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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. übersicht der kurzen vocale.
und n- verbindungen. zeigt das friesische, späterhin
auch das angels. (s. 224. 226.); spurweise das engl. in
omb, ong; durchgehends das altn. in ank, ang; das
schwed. nur noch in ang, das dän. hier gar nicht
mehr, dagegen in aand. Das dän. aand und old un-
terscheidet sich gerade von dem aus altn. ann, all
entsprungenen dän, and, ald. Die verwandlung des
goth. anth in odh, oth, des goth. aus in os, os, as
kann dem wegwurf des n zugehören. -- Erwägt
man nun überhaupt, welche veränderung a durch
folgende consonanz erfahre, so kehrt sich diese nach
zwein richtungen, entweder entspringt ä, e, ae oder
o, a, a, sogar o. In jenem falle bleibt die kürze, in
diesem begegnet kurzes o dem laugen a; mitten ein
steht das angels. ea. dessen ungewisse aussprache ich
s. 238. zu bestimmen versucht habe. Wenn darin auch
der a- laut in der regel überwog, so mag ausnahms-
weise und vielleicht landschaftlich das vorschlagende
e den accent auf sich gezogen haben, wie die über-
gänge in i (s. 238.) das frief. e, niederl. ae und selbst
das engl. ei in der form eight anzeigen. Beide ver-
wandlungen des reinen a in e und o berühren sich
mit den ungleich häufigeren entwickelungen des e
und o aus den reinen i und u lauten.
2) (entsprung des e und o aus i und u). Ungleich dem
festeren a leiden i und u abänderung nicht bloß in
jenen das a trübenden sprachen, sondern auch im
goth. und alth., folglich überall. Vor h und r wandeln
sich i und u in ein goth. ai, au, die ich von dem
org. goth. ai, au völlig geschieden habe. Ihre her-
kunft aus kurzem i, u bezeugt a) die analogie: bai-
ran, bar, berun, baurans steht parallel mit niman,
nam, nemun, numans, hieß also früher biran, bar,
berun, burans; saihvan, sahv, sehvun, saihvans pa-
rallel mit lisan, las, lesun, lisans, folglich früher sih-
van, sihvans. b) spur des i, u in andern dialecten,
namentlich dem alth.; vgl. birit, sihit, vihu, kipurt,
durnein mit goth. bairith, saihvith, faihu, gabaurths,
thaurneins. g) fortschreitende verwandlung in fällen,
wo der Gothe i und u behält. Nicht allein nämlich
vor h, r, sondern stufenweise und schwankend vor an-
dern consonanten, selbst geminierten, wird i und u
gestört, vgl. die mittelh. nemen, steln, genomen, ge-
stoln, vollen; die niederd. frede, sede, brennen, ge-
ronnen, vonden. -- Auf diesem wege erzeugen und
I. überſicht der kurzen vocale.
und n- verbindungen. zeigt das frieſiſche, ſpäterhin
auch das angelſ. (ſ. 224. 226.); ſpurweiſe das engl. in
omb, ong; durchgehends das altn. in ânk, âng; das
ſchwed. nur noch in ång, das dän. hier gar nicht
mehr, dagegen in aand. Das dän. aand und old un-
terſcheidet ſich gerade von dem aus altn. ann, all
entſprungenen dän, and, ald. Die verwandlung des
goth. anþ in odh, ôth, des goth. aus in os, ôs, âs
kann dem wegwurf des n zugehören. — Erwägt
man nun überhaupt, welche veränderung a durch
folgende conſonanz erfahre, ſo kehrt ſich dieſe nach
zwein richtungen, entweder entſpringt ä, e, ae oder
o, â, å, ſogar ô. In jenem falle bleibt die kürze, in
dieſem begegnet kurzes o dem laugen â; mitten ein
ſteht das angelſ. ëa. deſſen ungewiſſe ausſprache ich
ſ. 238. zu beſtimmen verſucht habe. Wenn darin auch
der a- laut in der regel überwog, ſo mag ausnahms-
weiſe und vielleicht landſchaftlich das vorſchlagende
e den accent auf ſich gezogen haben, wie die über-
gänge in i (ſ. 238.) das frief. e, niederl. ae und ſelbſt
das engl. î in der form îght anzeigen. Beide ver-
wandlungen des reinen a in e und o berühren ſich
mit den ungleich häufigeren entwickelungen des e
und o aus den reinen i und u lauten.
