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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelhochdeutsche consonanten. gutturales.
die mir noch nicht vorgekommenen gite (evello) gitet,
git und gise (fermentesco) gist (neuh. gische, gischt
mit verwandeltem s in sch vorhin s. 42 [ - 1 Zeichen fehlt].). Dieser
übergang in die med. bewährt die consonantische na-
tur des j, welche ferner daraus erhellt, daß die alth.
ia, io, iu zu ie geworden, die ja, jo, ju aber ge-
blieben sind, endlich aus der verwandlung des ie in i,
vgl. iemer, iegenote mit immer, igenote (s. 384. 372.)
Man gewöhne sich joch, juchart auders auszusprechen,
als iuch (vos) und iuwele (noctua) nicht wie das
neuh. juweel; nur muß j (und an seiner statt g) we-
niger breit als ein reines g anlauten, aus begiht (con-
fessio) konnte sich bihte zus. ziehen (vgl. beihte:leihte,
seihte Misc. 2, 215. Parc. 26a) nicht aber aus gegihte
(arthritis) ein geihte. -- Da die fremden sprachen über-
haupt keinen diphth. ia, ie, io, iu besitzen, folglich
auch im anlaut nicht, so findet in aufgenommenen
namen und wörtern überall j statt, vgl. jachant, jaspis,
jesus, jacop, josef, jafite, joram, jeschaute, jaudas, jaude.
Das ist freilich dem goth. brauche ganz entgegen,
denn Ulph. schreibt iakob, iesus, iuda, iudaius (oben
s. 70.) nicht jakob etc., und wegen dieser verschie
denheit hätte ich oben s. 187. nicht sagen sollen, daß
sich für fremde namen ein alth. j von selbst verstünde.
Man müste achten, ob Otfrieds accente etwas ent-
scheiden, ob er nämlich iohannan, iudase oder iohan-
nan, iudase setzt? nur in letzterm fall wäre j auszu-
sprechen. Allein ich glaube beinahe ersteres, da die
wenigen mir gerade zugänglichen accentuierten stel-
len, nämlich epil. 61. 165. 196. im cod. vind. iacobe,
iosepe, iohane gewähren. Im alth. also wie im goth.;
im mittelh. wird aber, eben weil sich die wahren
diphth. ia, io, iu (meistens) verloren und in ie ver-
dünnt hatten, vor dem (dazu nach s. 331. verlänger-
ten) voc. fremder wörter gewiß ein j gelten. Ein-
zelne rom j sind nach besonderer mundart in ein
deutsches sch übergegangen, als joie schoie (s. 421.)
oder auch tsch als tschofreit (jeofroi) jouste, joste so-
gar in den völlig undeutschen anlaut tjost.
2) inlautendes j. Dem Gothen wandelte sich jedes inl.
flexions i in j sobald vocal darauf folgte (s. 69.) als
kuni, kunja; qvemi qvemjau; diese regel ist (s. 188.)
auts alth. angewendet worden, doch noch unerwie-
sen (ich verweise auf die abhandlung der flexionsen-
dungen). Fürs mittelh. dürfte sie noch schwerer zu
I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
die mir noch nicht vorgekommenen gite (evello) gitet,
git und giſe (fermenteſco) giſt (neuh. giſche, giſcht
mit verwandeltem ſ in ſch vorhin ſ. 42 [ – 1 Zeichen fehlt].). Dieſer
übergang in die med. bewährt die conſonantiſche na-
tur des j, welche ferner daraus erhellt, daß die alth.
ia, io, iu zu ie geworden, die ja, jo, ju aber ge-
blieben ſind, endlich aus der verwandlung des ie in i,
vgl. iemer, iegenote mit immer, igenote (ſ. 384. 372.)
Man gewöhne ſich joch, juchart auders auszuſprechen,
als iuch (vos) und iuwele (noctua) nicht wie das
neuh. juweel; nur muß j (und an ſeiner ſtatt g) we-
niger breit als ein reines g anlauten, aus begiht (con-
feſſio) konnte ſich bìhte zuſ. ziehen (vgl. bîhte:lîhte,
ſîhte Miſc. 2, 215. Parc. 26a) nicht aber aus gegihte
(arthritis) ein gîhte. — Da die fremden ſprachen über-
haupt keinen diphth. ia, ie, io, iu beſitzen, folglich
auch im anlaut nicht, ſo findet in aufgenommenen
namen und wörtern überall j ſtatt, vgl. jâchant, jâſpis,
jêſus, jâcôp, jôſèf, jâfìte, jôrâm, jêſchûte, jûdas, jûde.
Das iſt freilich dem goth. brauche ganz entgegen,
denn Ulph. ſchreibt ïakôb, ïêſus, ïuda, ïudáius (oben
ſ. 70.) nicht jakôb etc., und wegen dieſer verſchie
denheit hätte ich oben ſ. 187. nicht ſagen ſollen, daß
ſich für fremde namen ein alth. j von ſelbſt verſtünde.
