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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. mittelh. subst. starkes mascul. erste decl.
schluß des 13. und im 14. jahrh. entwickelt, als das
nachgefühl der ursprünglichen verschiedenheit verloren
gieng und die analogie der umlaute blind fortwirkte.
Im zweifel dürfen daher plurale vierter decl., für die
gute mittelh. zeit, nur aus reimen bewiesen werden,
nicht aus fehlern der hss. Erweisen läßt sich z. b. kein
pl. rende, gedenke, schelke, stebe, göte etc. da viel-
mehr rande, gedanke, schalke, stabe, gote aus randen
Bit. 37a 94a gedanken Parc. 1a schalken Wilh. 2. 178b
staben Wilh. 2, 65a Parc. 26a Georg 19b gote Wilh. 2,
99b goten Parc. 11a Wilh. 2. 20b Barl. 322. etc. hervor-
gehen. Masc. mit geminierender consonanz scheinen
mir beständig der ersten decl. zu folgen (val, valle;
kam, kamme; ban, banne; kus, kusse; boc, bocke);
die form -unc, -kes war, nach s. 337., keines umlauts
fähig. Auch zu den sg. mit dem voc. ou, au finde ich
keinen erweislichen pl. öu, iu; ob einige bildungen mit
-el, -en, -er den pl. umlauten? unten bei der vierten
decl. Im 14. jahrh. haben sich freilich die pl. velle,
küsse, zölle, böcke, göuche, setele, hevene etc. ent-
wickelt. -- 2) wichtig ist die beobachtung der syncope
und apocope des casus -e. Man merke a) das siumme
e
fällt infolge der regel s. 374. nach einfacher liq. auf
kurzen voc. nothwendig aus und hier entspringt eine
den neutris mit demselben buchstabenverhältnis völlig
gleiche decl. Es gehören hierher wenig masc. mit wur-
zelhafter liq. (sal, kil, stil, man, har) und von ihnen
kann ich den pl. nur vermuthen, nicht belegen; wohl
aber alle bildungen mit -el, -em, -en, -er, deren bil-
dungsvocal lange wurzelsilbe voransteht. Die mit wur-
zelhaftem n. behalten jedoch im dat. pl. das stumme e
bei (manen st. man -n) die mit -en werfen es sammt
dem n fort (meiden st. meiden -n; oben s. 374.). Die
mit -em werden im dat. pl. die volle form behaupten,
obgleich sich zu atem kein pl. belegen läßt. Zum pa-
radigma dienen:
kilpl. kilmanpl.manharpl. har
kil-skilman-smanhar-shar
kilkil-nmanman-enharhar-n
kilkilmanmanharhar
engelpl. engelatempl. atem
engel-sengelatem-satem
engelengel-natematem-en
engelengelatematem

II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſcul. erſte decl.
ſchluß des 13. und im 14. jahrh. entwickelt, als das
nachgefühl der urſprünglichen verſchiedenheit verloren
gieng und die analogie der umlaute blind fortwirkte.
