Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

I. gothische consonanten. labiales.
zu viel vocale auf einander stoßen und zusammenziehun-
gen entsprungen seyn, die man wohl anders geschrieben
hätte. Gerade die einzelne ausnahme ajukduth (aeterni-
tas), das ich mir aus aivukduth erkläre, bestätigt daher
die regelmäßige nichtzusammenziehung. Eher möchten
die inlautenden v. denen consonanzen vorhergehen und
andere vocale als u folgen, sanftere vocalähnlichere aus-
sprache fordern, gatvo, manvi beinahe wie gatuo, ma-
nui, obschon umgekehrt lat. dichter tenvis, genva aus
genua, tenuis machten (Schneider p. 364.) und manvi
consonantmäßig ausgesprochen wohlklingt. Etwas ganz
anderes ist, daß allerdings die meisten in- oder auslau-
tenden goth. v ursprünglich eingeschobene bedeutung
habende u waren, daher sie späterhin (gleich den i) aus-
fielen, vgl. gatvo, vahtvo mit dem alth. gaßa, wabta;
manvjan mit mittelh. menen und schon esoterisch im goth.
selbst fidvor neben fidur. (vgl. Schneider 332. 333.) Dies
erläutert manches in der wortbildung. --

gemination inlautender labiales (pp. bb. ff. vv.) hat
durchaus keine statt, bloß den hebr. namen Leui finde
ich Laivvi, desgl. sabbaton, rabbi, ephphatha (Marc. 7, 34.)
philippos: sabbato, rabbei, aiffatha, Filippus wiedergege-
ben. Einen goth. namen Grippas hat Procop 1, 7. --
Von hierher gehörigen consonantverbindungen scheinen
folgende die wichtigsten.

1) anlautende, die man in glossar nachschlage: BL.
BN. (nur bnauan, fricare) BR. -- PL. PR scheinen
fremd -- FL (das einzige flekan, vgl. thL) FR (vgl.
thR) -- VL (bloß vlits, vlaiton) VR -- mit bn vgl. das
hochd. u nord. sn. In der aussprache bl. br. fl. fr.
herrscht der labiale laut über den leiser nachtönenden
liquiden (dem. Italiener wandelt sich bl. fl. in bj. fj.)
hingegen in vl. vr. walten die liquidae vor, denn spä-
tere mundarten werfen das v völlig ab, ein grund mit
für seine consonantische aussprache, da u länger gehaftet
haben würde.

2) inlautende. BL. BR (svibls, abrs) verrathen
deutlich den zwischen mut. und liq. ausgestoßenen vo-
cal und sind darum hier nicht wichtig. BN nur in stibna.
Die formen FT sind vorhin unter F angegeben. Merk-

nom. ai, hei oder gar aiu, heiu zu bilden. In letztern
ist das v vesentlicher und consonantischer. Desgl. in
slavan verglichen mit bauan.

I. gothiſche conſonanten. labiales.
zu viel vocale auf einander ſtoßen und zuſammenziehun-
gen entſprungen ſeyn, die man wohl anders geſchrieben
hätte. Gerade die einzelne ausnahme ajukduþ (aeterni-
tas), das ich mir aus áivukduþ erkläre, beſtätigt daher
die regelmäßige nichtzuſammenziehung. Eher möchten
die inlautenden v. denen conſonanzen vorhergehen und
andere vocale als u folgen, ſanftere vocalähnlichere aus-
ſprache fordern, gatvô, manvi beinahe wie gatuo, ma-
nui, obſchon umgekehrt lat. dichter tenvis, genva aus
genua, tenuis machten (Schneider p. 364.) und manvi
conſonantmäßig ausgeſprochen wohlklingt. Etwas ganz
anderes iſt, daß allerdings die meiſten in- oder auslau-
tenden goth. v urſprünglich eingeſchobene bedeutung
habende u waren, daher ſie ſpäterhin (gleich den i) aus-
fielen, vgl. gatvô, vahtvô mit dem alth. gaƷƷa, wabta;
manvjan mit mittelh. menen und ſchon eſoteriſch im goth.
ſelbſt fidvôr neben fidur. (vgl. Schneider 332. 333.) Dies
erläutert manches in der wortbildung. —

gemination inlautender labiales (pp. bb. ff. vv.) hat
durchaus keine ſtatt, bloß den hebr. namen Λευὶ finde
ich Laívvi, desgl. σάββατον, ραββὶ, ἐφφαθὰ (Marc. 7, 34.)
φιλίππος: ſabbatô, rabbei, aíffaþa, Filippus wiedergege-
ben. Einen goth. namen Γρίππας hat Procop 1, 7. —
Von hierher gehörigen conſonantverbindungen ſcheinen
folgende die wichtigſten.

