Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite
I. mittelhochdeutsche consonanten. gutturales.
(excitavit) die früherhin genan geschieden wachete,
wahte und wacte lauten. Schwache verba, deren e
dem alth. i entspricht, werfen es schon leichter aus,
gewisse praet. nothwendig, ruochen, suochen haben
im praet. ein unerläßliches ht, ruohte, suohte, wel-
ches schon im alth ruohta, suohta (vgl. goth. sohta,
nord. sotti) hieß und richtig auf schuohte (calceavit)
reimt (Loh. 22.), kaum auf fluohte f. fluochte (maledixit),
Unter einander reimen sie oft, auch im part. geruoht, ver-
suoht (Trist. 45a 141c troj. 158c); das zus. gezogne praes.
aber könnte zum unterschiede sehr wohl ruocht, suocht
(f. suochet, goth. sokeith) haben. Dieser org. umlaut des
ch in h (goth. k in h) entspricht dem des ß in s (goth.
t in s) bei wiste, mnoste und wie letztern kein gruoste
zur seite steht (oben s. 415.) scheint auch neben ruohte,
suohte ein mahte unzuläßig, wenigstens nach der
theorie; später führte sichs ein. Man beobachte, ob
alte, sorgfältige schreiber ruocht, suocht im praes.,
ruohte, suohte im praet. setzen; ob sie machte (fecit)
wachte (vigilavit) von wahte (vigiliae) mahte (potuit)
unterscheiden? Der s. gall. Parc. hat zwar suochte
111c aber ebend. auch dachte f. dahte. Wäre ht
allgemein aus chet entsprungen, so fänden sich bei
älteren dichtern nahliegende reime wie briht, spriht etc.
auf niht, iht etc. häufig vor. Allmählig mochte die aus-
sprache für den unterschied zwischen ht und cht un-
empfänglich werden; im neuh. hat er sich eben ganz ver-
wischt, jenes geruhte (f. geruohte, dignatus est) abgerech-
net, aus dem man dafür den falschen inf. geruhen leitete.
11) auch zwischen dem org. hs (s. unten die verbindung)
und dem zus. gestoßenen chs wird verschiedenheit ob-
walten. Letzteres kommt seltner vor, z. b. in ge-
reichsen (imperare) oder der inclin. ichse (Parc. 65a). --

(J) wird in keiner mittelh. hs. vom vocal i ge-
schieden, und ist

1) anlautend unbedenklich, aber in deutschen wörtern
unhäufig, vgl. ja. jagen. jamer. jar. jehen, jach, jahen.
jeten, jat, jaten. jesen, jas, jaren, jener. joch (goth.
juk) joch (goth. jah) junc, jugent. jucken. Vor i be-
steht es nicht (wohl aber vor e. folglich abweichend
vom alth. s. 187; vielleicht weil die aussprache das e
dem e schon näher gebracht hatte?) sondern tritt
äußerlich in die med. über; vgl. das praes. der drei
angeführten starken verba gich (fateor) giht; so auch
E e
I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
(excitavit) die früherhin genan geſchieden wachete,
wahte und wacte lauten. Schwache verba, deren e
dem alth. i entſpricht, werfen es ſchon leichter aus,
gewiſſe praet. nothwendig, ruochen, ſuochen haben
im praet. ein unerläßliches ht, ruohte, ſuohte, wel-
ches ſchon im alth ruohta, ſuohta (vgl. goth. ſôhta,
nord. ſôtti) hieß und richtig auf ſchuohte (calceavit)
reimt (Loh. 22.), kaum auf fluohte f. fluochte (maledixit),
Unter einander reimen ſie oft, auch im part. geruoht, ver-
ſuoht (Triſt. 45a 141c troj. 158c); das zuſ. gezogne praeſ.
aber könnte zum unterſchiede ſehr wohl ruocht, ſuocht
(f. ſuochet, goth. ſôkeiþ) haben. Dieſer org. umlaut des
ch in h (goth. k in h) entſpricht dem des Ʒ in ſ (goth.
t in ſ) bei wiſte, mnoſte und wie letztern kein gruoſte
zur ſeite ſteht (oben ſ. 415.) ſcheint auch neben ruohte,
ſuohte ein mahte unzuläßig, wenigſtens nach der
theorie; ſpäter führte ſichs ein. Man beobachte, ob
alte, ſorgfältige ſchreiber ruocht, ſuocht im praeſ.,
ruohte, ſuohte im praet. ſetzen; ob ſie machte (fecit)
wachte (vigilavit) von wahte (vigiliae) mahte (potuit)
unterſcheiden? Der ſ. gall. Parc. hat zwar ſuochte
111c aber ebend. auch dachte f. dahte. Wäre ht
allgemein aus chet entſprungen, ſo fänden ſich bei
älteren dichtern nahliegende reime wie briht, ſpriht etc.
auf niht, iht etc. häufig vor. Allmählig mochte die aus-
ſprache für den unterſchied zwiſchen ht und cht un-
empfänglich werden; im neuh. hat er ſich eben ganz ver-
wiſcht, jenes geruhte (f. geruohte, dignatus eſt) abgerech-
net, aus dem man dafür den falſchen inf. geruhen leitete.
11) auch zwiſchen dem org. hs (ſ. unten die verbindung)
und dem zuſ. geſtoßenen chs wird verſchiedenheit ob-
walten. Letzteres kommt ſeltner vor, z. b. in ge-
rîchſen (imperare) oder der inclin. ichſe (Parc. 65a). —

