehört vaihsta (angulus) verglichen mit veihs
und wehsal (lat. vicus, vices) zu einem verlornen vaih-
san (nr. 633). Das goth. thrafstjan leite ich von thrifsan?
thrafsan? und dieses von thraban. perht, zorht begehren
ein starkes verbum bairhan, tairhan; faurhts ein fairhan;
worst, gramst, galstar, banst (neben banse) runst (neben
runs) ein vairsan (später werren, nr. 429.) grimsan, gil-
san, binsan, rinsan? und sind daraus wirrsal, rinnsal
(oben s. 107.) zu erklären, wie irrsal aus goth. airzis
(ahd. irri, früher irsi)? Weiteres unten beim S.

c) anderemahl kann aber auch das f und s (von h
weiß ich kein beispiel) unorganisch eingeschoben sein,
weil sich f gern mit m, s mit n verbindet. Dahin ge-
hören chumft, zumft, numft, sumft von qviman, timan,
niman, svimman, denn Ulfilas sagt noch numts, nicht
numsts, jedoch qvumths, welches für qvumfts stehen
könnte, wie im anlaute thl, thr sich mit fl, fr berühren
(1, 66.) und svumfsl, svumsl. Hier ist schwerlich ein
qvimpan, timpan, nimpan, svimpan dazwischen. Bei-
spiele des eingefloßenen s: anst, chunst, prunst, unst,
gunst, kispanst, gespinst, gewinst, beginst, geschwulst von

*) ags. (ohne ableitendes -t) mix = mihs (wie fox; fuhs);
vgl. mix-en (stercorarium) ahd. mist-unnea.
O
III. conſonantiſche ableitungen. T.

2) geht dem f-t, ſ-t, h-t noch ein andrer wurzelhaf-
ter conſonant (und es kann nur liquida oder ſpirans ſein)
voraus, ſo iſt das f, ſ und h der eigentlichen wurzel
fremd und ſcheint ſelbſt ableiteriſch. Die hier in be-
tracht kommenden formeln ſind mft, lft, rft, lſt, mſt,
nſt, rſt, hſt, lht, rht; ich unterſcheide

a) die erſte ableitung hat ſich mit der wurzel ſo enge
verbunden, daß ſie ablautend geworden iſt; hier tritt das
-t der ablautenden formel ganz wie unter 1. hinzu, folg-
lich: rimpan, ramft; hvilban, hvilftri; hvaírban, huurft;
þaúrban, durft; þinſan, dunſt; þaírſan, durſt (zum be-
weis, daß man auch ahd. früher durſi f. durri geſagt
hat); vahſan, vahſtus; ahſan, ôhſta; bilgan, gi-bulht;
vaírkan (?) vaurhts.

b) in einigen fällen vermuthe ich ſolche ablautsfor-
formeln, kann ſie aber nicht belegen; ſo ſcheint mir
maíhſtus (fimus) ahd. miſit, miſt f. mihſt *), ein verbum
maíhſan (nr. 632.) zu fordern, welches (wie þaíhſan ſ. 71.
auf þeihan) wahrſcheinlich auf nr. 190. meigan oder viel-
leicht richtiger meihan (mejere, mingere) zurückweiſt.
Nicht anders gehört vaíhſta (angulus) verglichen mit veihs
und wëhſal (lat. vicus, vices) zu einem verlornen vaíh-
ſan (nr. 633). Das goth. þrafſtjan leite ich von þrifſan?
þrafſan? und dieſes von þraban. përht, zorht begehren
ein ſtarkes verbum baírhan, taírhan; faúrhts ein faírhan;
worſt, gramſt, galſtar, banſt (neben banſe) runſt (neben
runs) ein vaírſan (ſpäter wërren, nr. 429.) grimſan, gil-
ſan, binſan, rinſan? und ſind daraus wirrſal, rinnſal
(oben ſ. 107.) zu erklären, wie irrſal aus goth. aírzis
(ahd. irri, früher irſi)? Weiteres unten beim S.