2) (entſprung des ë und o aus i und u). Ungleich dem
feſteren a leiden i und u abänderung nicht bloß in
jenen das a trübenden ſprachen, ſondern auch im
goth. und alth., folglich überall. Vor h und r wandeln
ſich i und u in ein goth. aí, aú, die ich von dem
org. goth. ái, áu völlig geſchieden habe. Ihre her-
kunft aus kurzem i, u bezeugt α) die analogie: baí-
ran, bar, bêrun, baúrans ſteht parallel mit niman,
nam, nêmun, numans, hieß alſo früher biran, bar,
bêrun, burans; ſaihvan, ſahv, ſêhvun, ſaíhvans pa-
rallel mit liſan, las, lêſun, liſans, folglich früher ſih-
van, ſihvans. β) ſpur des i, u in andern dialecten,
namentlich dem alth.; vgl. birit, ſihit, vihu, kipurt,
durnîn mit goth. baíriþ, ſaíhviþ, faíhu, gabaúrþs,
þaúrneins. γ) fortſchreitende verwandlung in fällen,
wo der Gothe i und u behält. Nicht allein nämlich
vor h, r, ſondern ſtufenweiſe und ſchwankend vor an-
dern conſonanten, ſelbſt geminierten, wird i und u
geſtört, vgl. die mittelh. nëmen, ſtëln, genomen, ge-
ſtoln, vollen; die niederd. frëde, ſëde, brënnen, ge-
ronnen, vonden. — Auf dieſem wege erzeugen und
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[574/0600] I. überſicht der kurzen vocale. und n- verbindungen. zeigt das frieſiſche, ſpäterhin auch das angelſ. (ſ. 224. 226.); ſpurweiſe das engl. in omb, ong; durchgehends das altn. in ânk, âng; das ſchwed. nur noch in ång, das dän. hier gar nicht mehr, dagegen in aand. Das dän. aand und old un- terſcheidet ſich gerade von dem aus altn. ann, all entſprungenen dän, and, ald. Die verwandlung des goth. anþ in odh, ôth, des goth. aus in os, ôs, âs kann dem wegwurf des n zugehören. — Erwägt man nun überhaupt, welche veränderung a durch folgende conſonanz erfahre, ſo kehrt ſich dieſe nach zwein richtungen, entweder entſpringt ä, e, ae oder o, â, å, ſogar ô. In jenem falle bleibt die kürze, in dieſem begegnet kurzes o dem laugen â; mitten ein ſteht das angelſ. ëa. deſſen ungewiſſe ausſprache ich ſ. 238. zu beſtimmen verſucht habe. Wenn darin auch der a- laut in der regel überwog, ſo mag ausnahms- weiſe und vielleicht landſchaftlich das vorſchlagende e den accent auf ſich gezogen haben, wie die über- gänge in i (ſ. 238.) das frief. e, niederl. ae und ſelbſt das engl. î in der form îght anzeigen. Beide ver- wandlungen des reinen a in e und o berühren ſich mit den ungleich häufigeren entwickelungen des e und o aus den reinen i und u lauten. 2) (entſprung des ë und o aus i und u). Ungleich dem feſteren a leiden i und u abänderung nicht bloß in jenen das a trübenden ſprachen, ſondern auch im goth. und alth., folglich überall. Vor h und r wandeln ſich i und u in ein goth. aí, aú, die ich von dem org. goth. ái, áu völlig geſchieden habe. Ihre her- kunft aus kurzem i, u bezeugt α) die analogie: baí- ran, bar, bêrun, baúrans ſteht parallel mit niman, nam, nêmun, numans, hieß alſo früher biran, bar, bêrun, burans; ſaihvan, ſahv, ſêhvun, ſaíhvans pa- rallel mit liſan, las, lêſun, liſans, folglich früher ſih- van, ſihvans. β) ſpur des i, u in andern dialecten, namentlich dem alth.; vgl. birit, ſihit, vihu, kipurt, durnîn mit goth. baíriþ, ſaíhviþ, faíhu, gabaúrþs, þaúrneins. γ) fortſchreitende verwandlung in fällen, wo der Gothe i und u behält. Nicht allein nämlich vor h, r, ſondern ſtufenweiſe und ſchwankend vor an- dern conſonanten, ſelbſt geminierten, wird i und u geſtört, vgl. die mittelh. nëmen, ſtëln, genomen, ge- ſtoln, vollen; die niederd. frëde, ſëde, brënnen, ge- ronnen, vonden. — Auf dieſem wege erzeugen und

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/600>, abgerufen am 28.07.2024.