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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelniederländische consonanten. guttural.
ist er sorgfältiger beachtet, als in den ausg. Maerlants,
ohne zweifel aber begründet und uralt, wie schon die
alth. analogie einiger mundarten beweist (s. 183.). Ob
dem wechsel zwischen g und gh der zwischen c und k
begegene, habe ich vorhin gefragt; eine unähnlichkeit
beider liegt übrigens darin, daß k auslautend und bei
syncopen zu c wird, hingegen gh nicht zu g. sondern
ch. Dem unwandelbaren goth. g in giban, gaf, manag,
managan, steigan, staig entsprechen drei niederl. laut-
modificationen in gheven, gaf, menech, meneghen,
stighen, stech. -- Übergänge der med. in den voc. u,
vermittelst des w sind mehr bemerkt worden, hier finde
ich: becnause (corrode eam) Rein. 280. st. becnaechse
von becnaghen; soghen (sues):moghen Maerl. 1, 102 etc.
Vom übergang in j sogleich.

(J) vom vocal i genau zu sondern, man schreibe
iemen (aliquis) niemen (nemo,:sniemen Maerl. 1, 156.)
iet (aliquid, : hiet Rein. 369.) aber jeghen (contra); fälsch-
lich Huyd. op St. 2, 189. jegheleic f. iegheleic, 2, 215.
das richtige ie (unquam). -- Dieses j kommt überein
1) mit dem mittelh. in ja (imo) jaghen (venari) jaer
(annus) jammer (planctus) jonc (juvenis). 2) mit dem
mittelh. g in jeghen (contra) jan (favet) jonnen (favere)
jonste (favebat) jicht oder jucht (arthritis Maerl. 2, 338.);
umgekehrt steht ghene oder gone (ille) und beghien
(confiteri) Rein. 360. st. des mittelh. jener, jehen. 3) in
roman. wörtern als jeste, joeste, joye, jufroet etc. 4) zu-
weilen schwindet es völlig, z. b. in tegen st. te-jeghen,
t'jeghen (Huyd. op St. 2, 255.) mittelh. ze- gegene
(Nib. 6747.) angels. togägnes. Ob biechte (confessio) Rein.
360. aus bjechte, bejechte, beghichte entspringt? 5) in-
lautend wohl sehr selten, und vielleicht zu i oder gh
geworden, ich finde merje (equa, merie?) Maerl. 1, 196.
die roman. maelghe, faelghe (maille, faille) Huyd. op
St. 2, 136. herghen (depopulari) id. 1, 362.

(CH) mehrfach, 1) vertritt im auslaut (im inlaut bei
syncope) das gh, als pleghen, plach; nighen, nech;
slaghen, sloech; vraghen, vraechde; claghen, claechde;
dach, gen. daghes (dies) menech (multus) honich, gen.
honichs oder honighes (mel) heilech, gheheilecht oder
gheheileghet; oghe (oculus) ochsienleic (manifestus Maerl.
1, 101.) mach (potest) maechscien (forsan, d. h. evenire
potest, neuniederl. in misschien verdreht, Huyd. op St.
2, 380.). Ausgenommen die liq. verbindung nghe, welche
ausl, nc bekommt, z. b. coninc, gen. coninx oder co-

I. mittelniederländiſche conſonanten. guttural.
iſt er ſorgfältiger beachtet, als in den ausg. Maerlants,
ohne zweifel aber begründet und uralt, wie ſchon die
alth. analogie einiger mundarten beweiſt (ſ. 183.). Ob
dem wechſel zwiſchen g und gh der zwiſchen c und k
begegene, habe ich vorhin gefragt; eine unähnlichkeit
beider liegt übrigens darin, daß k auslautend und bei
ſyncopen zu c wird, hingegen gh nicht zu g. ſondern
ch. Dem unwandelbaren goth. g in giban, gaf, manag,
managan, ſteigan, ſtáig entſprechen drei niederl. laut-
modificationen in ghëven, gaf, mënech, mëneghen,
ſtighen, ſtêch. — Übergänge der med. in den voc. u,
vermittelſt des w ſind mehr bemerkt worden, hier finde
ich: becnauſe (corrode eam) Rein. 280. ſt. becnaechſe
von becnaghen; ſoghen (ſues):moghen Maerl. 1, 102 etc.
Vom übergang in j ſogleich.

