verbreiten sich in allen zweigen deutscher zunge, (im niederd. fast bis zu verdrängung der i und u) e und o, welche nur der Gothe in solcher bezeichnung noch gar nicht kennt, obschon ihnen sein beschränkteres ai, au in der aussprache nahe gekommen seyn mag.
3) (entsprung des eo, ia aus i) besondere aufmerksam- keit erregt eine verwandlung des i (keine analoge des u) welche sich im angels. und nord. zeigt. im goth. und hochd. hingegen gänzlich mangelt. Auch die engl. mundart verliert sie beinahe wieder, dem schwed. und dän. bleibt sie. im fries. erscheint sie spurweise. Wäh- rend nämlich im angels. und altn. (nicht anders als im hochd.) e aus i entstand, zeigt sich neben diesem e ein angels. eo und altn. ia. Im angels. verhält sich eo zu i, wie ea zu a, mear, eat, sceaft, eald, earm ste- hen für mar, at, scaft, ald, arm; gerade so heorot, eoten, geof, meolc, eormen für hirot, iten, gif, milc, irmen. Ob schon diese parallele im altn. abgeht und mar, at, skapt, aldr, armr unverwandelt gelten (spu- ren wären jenes schwed. hard, gard, angels. heard, geard); so stehen doch offenbar hiörtr, hiartar, giöf, giafar, iötun, iörmun für hirtr, hirtar, gif, gifar, itun, irmun. In beiden sprachen wechseln i, e, eo (s. 226. 228.) i, e, ia (283. 297.) zuweilen schwankend. zu- weilen geregelt (über welchen wechsel hernach eine vermuthung). Zumeist erscheinen eo und ia, gleich dem angels. ea, nach h. r und in verbindungen mit h-, r-, l-, (nie in verbind. mit m-, n-) im fries. (s. 273. 274.) ein paralleles iu nur in der verbin- dung -cht, ie zuweilen vor -ld, rd (field, ierd) im engl. trümmer vor -ld (field, shield, yield) welche ich s. 542. nicht hätte nnorganisch nennen sollen. Über das hochd. ie in kiel (navis) und krieche vgl. man s. 237. 302. Zum überblick der unter 2 und 3 berührten laut- verhältnisse folgende kurze tafel; eine vollständigere würde zu weitläuftig und bei dem schwanken der laute selbst unausführbar werden:
goth.
alth.
angels.
altn.
i
i. e.
i. e. eo
i. e. ia.
air
ir. er
eor
iar
u
u. o
u. o
u. o
aur
ur. or
or
or
I. überſicht der kurzen vocale.
verbreiten ſich in allen zweigen deutſcher zunge, (im niederd. faſt bis zu verdrängung der i und u) ë und o, welche nur der Gothe in ſolcher bezeichnung noch gar nicht kennt, obſchon ihnen ſein beſchränkteres aí, aú in der ausſprache nahe gekommen ſeyn mag.
3) (entſprung des ëo, ia aus i) beſondere aufmerkſam- keit erregt eine verwandlung des i (keine analoge des u) welche ſich im angelſ. und nord. zeigt. im goth. und hochd. hingegen gänzlich mangelt. Auch die engl. mundart verliert ſie beinahe wieder, dem ſchwed. und dän. bleibt ſie. im frieſ. erſcheint ſie ſpurweiſe. Wäh- rend nämlich im angelſ. und altn. (nicht anders als im hochd.) ë aus i entſtand, zeigt ſich neben dieſem ë ein angelſ. ëo und altn. ia. Im angelſ. verhält ſich ëo zu i, wie ëa zu a, mëar, ëat, ſcëaft, ëald, ëarm ſte- hen für mar, at, ſcaft, ald, arm; gerade ſo heorot, ëoten, gëof, mëolc, ëormen für hirot, iten, gif, milc, irmen. Ob ſchon dieſe parallele im altn. abgeht und mar, at, ſkapt, aldr, armr unverwandelt gelten (ſpu- ren wären jenes ſchwed. hård, gård, angelſ. hëard, gëard); ſo ſtehen doch offenbar hiörtr, hiartar, giöf, giafar, iötun, iörmun für hirtr, hirtar, gif, gifar, itun, irmun. In beiden ſprachen wechſeln i, ë, ëo (ſ. 226. 228.) i, ë, ia (283. 297.) zuweilen ſchwankend. zu- weilen geregelt (über welchen wechſel hernach eine vermuthung). Zumeiſt erſcheinen ëo und ia, gleich dem angelſ. ëa, nach h. r und in verbindungen mit h-, r-, l-, (nie in verbind. mit m-, n-) im frieſ. (ſ. 273. 274.) ein paralleles iu nur in der verbin- dung -cht, ie zuweilen vor -ld, rd (field, ierd) im engl. trümmer vor -ld (field, ſhield, yield) welche ich ſ. 542. nicht hätte nnorganiſch nennen ſollen. Über das hochd. ie in kiel (navis) und krieche vgl. man ſ. 237. 302. Zum überblick der unter 2 und 3 berührten laut- verhältniſſe folgende kurze tafel; eine vollſtändigere würde zu weitläuftig und bei dem ſchwanken der laute ſelbſt unausführbar werden:
goth.
