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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. gothische consonanten. labiales.
nach dem v aber durchaus nicht fehlen darf. Man liest
so bei lat. schriftstellern und in der version der byzan-
tinischen: ulphilas (neben vulphilas und sogar gulphilas,
weil dem uv, vu das gu wieder verwandt war) und die
falschen formen: uligagus, ulitheus etc. für viligangus,
vilitheus. Befremdend auf den ersten anblick, allein
consequenter ist die schreibung ubi st. vvi oder vi, uba
st. wa in den subscriptionen westgoth. concilien des
6. 7. iahrh. als ubiligisclus, ubinibal. ubidericus, uba-
dila, ubinedarius, ubaldefredus, ubisandus (conc. tolet.
III. VII. IX. XV.) Die vergleichung so mannigfaltiger
schreibweisen, hat man einmahl ihren grund eingesehen,
vermag weiter nichts zu lehren oder zu beweisen; wir
haben uns an die weit genauere schreibung in Ulphilas
goth. texte selbst zu halten, um die beschaffenheit des
consonanten v näher kennen zu lernen.

Ein bedeutender unterschied zeigt sich sogleich zwi-
schen diesem halbvocal und dem andern, nämlich dem j.
Das i (nicht das ai, ei) wird jederzeit, so oft ein vocal
(versteht sich in demselben worte, nicht bei bloßer zu-
sammensetzung) darauf folgt, zum j; das u wandelt sich
bei folgendem vocal nie in v (vgl. Jesuis, Jesua), außer
wo es in den diphthongen au mit folgendem i, ei, e --
oder iu (desgl. im hiatus ju) mit jedem folgenden vocal
vorkommt; so entspringt aus hauan, qvius, naus, kniu --
havi, qvivis, naveis, kniva. Ein anderer unterschied:
das j ist anlaut und inlaut, nie auslaut, das v anlaut,
inlaut und auslaut.

Die fälle des aulautenden v zeigt das glossar. Als
inlaut steht es

1) nach vocalen a) im falle jenes umlauts des au, iu,
ju in av, iv, iv; die beispiele suche man oben bei
den diphth. au, iu. ju wandelt sich in den declina-
tionsendungen, z. b. sunjus, sunive. -- b) nach ein-
fachen vocalen außer jenem umlautsfall; mir ist nur
favai und slavan (lilere) erinnerlich, etwa die neben-
form viduvo -- c) nach den diphthongen e und o
selten (nur: levjan, skevjan, vidovo) häufiger vor ai
und ei (snaivs. aiva, hraiva, hvaiva, hnaivjan, saivala,
speivan, heiva)
2) nach consonanten und zwar nach l: balvjan, malvjan,
valvjan, vilvan -- nach n: manvu (paratum), manvi
(sumptus) manvjan (parare) -- nach r: sparva, arvjo --

I. gothiſche conſonanten. labiales.
nach dem v aber durchaus nicht fehlen darf. Man lieſt
ſo bei lat. ſchriftſtellern und in der verſion der byzan-
tiniſchen: ulphilas (neben vulphilas und ſogar gulphilas,
weil dem uv, vu das gu wieder verwandt war) und die
falſchen formen: uligagus, ulitheus etc. für viligangus,
vilitheus. Befremdend auf den erſten anblick, allein
conſequenter iſt die ſchreibung ubi ſt. vvi oder vi, uba
ſt. wa in den ſubſcriptionen weſtgoth. concilien des
6. 7. iahrh. als ubiligiſclus, ubinibal. ubidericus, uba-
dila, ubinedarius, ubaldefredus, ubiſandus (conc. tolet.
III. VII. IX. XV.) Die vergleichung ſo mannigfaltiger
ſchreibweiſen, hat man einmahl ihren grund eingeſehen,
vermag weiter nichts zu lehren oder zu beweiſen; wir
haben uns an die weit genauere ſchreibung in Ulphilas
goth. texte ſelbſt zu halten, um die beſchaffenheit des
conſonanten v näher kennen zu lernen.

Ein bedeutender unterſchied zeigt ſich ſogleich zwi-
ſchen dieſem halbvocal und dem andern, nämlich dem j.
Das ï (nicht das ái, ei) wird jederzeit, ſo oft ein vocal
(verſteht ſich in demſelben worte, nicht bei bloßer zu-
ſammenſetzung) darauf folgt, zum j; das u wandelt ſich
bei folgendem vocal nie in v (vgl. Jêſuis, Jêſua), außer
wo es in den diphthongen áu mit folgendem ï, ei, ê —
oder iu (desgl. im hiatus ju) mit jedem folgenden vocal
vorkommt; ſo entſpringt aus háuan, qvius, náus, kniu —
havi, qvivis, naveis, kniva. Ein anderer unterſchied:
das j iſt anlaut und inlaut, nie auslaut, das v anlaut,
inlaut und auslaut.

