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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. N.
begriff zu zeugen. Man könnte zwar darauf verfallen,
einige derselben aus dem starken part. praet. und ihr -n
aus dem participialen -an zu deuten, namentlich vaknan
aus vakans nr. 93.; lifnan aus libans nr. 130.; gutnan aus
gutans nr. 220.; luknan aus lukans nr. 255.; bundnan aus
bundans m. 382. Da aber, wie eben gezeigt worden ist.
das a sonst im goth. part. -an nicht wegzufallen pflegt;
so müste befremden, warum nicht auch vakanan, libanan,
gutanan, lukanan, bundanan, gälte? Ohnehin schickt sich
bei den wenigsten der vocal zum part. praet., viele ha-
ben langen (z. b. geisnan, hailnan) oder andern dem par-
ticipialablaut widerstrebenden (z. b. svinthnan). Die inei-
slen scheinen aus adj. zu entspringen, namentlich ga-hail-
nan, ga-dauth-nan, veih-nan, svinth-nan, ga-qviu-nan;
ga-sull-nan, af-dumb-nan, ga-hast-nan, obgleich bei and-
bund-nan, us-gut-nan, geis-nan, dis-taur-nan fra-qvist-
nan kein adj. nachzuweisen ist. Am sichersten leitet man
sie daher bloß von dem starken stamm, wie geis-nan von
nr. 511; ga-bat-nan von nr. 476. etc. fraih-nan (1, 855.)
gehört auch in ihre reihe, zeugt aber kein praet. fraih-
noda, sondern nimmt es vom stamme fraihan *). -- Wenn
auch einige ahd. verba ein solches ableitungs-an besäßen
(1, 887.) so steht doch bis jetzt ihr starkes praes., noch
weniger ihr praet. auf anota nicht zu erweisen, ja sie
scheinen dritter schwacher conj. --

b) schwache verba erster conj.; hier steckt das -n,
an immer schon im nomen etc. aus dem sie abgeleitet
werden.

goth. ib-njan (aequare); haur-njan (tuba canere);
laug-njan (insiciari); rah-njan (computare); für rak-njan?
rig-njan (pluere); sveg-njan (exultare). --

ahd. dur-njan, pi-dur-njan (spinis cingere) O. IV. 23,
11.; kak-anjan (obviare) K. 57b O. IV. 5, 36. N. 73, 4.;

*) diese verba laßen in die wortbildung etwas tiefer schauen.
Wo sich das ableitende -n so innig zur wurzel fügte, daß eine
ablautsformel aufkommen konnte, entsprang ein völlig starkes ver-
bum, z. b. ur. 111. ahd. cheinan, chein, während im goth. viel-
leicht die nachwirkung der ausgeworsnen s. (vorhin s. 147. note)
ein praet. kain hinderte und nur keinoda verstattete. Die vermu-
theten skairnan, kairnau, hairnan, fairnan, nr. 612-615. würden
ebenso entspringen. Aber in den meisten fällen, z. b. svinthnan,
fullnan, gutnan konnte sich das -n nicht eng anschließen, folglich
kein neues starkes verbum ablautmäßig gestaltet werden. Die
Augelsachsen duldeten aber sogar ein starkes frägn, fran (1, 910.)

III. conſonantiſche ableitungen. N.
begriff zu zeugen. Man könnte zwar darauf verfallen,
einige derſelben aus dem ſtarken part. praet. und ihr -n
aus dem participialen -an zu deuten, namentlich vaknan
aus vakans nr. 93.; lifnan aus libans nr. 130.; gutnan aus
gutans nr. 220.; luknan aus lukans nr. 255.; bundnan aus
bundans m. 382. Da aber, wie eben gezeigt worden iſt.
das a ſonſt im goth. part. -an nicht wegzufallen pflegt;
ſo müſte befremden, warum nicht auch vakanan, libanan,
gutanan, lukanan, bundanan, gälte? Ohnehin ſchickt ſich
bei den wenigſten der vocal zum part. praet., viele ha-
ben langen (z. b. geiſnan, hailnan) oder andern dem par-
ticipialablaut widerſtrebenden (z. b. ſvinþnan). Die inei-
ſlen ſcheinen aus adj. zu entſpringen, namentlich ga-háil-
nan, ga-dáuþ-nan, veih-nan, ſvinþ-nan, ga-qviu-nan;
ga-ſull-nan, af-dumb-nan, ga-haſt-nan, obgleich bei and-
bund-nan, us-gut-nan, geiſ-nan, dis-taúr-nan fra-qviſt-
nan kein adj. nachzuweiſen iſt. Am ſicherſten leitet man
ſie daher bloß von dem ſtarken ſtamm, wie geiſ-nan von
nr. 511; ga-bat-nan von nr. 476. etc. fraíh-nan (1, 855.)
gehört auch in ihre reihe, zeugt aber kein praet. fráíh-
nôda, ſondern nimmt es vom ſtamme fraíhan *). — Wenn
auch einige ahd. verba ein ſolches ableitungs-an beſäßen
(1, 887.) ſo ſteht doch bis jetzt ihr ſtarkes praeſ., noch
weniger ihr praet. auf anôta nicht zu erweiſen, ja ſie
ſcheinen dritter ſchwacher conj. —

