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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. mittelhochd. conjugation.
bald die wurzelsilbe lang ist (s. 374. vergl. den dat. pl.
meiden f. meidenen s. 669.) z. b. offen (aperire) wafen
(armare) alth. ofanon, wafanon; nicht bei kurzer wur-
zel, z. b. segenen (benedicere) regenen (pluere). -- g) nach
s und h
fällt stummes e weg vor den flexionen -st, -t,
nicht aber auslautend, auch nicht vor -n, -nt; z. b.
list (legis) list (legit) lest (legitis) sihst (vides) siht (videt)
seht (videtis) slehst (caedis) sleht (caedit) slaht (caedi-
tis) etc. hingegen: lise (lego) lesen; sihe, sehen, slahe,
slahen (vgl. oben s. 373.); doch scheint dem conj. leset
(legatis) sehet (videatis) slahet (caedatis) einzuräumen. --
d) nach den med. b, d, g keine apocope, also kein mit
dem imp. sg. mengendes praes. gip, grap, lat, pflic,
sondern: gibe, grabe, lade, pflige. Auch keine syncope
nach d; es heißt: ladet, badet, laden, baden, badete,
gebadet (außer wenn zugleich verwandlungen des wur-
zelcons. erfolgen, wovon unten, z. b. batte f. badete);
nach b und g gleichfalls nicht vor -n, nt, als: laben,
biben, loben, schriben, schuben, sagen, tragen, ligen,
gelegen, nigen, genigen etc. Zuweilen aber vor -st,
-t
der II. III. praes. ind. sg., namentlich nach e und i
der wurzel, als: grebt, schebt, hebt, ensebt, tregt, legt,
gibt, wibt (texit) pfligt, wigt, ligt, wo kein grebet, sche-
bet etc. zuläßig wäre. In II. praes. pl. scheint aber le-
get, hebet, reget, weget, pfleget, weget vorzuziehen,
im conj. nothwendig. Unverkürzte flexion nehme ich
an bei den wurzelvocalen a, o, e, wo immer eine II.
praes. pl. vorliegen wird, oder der sg. zweiter schwacher
conj. z. b. grabet (foditis) schabet, habet, labet, trabet,
snabet, traget, jaget, klaget, behaget, saget, zaget; obet,
lobet, tobet, broget, zoget; klebet, strebet, lebet, we-
get, pfleget. Auch die praet. pl. behalten e: schribet,
blibet, niget, siget (cecidistis) klubet, schubet; am
schwankendsten ist der vocal i, das e bleibt im praet.
pl. (blibet, siget), im sing. praes. zweiter schwacher
conj. (bibet) und im pl. praes. starker oder schw. (siget,
vincitis, liget jacetis) schwindet aber im sg. praes. star-
ker oder erster schwacher (pfligt, ligt, sigt, vincit). --
e) die tenues anlangend, so kann hier, weil p und k
nicht inlauten, nur nach dem t frage seyn; es findet
weder syncope noch apocope des stummen e statt, z. b.
saten (satiare) sate, satest, satet; miten (vitavimus) mi-
tet, gemiten; buten (obtulimus) butet, geboten, büte,
büten, bütet; nur gestatten sich einzelne t für tet (ähn-
lich dem n für nen s. 929.) z. b. git (evellit) bit, trit

II. mittelhochd. conjugation.
bald die wurzelſilbe lang iſt (ſ. 374. vergl. den dat. pl.
meiden f. meidenen ſ. 669.) z. b. offen (aperire) wâfen
(armare) alth. ofanôn, wâfanôn; nicht bei kurzer wur-
zel, z. b. ſëgenen (benedicere) rëgenen (pluere). — γ) nach
ſ und h
fällt ſtummes e weg vor den flexionen -ſt, -t,
nicht aber auslautend, auch nicht vor -n, -nt; z. b.
liſt (legis) liſt (legit) lëſt (legitis) ſihſt (vides) ſiht (videt)
ſëht (videtis) ſlehſt (caedis) ſleht (caedit) ſlaht (caedi-
tis) etc. hingegen: liſe (lego) lëſen; ſihe, ſëhen, ſlahe,
ſlahen (vgl. oben ſ. 373.); doch ſcheint dem conj. lëſet
(legatis) ſëhet (videatis) ſlahet (caedatis) einzuräumen. —
δ) nach den med. b, d, g keine apocope, alſo kein mit
dem imp. ſg. mengendes praeſ. gip, grap, lat, pflic,
ſondern: gibe, grabe, lade, pflige. Auch keine ſyncope
nach d; es heißt: ladet, badet, laden, baden, badete,
gebadet (außer wenn zugleich verwandlungen des wur-
zelconſ. erfolgen, wovon unten, z. b. batte f. badete);
nach b und g gleichfalls nicht vor -n, nt, als: laben,
biben, loben, ſchriben, ſchuben, ſagen, tragen, ligen,
gelëgen, nigen, genigen etc. Zuweilen aber vor -ſt,
-t
der II. III. praeſ. ind. ſg., namentlich nach e und i
der wurzel, als: grebt, ſchebt, hebt, enſebt, tregt, legt,
gibt, wibt (texit) pfligt, wigt, ligt, wo kein grebet, ſche-
bet etc. zuläßig wäre. In II. praeſ. pl. ſcheint aber le-
get, hebet, reget, weget, pflëget, wëget vorzuziehen,
im conj. nothwendig. Unverkürzte flexion nehme ich
an bei den wurzelvocalen a, o, ë, wo immer eine II.
praeſ. pl. vorliegen wird, oder der ſg. zweiter ſchwacher
conj. z. b. grabet (foditis) ſchabet, habet, labet, trabet,
ſnabet, traget, jaget, klaget, behaget, ſaget, zaget; obet,
lobet, tobet, broget, zoget; klëbet, ſtrëbet, lëbet, wë-
get, pflëget. Auch die praet. pl. behalten e: ſchribet,
blibet, niget, ſiget (cecidiſtis) klubet, ſchubet; am
ſchwankendſten iſt der vocal i, das e bleibt im praet.
pl. (blibet, ſiget), im ſing. praeſ. zweiter ſchwacher
conj. (bibet) und im pl. praeſ. ſtarker oder ſchw. (ſiget,
vincitis, liget jacetis) ſchwindet aber im ſg. praeſ. ſtar-
ker oder erſter ſchwacher (pfligt, ligt, ſigt, vincit). —
ε) die tenues anlangend, ſo kann hier, weil p und k
nicht inlauten, nur nach dem t frage ſeyn; es findet
weder ſyncope noch apocope des ſtummen e ſtatt, z. b.
ſaten (ſatiare) ſate, ſateſt, ſatet; miten (vitavimus) mi-
tet, gemiten; buten (obtulimus) butet, geboten, büte,
büten, bütet; nur geſtatten ſich einzelne t für tet (ähn-
lich dem n für nen ſ. 929.) z. b. git (evellit) bit, trit

