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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelhochdeutsche vocale.
gerouwen (Ben. 292. Gudr. 26b) vgl. unten die conjug.
Weiter, das organ. raum (locus) wandelt sich ausnahms-
weise in roum indem es auf troum, boum, goum reimt
(Parc. 1a 81b *) Ernst 25b 32a 49a) versaumen in versou-
men
:goumen (Ernst 29b) roumen, soumen:troumen
(Wilh. 2, 87a); kaume in koume:zoume (Lohengr. 119.);
pflaum in pfloum:goum (weltchr. cass. 261a). Desgl. vor
labialen, traube in troube:gloube (Georg 28b) tauben in
touben:glouben (Georg 29b); hauben in houben:gelouben
(kolocz 175) **) auf in ouf:louf, kouf, touf (Georg 14b
38a 42a 43b 56b Wilh. 1, 46a 71b 75b 78a 88a); umge-
kehrt aber das organ. houf (acervus, angels. heap) in
haufe ***), houf haben noch Ernst 22b meisterg. 30c.
Endlich auch vor kehllauten wird organ. strauch (offensio)
zu strouch:ouch (Lohengr. 88.) insofern die abstammung
von strauchen (offendere troj. 82c) sicher scheint, strouch
freilich würde von strauch (frutex) beßer abstehen +).
Daß man alle angeführten reime ou:au so nehmen, nicht
in ein vermeintliches bairisches au auflösen müße, habe
ich oben s. 349. behauptet, und wenn Wolfram, Reinbot
etwan auf Baiern vermuthen ließen, weisen die verfaßer
von Lohengr. Wilh. 1. oder Heinr. v. Mor. sicher wo

*) Raum geben in diesen beiden stellen Wolframs: statt ge-
ben, eintreten laßen? oder wäre roum hier gar nicht raum?
Die alth. sprache kennt kein raum, roum und das angels.
hream (clamor) schickt sich nicht.
**) Zwischen stieben, stoup und dem goth. staubjus kein sol-
cher wechsel, denn ohne zweifel muß oben s. 41. stubjus
mit kurzem u gelesen werden, alth. stuppi, mittelh.
stüppe verschieden von stoup.
***) Gemeinalth. haufo und im verb. haufon N; bei O. organi-
scher houf.
+) Nicht hierher gehört der wechsel zwischen au und ou
(oder iu und öu?) in saugen (lactere) und sougen (lactare)
s. oben s. 98, wo unterschiedue begriffe vorliegen. Eher
zähle man zu obigen beispielen blauc (timidus, Barl. 327:
serauc) blaucheit (timiditas troj. 63a) bliuclich (troj. 64a)
erblaugen (mitescere, timere: saugen, troj. 45a) neben blou-
wec, blouweclich, bloucleich (lw. 17a, wo aber cod. giss.
bliucleichen, klage 146b Parc. 8c 39c 110a) und blougen
(Parc. 99c wo fälschlich bluogen). Schon im alth. scheints
zwischen blaug und bloug zu schwanken. O. II. 4, 75. liest
die wiener hs. blaugo, die psälzer soll bluogo lesen
(? blougo, denn uo für ua ist unotfriedisch) in jedem sall
ftreiche man oben s. 112. bluag und vgl. vorhin f. 353.
über blaug, bliug.

I. mittelhochdeutſche vocale.
gerouwen (Ben. 292. Gudr. 26b) vgl. unten die conjug.
Weiter, das organ. rûm (locus) wandelt ſich ausnahms-
weiſe in roum indem es auf troum, boum, goum reimt
(Parc. 1a 81b *) Ernſt 25b 32a 49a) verſûmen in verſou-
men
:goumen (Ernſt 29b) roumen, ſoumen:troumen
(Wilh. 2, 87a); kûme in koume:zoume (Lohengr. 119.);
pflûm in pfloum:goum (weltchr. caſſ. 261a). Desgl. vor
labialen, trûbe in troube:gloube (Georg 28b) tûben in
touben:glouben (Georg 29b); hûben in houben:gelouben
(kolocz 175) **) ûf in ouf:louf, kouf, touf (Georg 14b
38a 42a 43b 56b Wilh. 1, 46a 71b 75b 78a 88a); umge-
kehrt aber das organ. houf (acervus, angelſ. heáp) in
hûfe ***), houf haben noch Ernſt 22b meiſterg. 30c.
Endlich auch vor kehllauten wird organ. ſtrûch (offenſio)
zu ſtrouch:ouch (Lohengr. 88.) inſofern die abſtammung
von ſtrûchen (offendere troj. 82c) ſicher ſcheint, ſtrouch
freilich würde von ſtrûch (frutex) beßer abſtehen †).
Daß man alle angeführten reime ou:û ſo nehmen, nicht
in ein vermeintliches bairiſches au auflöſen müße, habe
ich oben ſ. 349. behauptet, und wenn Wolfram, Reinbot
etwan auf Baiern vermuthen ließen, weiſen die verfaßer
von Lohengr. Wilh. 1. oder Heinr. v. Mor. ſicher wo