β) ſchwache verba erſter conj.; hier ſteckt das -n,
an immer ſchon im nomen etc. aus dem ſie abgeleitet
werden.

goth. ïb-njan (aequare); haúr-njan (tuba canere);
láug-njan (inſiciari); rah-njan (computare); für rak-njan?
rig-njan (pluere); ſvêg-njan (exultare). —

ahd. dur-njan, pi-dur-njan (ſpinis cingere) O. IV. 23,
11.; kak-anjan (obviare) K. 57b O. IV. 5, 36. N. 73, 4.;

*) dieſe verba laßen in die wortbildung etwas tiefer ſchauen.
Wo ſich das ableitende -n ſo innig zur wurzel fügte, daß eine
ablautsformel aufkommen konnte, entſprang ein völlig ſtarkes ver-
bum, z. b. ur. 111. ahd. chînan, chein, während im goth. viel-
leicht die nachwirkung der ausgeworſnen ſ. (vorhin ſ. 147. note)
ein praet. káin hinderte und nur keinôda verſtattete. Die vermu-
theten ſkairnan, kairnau, hairnan, fairnan, nr. 612-615. würden
ebenſo entſpringen. Aber in den meiſten fällen, z. b. ſvinþnan,
fullnan, gutnan konnte ſich das -n nicht eng anſchließen, folglich
kein neues ſtarkes verbum ablautmäßig geſtaltet werden. Die
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[167/0185] III. conſonantiſche ableitungen. N. begriff zu zeugen. Man könnte zwar darauf verfallen, einige derſelben aus dem ſtarken part. praet. und ihr -n aus dem participialen -an zu deuten, namentlich vaknan aus vakans nr. 93.; lifnan aus libans nr. 130.; gutnan aus gutans nr. 220.; luknan aus lukans nr. 255.; bundnan aus bundans m. 382. Da aber, wie eben gezeigt worden iſt. das a ſonſt im goth. part. -an nicht wegzufallen pflegt; ſo müſte befremden, warum nicht auch vakanan, libanan, gutanan, lukanan, bundanan, gälte? Ohnehin ſchickt ſich bei den wenigſten der vocal zum part. praet., viele ha- ben langen (z. b. geiſnan, hailnan) oder andern dem par- ticipialablaut widerſtrebenden (z. b. ſvinþnan). Die inei- ſlen ſcheinen aus adj. zu entſpringen, namentlich ga-háil- nan, ga-dáuþ-nan, veih-nan, ſvinþ-nan, ga-qviu-nan; ga-ſull-nan, af-dumb-nan, ga-haſt-nan, obgleich bei and- bund-nan, us-gut-nan, geiſ-nan, dis-taúr-nan fra-qviſt- nan kein adj. nachzuweiſen iſt. Am ſicherſten leitet man ſie daher bloß von dem ſtarken ſtamm, wie geiſ-nan von nr. 511; ga-bat-nan von nr. 476. etc. fraíh-nan (1, 855.) gehört auch in ihre reihe, zeugt aber kein praet. fráíh- nôda, ſondern nimmt es vom ſtamme fraíhan *). — Wenn auch einige ahd. verba ein ſolches ableitungs-an beſäßen (1, 887.) ſo ſteht doch bis jetzt ihr ſtarkes praeſ., noch weniger ihr praet. auf anôta nicht zu erweiſen, ja ſie ſcheinen dritter ſchwacher conj. — β) ſchwache verba erſter conj.; hier ſteckt das -n, an immer ſchon im nomen etc. aus dem ſie abgeleitet werden. goth. ïb-njan (aequare); haúr-njan (tuba canere); láug-njan (inſiciari); rah-njan (computare); für rak-njan? rig-njan (pluere); ſvêg-njan (exultare). — ahd. dur-njan, pi-dur-njan (ſpinis cingere) O. IV. 23, 11.; kak-anjan (obviare) K. 57b O. IV. 5, 36. N. 73, 4.; *) dieſe verba laßen in die wortbildung etwas tiefer ſchauen. Wo ſich das ableitende -n ſo innig zur wurzel fügte, daß eine ablautsformel aufkommen konnte, entſprang ein völlig ſtarkes ver- bum, z. b. ur. 111. ahd. chînan, chein, während im goth. viel- leicht die nachwirkung der ausgeworſnen ſ. (vorhin ſ. 147. note) ein praet. káin hinderte und nur keinôda verſtattete. Die vermu- theten ſkairnan, kairnau, hairnan, fairnan, nr. 612-615. würden ebenſo entſpringen. Aber in den meiſten fällen, z. b. ſvinþnan, fullnan, gutnan konnte ſich das -n nicht eng anſchließen, folglich kein neues ſtarkes verbum ablautmäßig geſtaltet werden. Die Augelſachſen duldeten aber ſogar ein ſtarkes frägn, fran (1, 910.)

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/185>, abgerufen am 27.04.2024.