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[930/0956] II. mittelhochd. conjugation. bald die wurzelſilbe lang iſt (ſ. 374. vergl. den dat. pl. meiden f. meidenen ſ. 669.) z. b. offen (aperire) wâfen (armare) alth. ofanôn, wâfanôn; nicht bei kurzer wur- zel, z. b. ſëgenen (benedicere) rëgenen (pluere). — γ) nach ſ und h fällt ſtummes e weg vor den flexionen -ſt, -t, nicht aber auslautend, auch nicht vor -n, -nt; z. b. liſt (legis) liſt (legit) lëſt (legitis) ſihſt (vides) ſiht (videt) ſëht (videtis) ſlehſt (caedis) ſleht (caedit) ſlaht (caedi- tis) etc. hingegen: liſe (lego) lëſen; ſihe, ſëhen, ſlahe, ſlahen (vgl. oben ſ. 373.); doch ſcheint dem conj. lëſet (legatis) ſëhet (videatis) ſlahet (caedatis) einzuräumen. — δ) nach den med. b, d, g keine apocope, alſo kein mit dem imp. ſg. mengendes praeſ. gip, grap, lat, pflic, ſondern: gibe, grabe, lade, pflige. Auch keine ſyncope nach d; es heißt: ladet, badet, laden, baden, badete, gebadet (außer wenn zugleich verwandlungen des wur- zelconſ. erfolgen, wovon unten, z. b. batte f. badete); nach b und g gleichfalls nicht vor -n, nt, als: laben, biben, loben, ſchriben, ſchuben, ſagen, tragen, ligen, gelëgen, nigen, genigen etc. Zuweilen aber vor -ſt, -t der II. III. praeſ. ind. ſg., namentlich nach e und i der wurzel, als: grebt, ſchebt, hebt, enſebt, tregt, legt, gibt, wibt (texit) pfligt, wigt, ligt, wo kein grebet, ſche- bet etc. zuläßig wäre. In II. praeſ. pl. ſcheint aber le- get, hebet, reget, weget, pflëget, wëget vorzuziehen, im conj. nothwendig. Unverkürzte flexion nehme ich an bei den wurzelvocalen a, o, ë, wo immer eine II. praeſ. pl. vorliegen wird, oder der ſg. zweiter ſchwacher conj. z. b. grabet (foditis) ſchabet, habet, labet, trabet, ſnabet, traget, jaget, klaget, behaget, ſaget, zaget; obet, lobet, tobet, broget, zoget; klëbet, ſtrëbet, lëbet, wë- get, pflëget. Auch die praet. pl. behalten e: ſchribet, blibet, niget, ſiget (cecidiſtis) klubet, ſchubet; am ſchwankendſten iſt der vocal i, das e bleibt im praet. pl. (blibet, ſiget), im ſing. praeſ. zweiter ſchwacher conj. (bibet) und im pl. praeſ. ſtarker oder ſchw. (ſiget, vincitis, liget jacetis) ſchwindet aber im ſg. praeſ. ſtar- ker oder erſter ſchwacher (pfligt, ligt, ſigt, vincit). — ε) die tenues anlangend, ſo kann hier, weil p und k nicht inlauten, nur nach dem t frage ſeyn; es findet weder ſyncope noch apocope des ſtummen e ſtatt, z. b. ſaten (ſatiare) ſate, ſateſt, ſatet; miten (vitavimus) mi- tet, gemiten; buten (obtulimus) butet, geboten, büte, büten, bütet; nur geſtatten ſich einzelne t für tet (ähn- lich dem n für nen ſ. 929.) z. b. git (evellit) bit, trit

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 930. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/956>, abgerufen am 18.05.2024.