Die fälle des aulautenden v zeigt das gloſſar. Als
inlaut ſteht es

1) nach vocalen a) im falle jenes umlauts des áu, iu,
ju in av, iv, iv; die beiſpiele ſuche man oben bei
den diphth. áu, iu. ju wandelt ſich in den declina-
tionsendungen, z. b. ſunjus, ſunivê. — b) nach ein-
fachen vocalen außer jenem umlautsfall; mir iſt nur
favai und ſlavan (lilere) erinnerlich, etwa die neben-
form viduvô — c) nach den diphthongen ê und ô
ſelten (nur: lèvjan, ſkêvjan, vidôvô) häufiger vor ái
und ei (ſnaivs. áiva, hráiva, hváiva, hnáivjan, ſáivala,
ſpeivan, heiva)
2) nach conſonanten und zwar nach l: balvjan, malvjan,
valvjan, vilvan — nach n: manvu (paratum), manvi
(ſumptus) manvjan (parare) — nach r: ſparva, arvjô —
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[58/0084] I. gothiſche conſonanten. labiales. nach dem v aber durchaus nicht fehlen darf. Man lieſt ſo bei lat. ſchriftſtellern und in der verſion der byzan- tiniſchen: ulphilas (neben vulphilas und ſogar gulphilas, weil dem uv, vu das gu wieder verwandt war) und die falſchen formen: uligagus, ulitheus etc. für viligangus, vilitheus. Befremdend auf den erſten anblick, allein conſequenter iſt die ſchreibung ubi ſt. vvi oder vi, uba ſt. wa in den ſubſcriptionen weſtgoth. concilien des 6. 7. iahrh. als ubiligiſclus, ubinibal. ubidericus, uba- dila, ubinedarius, ubaldefredus, ubiſandus (conc. tolet. III. VII. IX. XV.) Die vergleichung ſo mannigfaltiger ſchreibweiſen, hat man einmahl ihren grund eingeſehen, vermag weiter nichts zu lehren oder zu beweiſen; wir haben uns an die weit genauere ſchreibung in Ulphilas goth. texte ſelbſt zu halten, um die beſchaffenheit des conſonanten v näher kennen zu lernen. Ein bedeutender unterſchied zeigt ſich ſogleich zwi- ſchen dieſem halbvocal und dem andern, nämlich dem j. Das ï (nicht das ái, ei) wird jederzeit, ſo oft ein vocal (verſteht ſich in demſelben worte, nicht bei bloßer zu- ſammenſetzung) darauf folgt, zum j; das u wandelt ſich bei folgendem vocal nie in v (vgl. Jêſuis, Jêſua), außer wo es in den diphthongen áu mit folgendem ï, ei, ê — oder iu (desgl. im hiatus ju) mit jedem folgenden vocal vorkommt; ſo entſpringt aus háuan, qvius, náus, kniu — havi, qvivis, naveis, kniva. Ein anderer unterſchied: das j iſt anlaut und inlaut, nie auslaut, das v anlaut, inlaut und auslaut. Die fälle des aulautenden v zeigt das gloſſar. Als inlaut ſteht es 1) nach vocalen a) im falle jenes umlauts des áu, iu, ju in av, iv, iv; die beiſpiele ſuche man oben bei den diphth. áu, iu. ju wandelt ſich in den declina- tionsendungen, z. b. ſunjus, ſunivê. — b) nach ein- fachen vocalen außer jenem umlautsfall; mir iſt nur favai und ſlavan (lilere) erinnerlich, etwa die neben- form viduvô — c) nach den diphthongen ê und ô ſelten (nur: lèvjan, ſkêvjan, vidôvô) häufiger vor ái und ei (ſnaivs. áiva, hráiva, hváiva, hnáivjan, ſáivala, ſpeivan, heiva) 2) nach conſonanten und zwar nach l: balvjan, malvjan, valvjan, vilvan — nach n: manvu (paratum), manvi (ſumptus) manvjan (parare) — nach r: ſparva, arvjô —

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/84>, abgerufen am 26.11.2024.