alth.
angelſ.
altn.
i
i. ë.
i. ë. ëo
i. ë. ia.
aír
ir. ër
ëor
iar
u
u. o
u. o
u. o
aúr
ur. or
or
or
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><list><item><pbfacs="#f0601"n="575"/><fwplace="top"type="header">I. <hirendition="#i">überſicht der kurzen vocale.</hi></fw><lb/>
verbreiten ſich in allen zweigen deutſcher zunge, (im<lb/>
niederd. faſt bis zu verdrängung der i und u) ë und o,<lb/>
welche nur der Gothe in ſolcher bezeichnung noch<lb/>
gar nicht kennt, obſchon ihnen ſein beſchränkteres<lb/>
aí, aú in der ausſprache nahe gekommen ſeyn mag.</item><lb/><item>3) (entſprung des <hirendition="#i">ëo, ia</hi> aus i) beſondere aufmerkſam-<lb/>
keit erregt eine verwandlung des i (keine analoge des<lb/>
u) welche ſich im angelſ. und nord. zeigt. im goth.<lb/>
und hochd. hingegen gänzlich mangelt. Auch die engl.<lb/>
mundart verliert ſie beinahe wieder, dem ſchwed. und<lb/>
dän. bleibt ſie. im frieſ. erſcheint ſie ſpurweiſe. Wäh-<lb/>
rend nämlich im angelſ. und altn. (nicht anders als im<lb/>
hochd.) ë aus i entſtand, zeigt ſich neben dieſem ë<lb/>
ein angelſ. <hirendition="#i">ëo</hi> und altn. <hirendition="#i">ia</hi>. Im angelſ. verhält ſich ëo<lb/>
zu i, wie ëa zu a, mëar, ëat, ſcëaft, ëald, ëarm ſte-<lb/>
hen für mar, at, ſcaft, ald, arm; gerade ſo heorot,<lb/>
ëoten, gëof, mëolc, ëormen für hirot, iten, gif, milc,<lb/>
irmen. Ob ſchon dieſe parallele im altn. abgeht und<lb/>
mar, at, ſkapt, aldr, armr unverwandelt gelten (ſpu-<lb/>
ren wären jenes ſchwed. hård, gård, angelſ. hëard,<lb/>
gëard); ſo ſtehen doch offenbar hiörtr, hiartar, giöf,<lb/>
giafar, iötun, iörmun für hirtr, hirtar, gif, gifar, itun,<lb/>
irmun. In beiden ſprachen wechſeln i, ë, ëo (ſ. 226.<lb/>
228.) i, ë, ia (283. 297.) zuweilen ſchwankend. zu-<lb/>
weilen geregelt (über welchen wechſel hernach eine<lb/>
vermuthung). Zumeiſt erſcheinen <hirendition="#i">ëo</hi> und <hirendition="#i">ia</hi>, gleich<lb/>
dem angelſ. ëa, nach h. r und in verbindungen<lb/>
mit h-, r-, l-, (nie in verbind. mit m-, n-) im<lb/>
frieſ. (ſ. 273. 274.) ein paralleles <hirendition="#i">iu</hi> nur in der verbin-<lb/>
dung <hirendition="#i">-cht, ie</hi> zuweilen vor <hirendition="#i">-ld, rd</hi> (field, ierd) im<lb/>
engl. trümmer vor <hirendition="#i">-ld</hi> (field, ſhield, yield) welche<lb/>
ich ſ. 542. nicht hätte nnorganiſch nennen ſollen.<lb/>
Über das hochd. <hirendition="#i">ie</hi> in kiel (navis) und krieche vgl.<lb/>
man ſ. 237. 302.<lb/><hirendition="#et">Zum überblick der unter 2 und 3 berührten laut-<lb/>
verhältniſſe folgende kurze tafel; eine vollſtändigere<lb/>
würde zu weitläuftig und bei dem ſchwanken der<lb/>