1) anlautende, die man in gloſſar nachſchlage: BL.
BN. (nur bnáuan, fricare) BR. — PL. PR ſcheinen
fremd — FL (das einzige flêkan, vgl. þL) FR (vgl.
þR) — VL (bloß vlits, vláitôn) VR — mit bn vgl. das
hochd. u nord. ſn. In der ausſprache bl. br. fl. fr.
herrſcht der labiale laut über den leiſer nachtönenden
liquiden (dem. Italiener wandelt ſich bl. fl. in bj. fj.)
hingegen in vl. vr. walten die liquidae vor, denn ſpä-
tere mundarten werfen das v völlig ab, ein grund mit
für ſeine conſonantiſche ausſprache, da u länger gehaftet
haben würde.

2) inlautende. BL. BR (ſvibls, abrs) verrathen
deutlich den zwiſchen mut. und liq. ausgeſtoßenen vo-
cal und ſind darum hier nicht wichtig. BN nur in ſtibna.
Die formen FT ſind vorhin unter F angegeben. Merk-

nom. ái, hei oder gar áiu, heiu zu bilden. In letztern
iſt das v veſentlicher und conſonantiſcher. Desgl. in
ſlavan verglichen mit báuan.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0086" n="60"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">gothi&#x017F;che con&#x017F;onanten. labiales.</hi></fw><lb/>
zu viel vocale auf einander &#x017F;toßen und zu&#x017F;ammenziehun-<lb/>
gen ent&#x017F;prungen &#x017F;eyn, die man wohl anders ge&#x017F;chrieben<lb/>
hätte. Gerade die einzelne ausnahme ajukduþ (aeterni-<lb/>
tas), das ich mir aus áivukduþ erkläre, be&#x017F;tätigt daher<lb/>
die regelmäßige nichtzu&#x017F;ammenziehung. Eher möchten<lb/>
die inlautenden v. denen con&#x017F;onanzen vorhergehen und<lb/>
andere vocale als <hi rendition="#i">u</hi> folgen, &#x017F;anftere vocalähnlichere aus-<lb/>
&#x017F;prache fordern, gatvô, manvi beinahe wie gatuo, ma-<lb/>
nui, ob&#x017F;chon umgekehrt lat. dichter tenvis, genva aus<lb/>
genua, tenuis machten (Schneider p. 364.) und manvi<lb/>
con&#x017F;onantmäßig ausge&#x017F;prochen wohlklingt. Etwas ganz<lb/>
anderes i&#x017F;t, daß allerdings die mei&#x017F;ten in- oder auslau-<lb/>
tenden goth. v ur&#x017F;prünglich einge&#x017F;chobene bedeutung<lb/>
habende <hi rendition="#i">u</hi> waren, daher &#x017F;ie &#x017F;päterhin (gleich den i) aus-<lb/>
fielen, vgl. gatvô, vahtvô mit dem alth. ga&#x01B7;&#x01B7;a, wabta;<lb/>
manvjan mit mittelh. menen und &#x017F;chon e&#x017F;oteri&#x017F;ch im goth.<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t fidvôr neben fidur. (vgl. Schneider 332. 333.) Dies<lb/>
erläutert manches in der wortbildung. &#x2014;</p><lb/>
              <p><hi rendition="#i">gemination</hi> inlautender labiales (pp. bb. ff. vv.) hat<lb/>
durchaus keine &#x017F;tatt, bloß den hebr. namen &#x039B;<hi rendition="#i">&#x03B5;&#x03C5;&#x1F76;</hi> finde<lb/>
ich Laívvi, desgl. <hi rendition="#i">&#x03C3;&#x03AC;&#x03B2;&#x03B2;&#x03B1;&#x03C4;&#x03BF;&#x03BD;, &#x03C1;&#x03B1;&#x03B2;&#x03B2;&#x1F76;, &#x1F10;&#x03C6;&#x03C6;&#x03B1;&#x03B8;&#x1F70;</hi> (Marc. 7, 34.)<lb/><hi rendition="#i">&#x03C6;&#x03B9;&#x03BB;&#x03AF;&#x03C0;&#x03C0;&#x03BF;&#x03C2;</hi>: &#x017F;abbatô, rabbei, aíffaþa, Filippus wiedergege-<lb/>
ben. Einen goth. namen &#x0393;<hi rendition="#i">&#x03C1;&#x03AF;&#x03C0;&#x03C0;&#x03B1;&#x03C2;</hi> hat Procop 1, 7. &#x2014;<lb/>
Von hierher gehörigen con&#x017F;onant<hi rendition="#i">verbindungen</hi> &#x017F;cheinen<lb/>
folgende die wichtig&#x017F;ten.</p><lb/>
              <p>1) anlautende, die man in glo&#x017F;&#x017F;ar nach&#x017F;chlage: BL.<lb/>
BN. (nur bnáuan, fricare) BR. &#x2014; PL. PR &#x017F;cheinen<lb/>
fremd &#x2014; FL (das einzige flêkan, vgl. þL) FR (vgl.<lb/>
þR) &#x2014; VL (bloß vlits, vláitôn) VR &#x2014; mit <hi rendition="#i">bn</hi> vgl. das<lb/>