Man müſte achten, ob Otfrieds accente etwas ent-
ſcheiden, ob er nämlich íohannan, iudaſe oder ióhan-
nan, iúdaſe ſetzt? nur in letzterm fall wäre j auszu-
ſprechen. Allein ich glaube beinahe erſteres, da die
wenigen mir gerade zugänglichen accentuierten ſtel-
len, nämlich epil. 61. 165. 196. im cod. vind. íacobe,
íoſepe, íohane gewähren. Im alth. alſo wie im goth.;
im mittelh. wird aber, eben weil ſich die wahren
diphth. ia, io, iu (meiſtens) verloren und in ie ver-
dünnt hatten, vor dem (dazu nach ſ. 331. verlänger-
ten) voc. fremder wörter gewiß ein j gelten. Ein-
zelne rom j ſind nach beſonderer mundart in ein
deutſches ſch übergegangen, als joie ſchoie (ſ. 421.)
oder auch tſch als tſchôfreit (jeofroi) jouſte, joſte ſo-
gar in den völlig undeutſchen anlaut tjoſt.
2) inlautendes j. Dem Gothen wandelte ſich jedes inl.
flexions i in j ſobald vocal darauf folgte (ſ. 69.) als
kuni, kunja; qvêmi qvêmjáu; dieſe regel iſt (ſ. 188.)
auts alth. angewendet worden, doch noch unerwie-
ſen (ich verweiſe auf die abhandlung der flexionsen-
dungen). Fürs mittelh. dürfte ſie noch ſchwerer zu
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[434/0460] I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales. die mir noch nicht vorgekommenen gite (evello) gitet, git und giſe (fermenteſco) giſt (neuh. giſche, giſcht mit verwandeltem ſ in ſch vorhin ſ. 42 _.). Dieſer übergang in die med. bewährt die conſonantiſche na- tur des j, welche ferner daraus erhellt, daß die alth. ia, io, iu zu ie geworden, die ja, jo, ju aber ge- blieben ſind, endlich aus der verwandlung des ie in i, vgl. iemer, iegenote mit immer, igenote (ſ. 384. 372.) Man gewöhne ſich joch, juchart auders auszuſprechen, als iuch (vos) und iuwele (noctua) nicht wie das neuh. juweel; nur muß j (und an ſeiner ſtatt g) we- niger breit als ein reines g anlauten, aus begiht (con- feſſio) konnte ſich bìhte zuſ. ziehen (vgl. bîhte:lîhte, ſîhte Miſc. 2, 215. Parc. 26a) nicht aber aus gegihte (arthritis) ein gîhte. — Da die fremden ſprachen über- haupt keinen diphth. ia, ie, io, iu beſitzen, folglich auch im anlaut nicht, ſo findet in aufgenommenen namen und wörtern überall j ſtatt, vgl. jâchant, jâſpis, jêſus, jâcôp, jôſèf, jâfìte, jôrâm, jêſchûte, jûdas, jûde. Das iſt freilich dem goth. brauche ganz entgegen, denn Ulph. ſchreibt ïakôb, ïêſus, ïuda, ïudáius (oben ſ. 70.) nicht jakôb etc., und wegen dieſer verſchie denheit hätte ich oben ſ. 187. nicht ſagen ſollen, daß ſich für fremde namen ein alth. j von ſelbſt verſtünde. Man müſte achten, ob Otfrieds accente etwas ent- ſcheiden, ob er nämlich íohannan, iudaſe oder ióhan- nan, iúdaſe ſetzt? nur in letzterm fall wäre j auszu- ſprechen. Allein ich glaube beinahe erſteres, da die wenigen mir gerade zugänglichen accentuierten ſtel- len, nämlich epil. 61. 165. 196. im cod. vind. íacobe, íoſepe, íohane gewähren. Im alth. alſo wie im goth.; im mittelh. wird aber, eben weil ſich die wahren diphth. ia, io, iu (meiſtens) verloren und in ie ver- dünnt hatten, vor dem (dazu nach ſ. 331. verlänger- ten) voc. fremder wörter gewiß ein j gelten. Ein- zelne rom j ſind nach beſonderer mundart in ein deutſches ſch übergegangen, als joie ſchoie (ſ. 421.) oder auch tſch als tſchôfreit (jeofroi) jouſte, joſte ſo- gar in den völlig undeutſchen anlaut tjoſt. 2) inlautendes j. Dem Gothen wandelte ſich jedes inl. flexions i in j ſobald vocal darauf folgte (ſ. 69.) als kuni, kunja; qvêmi qvêmjáu; dieſe regel iſt (ſ. 188.) auts alth. angewendet worden, doch noch unerwie- ſen (ich verweiſe auf die abhandlung der flexionsen- dungen). Fürs mittelh. dürfte ſie noch ſchwerer zu

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/460>, abgerufen am 07.06.2024.