Im zweifel dürfen daher plurale vierter decl., für die
gute mittelh. zeit, nur aus reimen bewieſen werden,
nicht aus fehlern der hſſ. Erweiſen läßt ſich z. b. kein
pl. rende, gedenke, ſchelke, ſtebe, göte etc. da viel-
mehr rande, gedanke, ſchalke, ſtabe, gote aus randen
Bit. 37a 94a gedanken Parc. 1a ſchalken Wilh. 2. 178b
ſtaben Wilh. 2, 65a Parc. 26a Georg 19b gote Wilh. 2,
99b goten Parc. 11a Wilh. 2. 20b Barl. 322. etc. hervor-
gehen. Maſc. mit geminierender conſonanz ſcheinen
mir beſtändig der erſten decl. zu folgen (val, valle;
kam, kamme; ban, banne; kus, kuſſe; boc, bocke);
die form -unc, -kes war, nach ſ. 337., keines umlauts
fähig. Auch zu den ſg. mit dem voc. ou, û finde ich
keinen erweiſlichen pl. öu, iu; ob einige bildungen mit
-el, -en, -er den pl. umlauten? unten bei der vierten
decl. Im 14. jahrh. haben ſich freilich die pl. velle,
küſſe, zölle, böcke, göuche, ſetele, hevene etc. ent-
wickelt. — 2) wichtig iſt die beobachtung der ſyncope
und apocope des caſus -e. Man merke α) das ſiumme
e
fällt infolge der regel ſ. 374. nach einfacher liq. auf
kurzen voc. nothwendig aus und hier entſpringt eine
den neutris mit demſelben buchſtabenverhältnis völlig
gleiche decl. Es gehören hierher wenig maſc. mit wur-
zelhafter liq. (ſal, kil, ſtil, man, har) und von ihnen
kann ich den pl. nur vermuthen, nicht belegen; wohl
aber alle bildungen mit -el, -em, -en, -er, deren bil-
dungsvocal lange wurzelſilbe voranſteht. Die mit wur-
zelhaftem n. behalten jedoch im dat. pl. das ſtumme e
bei (manen ſt. man -n) die mit -en werfen es ſammt
dem n fort (meiden ſt. meiden -n; oben ſ. 374.). Die
mit -em werden im dat. pl. die volle form behaupten,
obgleich ſich zu âtem kein pl. belegen läßt. Zum pa-
radigma dienen:
kilpl. kilmanpl.manharpl. har
kil-skilman-smanhar-shar
kilkil-nmanman-enharhar-n
kilkilmanmanharhar
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[668/0694] II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſcul. erſte decl. ſchluß des 13. und im 14. jahrh. entwickelt, als das nachgefühl der urſprünglichen verſchiedenheit verloren gieng und die analogie der umlaute blind fortwirkte. Im zweifel dürfen daher plurale vierter decl., für die gute mittelh. zeit, nur aus reimen bewieſen werden, nicht aus fehlern der hſſ. Erweiſen läßt ſich z. b. kein pl. rende, gedenke, ſchelke, ſtebe, göte etc. da viel- mehr rande, gedanke, ſchalke, ſtabe, gote aus randen Bit. 37a 94a gedanken Parc. 1a ſchalken Wilh. 2. 178b ſtaben Wilh. 2, 65a Parc. 26a Georg 19b gote Wilh. 2, 99b goten Parc. 11a Wilh. 2. 20b Barl. 322. etc. hervor- gehen. Maſc. mit geminierender conſonanz ſcheinen mir beſtändig der erſten decl. zu folgen (val, valle; kam, kamme; ban, banne; kus, kuſſe; boc, bocke); die form -unc, -kes war, nach ſ. 337., keines umlauts fähig. Auch zu den ſg. mit dem voc. ou, û finde ich keinen erweiſlichen pl. öu, iu; ob einige bildungen mit -el, -en, -er den pl. umlauten? unten bei der vierten decl. Im 14. jahrh. haben ſich freilich die pl. velle, küſſe, zölle, böcke, göuche, ſetele, hevene etc. ent- wickelt. — 2) wichtig iſt die beobachtung der ſyncope und apocope des caſus -e. Man merke α) das ſiumme e fällt infolge der regel ſ. 374. nach einfacher liq. auf kurzen voc. nothwendig aus und hier entſpringt eine den neutris mit demſelben buchſtabenverhältnis völlig gleiche decl. Es gehören hierher wenig maſc. mit wur- zelhafter liq. (ſal, kil, ſtil, man, har) und von ihnen kann ich den pl. nur vermuthen, nicht belegen; wohl aber alle bildungen mit -el, -em, -en, -er, deren bil- dungsvocal lange wurzelſilbe voranſteht. Die mit wur- zelhaftem n. behalten jedoch im dat. pl. das ſtumme e bei (manen ſt. man -n) die mit -en werfen es ſammt dem n fort (meiden ſt. meiden -n; oben ſ. 374.). Die mit -em werden im dat. pl. die volle form behaupten, obgleich ſich zu âtem kein pl. belegen läßt. Zum pa- radigma dienen: kil pl. kil man pl.man har pl. har kil-s kil man-s man har-s har kil kil-n man man-en har har-n kil kil man man har har engel pl. engel âtem pl. âtem engel-s engel âtem-s âtem engel engel-n âtem âtem-en engel engel âtem âtem

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 668. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/694>, abgerufen am 25.06.2024.