*) Rûm gëben in dieſen beiden ſtellen Wolframs: ſtatt ge-
ben, eintreten laßen? oder wäre roum hier gar nicht rûm?
Die alth. ſprache kennt kein raum, roum und das angelſ.
hreám (clamor) ſchickt ſich nicht.
**) Zwiſchen ſtieben, ſtoup und dem goth. ſtûbjus kein ſol-
cher wechſel, denn ohne zweifel muß oben ſ. 41. ſtubjus
mit kurzem u geleſen werden, alth. ſtuppi, mittelh.
ſtüppe verſchieden von ſtoup.
***) Gemeinalth. hûfo und im verb. hûfôn N; bei O. organi-
ſcher houf.
†) Nicht hierher gehört der wechſel zwiſchen û und ou
(oder iu und öu?) in ſûgen (lactere) und ſougen (lactare)
ſ. oben ſ. 98, wo unterſchiedue begriffe vorliegen. Eher
zähle man zu obigen beiſpielen blûc (timidus, Barl. 327:
ſêrûc) blûcheit (timiditas troj. 63a) bliuclich (troj. 64a)
erblûgen (miteſcere, timere: ſûgen, troj. 45a) neben blou-
wec, blouweclich, blouclîch (lw. 17a, wo aber cod. giſſ.
bliuclîchen, klage 146b Parc. 8c 39c 110a) und blougen
(Parc. 99c wo fälſchlich bluogen). Schon im alth. ſcheints
zwiſchen blûg und bloug zu ſchwanken. O. II. 4, 75. lieſt
die wiener hſ. blûgo, die pſälzer ſoll bluogo leſen
(? blougo, denn uo für ua iſt unotfriediſch) in jedem ſall
ftreiche man oben ſ. 112. bluàg und vgl. vorhin f. 353.
über blûg, bliug.
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[356/0382] I. mittelhochdeutſche vocale. gerouwen (Ben. 292. Gudr. 26b) vgl. unten die conjug. Weiter, das organ. rûm (locus) wandelt ſich ausnahms- weiſe in roum indem es auf troum, boum, goum reimt (Parc. 1a 81b *) Ernſt 25b 32a 49a) verſûmen in verſou- men:goumen (Ernſt 29b) roumen, ſoumen:troumen (Wilh. 2, 87a); kûme in koume:zoume (Lohengr. 119.); pflûm in pfloum:goum (weltchr. caſſ. 261a). Desgl. vor labialen, trûbe in troube:gloube (Georg 28b) tûben in touben:glouben (Georg 29b); hûben in houben:gelouben (kolocz 175) **) ûf in ouf:louf, kouf, touf (Georg 14b 38a 42a 43b 56b Wilh. 1, 46a 71b 75b 78a 88a); umge- kehrt aber das organ. houf (acervus, angelſ. heáp) in hûfe ***), houf haben noch Ernſt 22b meiſterg. 30c. Endlich auch vor kehllauten wird organ. ſtrûch (offenſio) zu ſtrouch:ouch (Lohengr. 88.) inſofern die abſtammung von ſtrûchen (offendere troj. 82c) ſicher ſcheint, ſtrouch freilich würde von ſtrûch (frutex) beßer abſtehen †). Daß man alle angeführten reime ou:û ſo nehmen, nicht in ein vermeintliches bairiſches au auflöſen müße, habe ich oben ſ. 349. behauptet, und wenn Wolfram, Reinbot etwan auf Baiern vermuthen ließen, weiſen die verfaßer von Lohengr. Wilh. 1. oder Heinr. v. Mor. ſicher wo *) Rûm gëben in dieſen beiden ſtellen Wolframs: ſtatt ge- ben, eintreten laßen? oder wäre roum hier gar nicht rûm? Die alth. ſprache kennt kein raum, roum und das angelſ. hreám (clamor) ſchickt ſich nicht. **) Zwiſchen ſtieben, ſtoup und dem goth. ſtûbjus kein ſol- cher wechſel, denn ohne zweifel muß oben ſ. 41. ſtubjus mit kurzem u geleſen werden, alth. ſtuppi, mittelh. ſtüppe verſchieden von ſtoup. ***) Gemeinalth. hûfo und im verb. hûfôn N; bei O. organi- ſcher houf. †) Nicht hierher gehört der wechſel zwiſchen û und ou (oder iu und öu?) in ſûgen (lactere) und ſougen (lactare) ſ. oben ſ. 98, wo unterſchiedue begriffe vorliegen. Eher zähle man zu obigen beiſpielen blûc (timidus, Barl. 327: ſêrûc) blûcheit (timiditas troj. 63a) bliuclich (troj. 64a) erblûgen (miteſcere, timere: ſûgen, troj. 45a) neben blou- wec, blouweclich, blouclîch (lw. 17a, wo aber cod. giſſ. bliuclîchen, klage 146b Parc. 8c 39c 110a) und blougen (Parc. 99c wo fälſchlich bluogen). Schon im alth. ſcheints zwiſchen blûg und bloug zu ſchwanken. O. II. 4, 75. lieſt die wiener hſ. blûgo, die pſälzer ſoll bluogo leſen (? blougo, denn uo für ua iſt unotfriediſch) in jedem ſall ftreiche man oben ſ. 112. bluàg und vgl. vorhin f. 353. über blûg, bliug.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/382>, abgerufen am 17.05.2024.