hochd. u nord. <hi rendition="#i">&#x017F;n</hi>. In der aus&#x017F;prache bl. br. fl. fr.<lb/>
herr&#x017F;cht der labiale laut über den lei&#x017F;er nachtönenden<lb/>
liquiden (dem. Italiener wandelt &#x017F;ich bl. fl. in bj. fj.)<lb/>
hingegen in vl. vr. walten die liquidae vor, denn &#x017F;pä-<lb/>
tere mundarten werfen das v völlig ab, ein grund mit<lb/>
für &#x017F;eine con&#x017F;onanti&#x017F;che aus&#x017F;prache, da <hi rendition="#i">u</hi> länger gehaftet<lb/>
haben würde.</p><lb/>
              <p>2) inlautende. BL. BR (&#x017F;vibls, abrs) verrathen<lb/>
deutlich den zwi&#x017F;chen mut. und liq. ausge&#x017F;toßenen vo-<lb/>
cal und &#x017F;ind darum hier nicht wichtig. BN nur in &#x017F;tibna.<lb/>
Die formen FT &#x017F;ind vorhin unter F angegeben. Merk-<lb/><note xml:id="note-0086" prev="#note-0085" place="foot" n="**)">nom. ái, hei oder gar áiu, heiu zu bilden. In letztern<lb/>
i&#x017F;t das v ve&#x017F;entlicher und con&#x017F;onanti&#x017F;cher. Desgl. in<lb/>
&#x017F;lavan verglichen mit báuan.</note><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0086] I. gothiſche conſonanten. labiales. zu viel vocale auf einander ſtoßen und zuſammenziehun- gen entſprungen ſeyn, die man wohl anders geſchrieben hätte. Gerade die einzelne ausnahme ajukduþ (aeterni- tas), das ich mir aus áivukduþ erkläre, beſtätigt daher die regelmäßige nichtzuſammenziehung. Eher möchten die inlautenden v. denen conſonanzen vorhergehen und andere vocale als u folgen, ſanftere vocalähnlichere aus- ſprache fordern, gatvô, manvi beinahe wie gatuo, ma- nui, obſchon umgekehrt lat. dichter tenvis, genva aus genua, tenuis machten (Schneider p. 364.) und manvi conſonantmäßig ausgeſprochen wohlklingt. Etwas ganz anderes iſt, daß allerdings die meiſten in- oder auslau- tenden goth. v urſprünglich eingeſchobene bedeutung habende u waren, daher ſie ſpäterhin (gleich den i) aus- fielen, vgl. gatvô, vahtvô mit dem alth. gaƷƷa, wabta; manvjan mit mittelh. menen und ſchon eſoteriſch im goth. ſelbſt fidvôr neben fidur. (vgl. Schneider 332. 333.) Dies erläutert manches in der wortbildung. — gemination inlautender labiales (pp. bb. ff. vv.) hat durchaus keine ſtatt, bloß den hebr. namen Λευὶ finde ich Laívvi, desgl. σάββατον, ραββὶ, ἐφφαθὰ (Marc. 7, 34.) φιλίππος: ſabbatô, rabbei, aíffaþa, Filippus wiedergege- ben. Einen goth. namen Γρίππας hat Procop 1, 7. — Von hierher gehörigen conſonantverbindungen ſcheinen folgende die wichtigſten. 1) anlautende, die man in gloſſar nachſchlage: BL. BN. (nur bnáuan, fricare) BR. — PL. PR ſcheinen fremd — FL (das einzige flêkan, vgl. þL) FR (vgl. þR) — VL (bloß vlits, vláitôn) VR — mit bn vgl. das hochd. u nord. ſn. In der ausſprache bl. br. fl. fr. herrſcht der labiale laut über den leiſer nachtönenden liquiden (dem. Italiener wandelt ſich bl. fl. in bj. fj.) hingegen in vl. vr. walten die liquidae vor, denn ſpä- tere mundarten werfen das v völlig ab, ein grund mit für ſeine conſonantiſche ausſprache, da u länger gehaftet haben würde. 2) inlautende. BL. BR (ſvibls, abrs) verrathen deutlich den zwiſchen mut. und liq. ausgeſtoßenen vo- cal und ſind darum hier nicht wichtig. BN nur in ſtibna. Die formen FT ſind vorhin unter F angegeben. Merk- **) **) nom. ái, hei oder gar áiu, heiu zu bilden. In letztern iſt das v veſentlicher und conſonantiſcher. Desgl. in ſlavan verglichen mit báuan.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/86
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/86>, abgerufen am 06.05.2024.