c) anderemahl kann aber auch das f und ſ (von h
weiß ich kein beiſpiel) unorganiſch eingeſchoben ſein,
weil ſich f gern mit m, ſ mit n verbindet. Dahin ge-
hören chumft, zumft, numft, ſumft von qviman, timan,
niman, ſvimman, denn Ulfilas ſagt noch numts, nicht
numſts, jedoch qvumþs, welches für qvumfts ſtehen
könnte, wie im anlaute þl, þr ſich mit fl, fr berühren
(1, 66.) und ſvumfſl, ſvumſl. Hier iſt ſchwerlich ein
qvimpan, timpan, nimpan, ſvimpan dazwiſchen. Bei-
ſpiele des eingefloßenen ſ: anſt, chunſt, prunſt, unſt,
gunſt, kiſpanſt, geſpinſt, gewinſt, beginſt, geſchwulſt von

*) agſ. (ohne ableitendes -t) mix = mihs (wie fox; fuhs);
vgl. mix-en (ſtercorarium) ahd. miſt-unnea.
O
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[209/0227] III. conſonantiſche ableitungen. T. 2) geht dem f-t, ſ-t, h-t noch ein andrer wurzelhaf- ter conſonant (und es kann nur liquida oder ſpirans ſein) voraus, ſo iſt das f, ſ und h der eigentlichen wurzel fremd und ſcheint ſelbſt ableiteriſch. Die hier in be- tracht kommenden formeln ſind mft, lft, rft, lſt, mſt, nſt, rſt, hſt, lht, rht; ich unterſcheide a) die erſte ableitung hat ſich mit der wurzel ſo enge verbunden, daß ſie ablautend geworden iſt; hier tritt das -t der ablautenden formel ganz wie unter 1. hinzu, folg- lich: rimpan, ramft; hvilban, hvilftri; hvaírban, huurft; þaúrban, durft; þinſan, dunſt; þaírſan, durſt (zum be- weis, daß man auch ahd. früher durſi f. durri geſagt hat); vahſan, vahſtus; ahſan, ôhſta; bilgan, gi-bulht; vaírkan (?) vaurhts. b) in einigen fällen vermuthe ich ſolche ablautsfor- formeln, kann ſie aber nicht belegen; ſo ſcheint mir maíhſtus (fimus) ahd. miſit, miſt f. mihſt *), ein verbum maíhſan (nr. 632.) zu fordern, welches (wie þaíhſan ſ. 71. auf þeihan) wahrſcheinlich auf nr. 190. meigan oder viel- leicht richtiger meihan (mejere, mingere) zurückweiſt. Nicht anders gehört vaíhſta (angulus) verglichen mit veihs und wëhſal (lat. vicus, vices) zu einem verlornen vaíh- ſan (nr. 633). Das goth. þrafſtjan leite ich von þrifſan? þrafſan? und dieſes von þraban. përht, zorht begehren ein ſtarkes verbum baírhan, taírhan; faúrhts ein faírhan; worſt, gramſt, galſtar, banſt (neben banſe) runſt (neben runs) ein vaírſan (ſpäter wërren, nr. 429.) grimſan, gil- ſan, binſan, rinſan? und ſind daraus wirrſal, rinnſal (oben ſ. 107.) zu erklären, wie irrſal aus goth. aírzis (ahd. irri, früher irſi)? Weiteres unten beim S. c) anderemahl kann aber auch das f und ſ (von h weiß ich kein beiſpiel) unorganiſch eingeſchoben ſein, weil ſich f gern mit m, ſ mit n verbindet. Dahin ge- hören chumft, zumft, numft, ſumft von qviman, timan, niman, ſvimman, denn Ulfilas ſagt noch numts, nicht numſts, jedoch qvumþs, welches für qvumfts ſtehen könnte, wie im anlaute þl, þr ſich mit fl, fr berühren (1, 66.) und ſvumfſl, ſvumſl. Hier iſt ſchwerlich ein qvimpan, timpan, nimpan, ſvimpan dazwiſchen. Bei- ſpiele des eingefloßenen ſ: anſt, chunſt, prunſt, unſt, gunſt, kiſpanſt, geſpinſt, gewinſt, beginſt, geſchwulſt von *) agſ. (ohne ableitendes -t) mix = mihs (wie fox; fuhs); vgl. mix-en (ſtercorarium) ahd. miſt-unnea. O

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/227>, abgerufen am 28.04.2024.