(J) wird in keiner mittelh. hſ. vom vocal i ge-
ſchieden, und iſt

1) anlautend unbedenklich, aber in deutſchen wörtern
unhäufig, vgl. jâ. jagen. jâmer. jâr. jëhen, jach, jâhen.
jëten, jat, jâten. jëſen, jas, jâren, jëner. joch (goth.
juk) joch (goth. jah) junc, jugent. jucken. Vor i be-
ſteht es nicht (wohl aber vor ë. folglich abweichend
vom alth. ſ. 187; vielleicht weil die ausſprache das ë
dem e ſchon näher gebracht hatte?) ſondern tritt
äußerlich in die med. über; vgl. das praeſ. der drei
angeführten ſtarken verba gich (fateor) giht; ſo auch
E e
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <list>
                <item><pb facs="#f0459" n="433"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">mittelhochdeut&#x017F;che con&#x017F;onanten. gutturales.</hi></fw><lb/>
(excitavit) die früherhin genan ge&#x017F;chieden wachete,<lb/>
wahte und wacte lauten. Schwache verba, deren e<lb/>
dem alth. i ent&#x017F;pricht, werfen es &#x017F;chon leichter aus,<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;e praet. nothwendig, ruochen, &#x017F;uochen haben<lb/>
im praet. ein unerläßliches ht, <hi rendition="#i">ruohte, &#x017F;uohte</hi>, wel-<lb/>
ches &#x017F;chon im alth ruohta, &#x017F;uohta (vgl. goth. &#x017F;ôhta,<lb/>
nord. &#x017F;ôtti) hieß und richtig auf &#x017F;chuohte (calceavit)<lb/>
reimt (Loh. 22.), kaum auf fluohte f. fluochte (maledixit),<lb/>
Unter einander reimen &#x017F;ie oft, auch im part. geruoht, ver-<lb/>
&#x017F;uoht (Tri&#x017F;t. 45<hi rendition="#sup">a</hi> 141<hi rendition="#sup">c</hi> troj. 158<hi rendition="#sup">c</hi>); das zu&#x017F;. gezogne prae&#x017F;.<lb/>
aber könnte zum unter&#x017F;chiede &#x017F;ehr wohl ruocht, &#x017F;uocht<lb/>
(f. &#x017F;uochet, goth. &#x017F;ôkeiþ) haben. Die&#x017F;er org. umlaut des<lb/>
ch in h (goth. k in h) ent&#x017F;pricht dem des &#x01B7; in &#x017F; (goth.<lb/>
t in &#x017F;) bei wi&#x017F;te, mno&#x017F;te und wie letztern kein gruo&#x017F;te<lb/>
zur &#x017F;eite &#x017F;teht (oben &#x017F;. 415.) &#x017F;cheint auch neben ruohte,<lb/>
&#x017F;uohte ein mahte unzuläßig, wenig&#x017F;tens nach der<lb/>
theorie; &#x017F;päter führte &#x017F;ichs ein. Man beobachte, ob<lb/>
alte, &#x017F;orgfältige &#x017F;chreiber ruocht, &#x017F;uocht im prae&#x017F;.,<lb/>
ruohte, &#x017F;uohte im praet. &#x017F;etzen; ob &#x017F;ie machte (fecit)<lb/>
wachte (vigilavit) von wahte (vigiliae) mahte (potuit)<lb/>
unter&#x017F;cheiden? Der &#x017F;. gall. Parc. hat zwar &#x017F;uochte<lb/>
111<hi rendition="#sup">c</hi> aber ebend. auch dachte f. dahte. Wäre <hi rendition="#i">ht</hi><lb/>
allgemein aus <hi rendition="#i">chet</hi> ent&#x017F;prungen, &#x017F;o fänden &#x017F;ich bei<lb/>
älteren dichtern nahliegende reime wie briht, &#x017F;priht etc.<lb/>
auf niht, iht etc. häufig vor. Allmählig mochte die aus-<lb/>
&#x017F;prache für den unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen ht und cht un-<lb/>
empfänglich werden; im neuh. hat er &#x017F;ich eben ganz ver-<lb/>
wi&#x017F;cht, jenes geruhte (f. geruohte, dignatus e&#x017F;t) abgerech-<lb/>
net, aus dem man dafür den fal&#x017F;chen inf. geruhen leitete.</item><lb/>
                <item>11) auch zwi&#x017F;chen dem org. <hi rendition="#i">hs</hi> (&#x017F;. unten die verbindung)<lb/>
und dem zu&#x017F;. ge&#x017F;toßenen <hi rendition="#i">chs</hi> wird ver&#x017F;chiedenheit ob-<lb/>
walten. Letzteres kommt &#x017F;eltner vor, z. b. in ge-<lb/>
rîch&#x017F;en (imperare) oder der inclin. ich&#x017F;e (Parc. 65<hi rendition="#sup">a</hi>). &#x2014;</item>