laute ſelbſt unausführbar werden:<lb/><table><row><cell>goth.</cell><cell>alth.</cell><cell>angelſ.</cell><cell>altn.</cell></row><lb/><row><cell>i</cell><cell>i. ë.</cell><cell>i. ë. ëo</cell><cell>i. ë. ia.</cell></row><lb/><row><cell>aír</cell><cell>ir. ër</cell><cell>ëor</cell><cell>iar</cell></row><lb/><row><cell>u</cell><cell>u. o</cell><cell>u. o</cell><cell>u. o</cell></row><lb/><row><cell>aúr</cell><cell>ur. or</cell><cell>or</cell><cell>or</cell></row><lb/></table></hi></item></list></div></div></body></text></TEI>
[575/0601]
I. überſicht der kurzen vocale.
verbreiten ſich in allen zweigen deutſcher zunge, (im
niederd. faſt bis zu verdrängung der i und u) ë und o,
welche nur der Gothe in ſolcher bezeichnung noch
gar nicht kennt, obſchon ihnen ſein beſchränkteres
aí, aú in der ausſprache nahe gekommen ſeyn mag.
3) (entſprung des ëo, ia aus i) beſondere aufmerkſam-
keit erregt eine verwandlung des i (keine analoge des
u) welche ſich im angelſ. und nord. zeigt. im goth.
und hochd. hingegen gänzlich mangelt. Auch die engl.
mundart verliert ſie beinahe wieder, dem ſchwed. und
dän. bleibt ſie. im frieſ. erſcheint ſie ſpurweiſe. Wäh-
rend nämlich im angelſ. und altn. (nicht anders als im
hochd.) ë aus i entſtand, zeigt ſich neben dieſem ë
ein angelſ. ëo und altn. ia. Im angelſ. verhält ſich ëo
zu i, wie ëa zu a, mëar, ëat, ſcëaft, ëald, ëarm ſte-
hen für mar, at, ſcaft, ald, arm; gerade ſo heorot,
ëoten, gëof, mëolc, ëormen für hirot, iten, gif, milc,
irmen. Ob ſchon dieſe parallele im altn. abgeht und
mar, at, ſkapt, aldr, armr unverwandelt gelten (ſpu-
ren wären jenes ſchwed. hård, gård, angelſ. hëard,
gëard); ſo ſtehen doch offenbar hiörtr, hiartar, giöf,
giafar, iötun, iörmun für hirtr, hirtar, gif, gifar, itun,
irmun. In beiden ſprachen wechſeln i, ë, ëo (ſ. 226.
228.) i, ë, ia (283. 297.) zuweilen ſchwankend. zu-
weilen geregelt (über welchen wechſel hernach eine
vermuthung). Zumeiſt erſcheinen ëo und ia, gleich
dem angelſ. ëa, nach h. r und in verbindungen
mit h-, r-, l-, (nie in verbind. mit m-, n-) im
frieſ. (ſ. 273. 274.) ein paralleles iu nur in der verbin-
dung -cht, ie zuweilen vor -ld, rd (field, ierd) im
engl. trümmer vor -ld (field, ſhield, yield) welche
ich ſ. 542. nicht hätte nnorganiſch nennen ſollen.
Über das hochd. ie in kiel (navis) und krieche vgl.
man ſ. 237. 302.
Zum überblick der unter 2 und 3 berührten laut-
verhältniſſe folgende kurze tafel; eine vollſtändigere
würde zu weitläuftig und bei dem ſchwanken der
laute ſelbſt unausführbar werden:
goth. alth. angelſ. altn.
i i. ë. i. ë. ëo i. ë. ia.
aír ir. ër ëor iar
u u. o u. o u. o
aúr ur. or or or
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/601>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.