(J) vom vocal i genau zu ſondern, man ſchreibe
iemen (aliquis) niemen (nemo,:ſniemen Maerl. 1, 156.)
iet (aliquid, : hiet Rein. 369.) aber jëghen (contra); fälſch-
lich Huyd. op St. 2, 189. jëghelîc f. ieghelîc, 2, 215.
das richtige ie (unquam). — Dieſes j kommt überein
1) mit dem mittelh. in jâ (imo) jaghen (venari) jaer
(annus) jammer (planctus) jonc (juvenis). 2) mit dem
mittelh. g in jëghen (contra) jan (favet) jonnen (favere)
jonſte (favebat) jicht oder jucht (arthritis Maerl. 2, 338.);
umgekehrt ſteht ghëne oder gone (ille) und beghien
(confiteri) Rein. 360. ſt. des mittelh. jëner, jëhen. 3) in
roman. wörtern als jêſte, joeſte, joye, jufroet etc. 4) zu-
weilen ſchwindet es völlig, z. b. in tëgen ſt. të-jëghen,
t’jëghen (Huyd. op St. 2, 255.) mittelh. zë- gëgene
(Nib. 6747.) angelſ. togägnes. Ob biechte (confeſſio) Rein.
360. aus bjëchte, bejëchte, beghichte entſpringt? 5) in-
lautend wohl ſehr ſelten, und vielleicht zu i oder gh
geworden, ich finde merje (equa, merie?) Maerl. 1, 196.
die roman. maelghe, faelghe (maille, faille) Huyd. op
St. 2, 136. hërghen (depopulari) id. 1, 362.

(CH) mehrfach, 1) vertritt im auslaut (im inlaut bei
ſyncope) das gh, als plëghen, plach; nighen, nêch;
ſlaghen, ſloech; vraghen, vraechde; claghen, claechde;
dach, gen. daghes (dies) mënech (multus) honich, gen.
honichs oder honighes (mel) heilech, gheheilecht oder
gheheileghet; oghe (oculus) ôchſienlîc (manifeſtus Maerl.
1, 101.) mach (poteſt) maechſcien (forſan, d. h. evenire
poteſt, neuniederl. in miſſchien verdreht, Huyd. op St.
2, 380.). Ausgenommen die liq. verbindung nghe, welche
ausl, nc bekommt, z. b. coninc, gen. coninx oder co-

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[501/0527] I. mittelniederländiſche conſonanten. guttural. iſt er ſorgfältiger beachtet, als in den ausg. Maerlants, ohne zweifel aber begründet und uralt, wie ſchon die alth. analogie einiger mundarten beweiſt (ſ. 183.). Ob dem wechſel zwiſchen g und gh der zwiſchen c und k begegene, habe ich vorhin gefragt; eine unähnlichkeit beider liegt übrigens darin, daß k auslautend und bei ſyncopen zu c wird, hingegen gh nicht zu g. ſondern ch. Dem unwandelbaren goth. g in giban, gaf, manag, managan, ſteigan, ſtáig entſprechen drei niederl. laut- modificationen in ghëven, gaf, mënech, mëneghen, ſtighen, ſtêch. — Übergänge der med. in den voc. u, vermittelſt des w ſind mehr bemerkt worden, hier finde ich: becnauſe (corrode eam) Rein. 280. ſt. becnaechſe von becnaghen; ſoghen (ſues):moghen Maerl. 1, 102 etc. Vom übergang in j ſogleich. (J) vom vocal i genau zu ſondern, man ſchreibe iemen (aliquis) niemen (nemo,:ſniemen Maerl. 1, 156.) iet (aliquid, : hiet Rein. 369.) aber jëghen (contra); fälſch- lich Huyd. op St. 2, 189. jëghelîc f. ieghelîc, 2, 215. das richtige ie (unquam). — Dieſes j kommt überein 1) mit dem mittelh. in jâ (imo) jaghen (venari) jaer (annus) jammer (planctus) jonc (juvenis). 2) mit dem mittelh. g in jëghen (contra) jan (favet) jonnen (favere) jonſte (favebat) jicht oder jucht (arthritis Maerl. 2, 338.); umgekehrt ſteht ghëne oder gone (ille) und beghien (confiteri) Rein. 360. ſt. des mittelh. jëner, jëhen. 3) in roman. wörtern als jêſte, joeſte, joye, jufroet etc. 4) zu- weilen ſchwindet es völlig, z. b. in tëgen ſt. të-jëghen, t’jëghen (Huyd. op St. 2, 255.) mittelh. zë- gëgene (Nib. 6747.) angelſ. togägnes. Ob biechte (confeſſio) Rein. 360. aus bjëchte, bejëchte, beghichte entſpringt? 5) in- lautend wohl ſehr ſelten, und vielleicht zu i oder gh geworden, ich finde merje (equa, merie?) Maerl. 1, 196. die roman. maelghe, faelghe (maille, faille) Huyd. op St. 2, 136. hërghen (depopulari) id. 1, 362. (CH) mehrfach, 1) vertritt im auslaut (im inlaut bei ſyncope) das gh, als plëghen, plach; nighen, nêch; ſlaghen, ſloech; vraghen, vraechde; claghen, claechde; dach, gen. daghes (dies) mënech (multus) honich, gen. honichs oder honighes (mel) heilech, gheheilecht oder gheheileghet; oghe (oculus) ôchſienlîc (manifeſtus Maerl. 1, 101.) mach (poteſt) maechſcien (forſan, d. h. evenire poteſt, neuniederl. in miſſchien verdreht, Huyd. op St. 2, 380.). Ausgenommen die liq. verbindung nghe, welche ausl, nc bekommt, z. b. coninc, gen. coninx oder co-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/527>, abgerufen am 14.06.2024.