              </list><lb/>
              <p>(J) wird in keiner mittelh. h&#x017F;. vom vocal i ge-<lb/>
&#x017F;chieden, und i&#x017F;t</p><lb/>
              <list>
                <item>1) <hi rendition="#i">anlautend</hi> unbedenklich, aber in deut&#x017F;chen wörtern<lb/>
unhäufig, vgl. jâ. jagen. jâmer. jâr. jëhen, jach, jâhen.<lb/>
jëten, jat, jâten. jë&#x017F;en, jas, jâren, jëner. joch (goth.<lb/>
juk) joch (goth. jah) junc, jugent. jucken. Vor i be-<lb/>
&#x017F;teht es nicht (wohl aber vor ë. folglich abweichend<lb/>
vom alth. &#x017F;. 187; vielleicht weil die aus&#x017F;prache das ë<lb/>
dem e &#x017F;chon näher gebracht hatte?) &#x017F;ondern tritt<lb/>
äußerlich in die med. über; vgl. das prae&#x017F;. der drei<lb/>
angeführten &#x017F;tarken verba gich (fateor) giht; &#x017F;o auch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E e</fw><lb/></item>
              </list>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[433/0459] I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales. (excitavit) die früherhin genan geſchieden wachete, wahte und wacte lauten. Schwache verba, deren e dem alth. i entſpricht, werfen es ſchon leichter aus, gewiſſe praet. nothwendig, ruochen, ſuochen haben im praet. ein unerläßliches ht, ruohte, ſuohte, wel- ches ſchon im alth ruohta, ſuohta (vgl. goth. ſôhta, nord. ſôtti) hieß und richtig auf ſchuohte (calceavit) reimt (Loh. 22.), kaum auf fluohte f. fluochte (maledixit), Unter einander reimen ſie oft, auch im part. geruoht, ver- ſuoht (Triſt. 45a 141c troj. 158c); das zuſ. gezogne praeſ. aber könnte zum unterſchiede ſehr wohl ruocht, ſuocht (f. ſuochet, goth. ſôkeiþ) haben. Dieſer org. umlaut des ch in h (goth. k in h) entſpricht dem des Ʒ in ſ (goth. t in ſ) bei wiſte, mnoſte und wie letztern kein gruoſte zur ſeite ſteht (oben ſ. 415.) ſcheint auch neben ruohte, ſuohte ein mahte unzuläßig, wenigſtens nach der theorie; ſpäter führte ſichs ein. Man beobachte, ob alte, ſorgfältige ſchreiber ruocht, ſuocht im praeſ., ruohte, ſuohte im praet. ſetzen; ob ſie machte (fecit) wachte (vigilavit) von wahte (vigiliae) mahte (potuit) unterſcheiden? Der ſ. gall. Parc. hat zwar ſuochte 111c aber ebend. auch dachte f. dahte. Wäre ht allgemein aus chet entſprungen, ſo fänden ſich bei älteren dichtern nahliegende reime wie briht, ſpriht etc. auf niht, iht etc. häufig vor. Allmählig mochte die aus- ſprache für den unterſchied zwiſchen ht und cht un- empfänglich werden; im neuh. hat er ſich eben ganz ver- wiſcht, jenes geruhte (f. geruohte, dignatus eſt) abgerech- net, aus dem man dafür den falſchen inf. geruhen leitete. 11) auch zwiſchen dem org. hs (ſ. unten die verbindung) und dem zuſ. geſtoßenen chs wird verſchiedenheit ob- walten. Letzteres kommt ſeltner vor, z. b. in ge- rîchſen (imperare) oder der inclin. ichſe (Parc. 65a). — (J) wird in keiner mittelh. hſ. vom vocal i ge- ſchieden, und iſt 1) anlautend unbedenklich, aber in deutſchen wörtern unhäufig, vgl. jâ. jagen. jâmer. jâr. jëhen, jach, jâhen. jëten, jat, jâten. jëſen, jas, jâren, jëner. joch (goth. juk) joch (goth. jah) junc, jugent. jucken. Vor i be- ſteht es nicht (wohl aber vor ë. folglich abweichend vom alth. ſ. 187; vielleicht weil die ausſprache das ë dem e ſchon näher gebracht hatte?) ſondern tritt äußerlich in die med. über; vgl. das praeſ. der drei angeführten ſtarken verba gich (fateor) giht; ſo auch E e

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/459
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/459>, abgerufen am 01.06.2024.