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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelhochdeutsche vocale.
bleibt inlautend ch, dieses wird wieder zu h. Folglich
heißt es rouch, rouches (fumus) louch, louches (allium)
nicht roch, loch; wohl aber floch, flnhen (aufugit) hoch,
hohes (altus) und nicht flouch, houch. Scheinbare aus-
nahme des grundsatzes, daß vor n und t kein ou stehe,
bilden die reime troun:droun (M. S. 1, 69b) drout:ge-
vrout (Parc. 37a Karl 65b) gevrout:bestrout (Iw. 5b); der
erforderliche stumpfe reim veranlaßte die contraction der
klingenden wörter dröuwen und trauwen; ebenso beur-
theile man die andern reime. -- Hier die wichtigsten
beispiele des mittelh. ou, die praet, blou, brou, rou; tou
(ros); boum (arbor) troum (somnium) soum (sarcina) toum
(vapor Karl 125a) zoum (frenum) stroum (fluentum, mus.
1, 64.) goume (cura) oumet (gramen brevius) die praet.
kloup, schoup, stoup; loup (folium) roup (rapina) schoup
(fasciculus stram.) stoup (pulvis) urloup (licentia) toup
(sensu carens) gelouben (credere) houbet (caput) zouber
(praestigium) klouber (vinculum); die praet. trouf, slouf;
loufen (currere) konfen (emere) sloufen (induere) roufen
(evellere) goufen (volis manibus) knouf (capitulum) houf
(acervus) touf (baptisma) stoufaere (nom. gentil.); belege
zu ouw unten beim w; die praet. flouc (volavit, versch.
von floch, fugit) souc, bouc, trouc, louc; bouc (armilla)
ouge (oculus) tougen (mysterium) lougen (inficiari); die
praet. rouch, krouch; ouch (etiam) gouch (cuculus, mo-
rio) louch (allium) rouch (fumus) chouch (bubo). --
Wichtig ist es bei diesem diphth. ou seine schon im
alth. (oben s, 98.) hervorbrechende, jetzt aber häufiger
werdende berührung mit au zu beobachten, die endlich
im neuh, völlige (wenigstens äußerliche) vereinigung
beider laute nach sich zog. Organisch unterscheiden sich
au (uu) und ou durchaus, soum heißt onus, toup (hebes)
und haben mit taube (columba) versaumen (negligere, alth.
farsuman K. 40a) nichts gemein; die aussprache muste aber
bald bei der neigung des u in den o laut einzelnes mischen,
selbst das angels. au und ea äußerlich noch bestimmter
getrennt fallen im umlaut y zusammen. Die goth. bauan,
gatrauan erscheinen im alth. als pauan, gitrauan (ebenso
im nord. baua, traua), nirgends finde ich pauwan, pou-
wan, gitrauwan, gitrouwan; im mittelh. hingegen ne-
ben bauwen, getrauwen (? biuwen, getriuwen, s. unten
beim w) die form bouwen, getrouwen im reim: frou-
wen, schouwen, houwen (M. S. 1, 50a 94b 133a 184b
2, 43a 119a Gudr. häufig. Wilh. 1, 107b Georg 16a 26a
45b 58b) und selbst im part. praet. gekouwen, geblouwen,

Z 2

I. mittelhochdeutſche vocale.
bleibt inlautend ch, dieſes wird wieder zu h. Folglich
heißt es rouch, rouches (fumus) louch, louches (allium)
nicht rôch, lôch; wohl aber flôch, flnhen (aufugit) hôch,
hôhes (altus) und nicht flouch, houch. Scheinbare aus-
nahme des grundſatzes, daß vor n und t kein ou ſtehe,
bilden die reime troun:droun (M. S. 1, 69b) drout:ge-
vrout (Parc. 37a Karl 65b) gevrout:beſtrout (Iw. 5b); der
erforderliche ſtumpfe reim veranlaßte die contraction der
klingenden wörter dröuwen und trûwen; ebenſo beur-
theile man die andern reime. — Hier die wichtigſten
beiſpiele des mittelh. ou, die praet, blou, brou, rou; tou
(ros); boum (arbor) troum (ſomnium) ſoum (ſarcina) toum
(vapor Karl 125a) zoum (frenum) ſtroum (fluentum, muſ.
1, 64.) goume (cura) oumet (gramen brevius) die praet.
kloup, ſchoup, ſtoup; loup (folium) roup (rapina) ſchoup
(faſciculus ſtram.) ſtoup (pulvis) urloup (licentia) toup
(ſenſu carens) gelouben (credere) houbet (caput) zouber
(praeſtigium) klouber (vinculum); die praet. trouf, ſlouf;
loufen (currere) konfen (emere) ſloufen (induere) roufen
(evellere) goufen (volis manibus) knouf (capitulum) houf
(acervus) touf (baptiſma) ſtoufære (nom. gentil.); belege
zu ouw unten beim w; die praet. flouc (volavit, verſch.
von flôch, fugit) ſouc, bouc, trouc, louc; bouc (armilla)
ouge (oculus) tougen (myſterium) lougen (inficiari); die
praet. rouch, krouch; ouch (etiam) gouch (cuculus, mo-
rio) louch (allium) rouch (fumus) chouch (bubo). —
Wichtig iſt es bei dieſem diphth. ou ſeine ſchon im
alth. (oben ſ, 98.) hervorbrechende, jetzt aber häufiger
werdende berührung mit û zu beobachten, die endlich
im neuh, völlige (wenigſtens äußerliche) vereinigung
beider laute nach ſich zog. Organiſch unterſcheiden ſich
û (uu) und ou durchaus, ſoum heißt onus, toup (hebes)
und haben mit tûbe (columba) verſûmen (negligere, alth.
farſùman K. 40a) nichts gemein; die ausſprache muſte aber
bald bei der neigung des u in den o laut einzelnes miſchen,
ſelbſt das angelſ. û und eá äußerlich noch beſtimmter
getrennt fallen im umlaut ŷ zuſammen. Die goth. báuan,
gatrauan erſcheinen im alth. als pûan, gitrûan (ebenſo
im nord. bûa, trûa), nirgends finde ich pauwan, pou-
wan, gitrauwan, gitrouwan; im mittelh. hingegen ne-
ben bûwen, getrûwen (? biuwen, getriuwen, ſ. unten
beim w) die form bouwen, getrouwen im reim: frou-
wen, ſchouwen, houwen (M. S. 1, 50a 94b 133a 184b
2, 43a 119a Gudr. häufig. Wilh. 1, 107b Georg 16a 26a
45b 58b) und ſelbſt im part. praet. gekouwen, geblouwen,

Z 2
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[355/0381] I. mittelhochdeutſche vocale. bleibt inlautend ch, dieſes wird wieder zu h. Folglich heißt es rouch, rouches (fumus) louch, louches (allium) nicht rôch, lôch; wohl aber flôch, flnhen (aufugit) hôch, hôhes (altus) und nicht flouch, houch. Scheinbare aus- nahme des grundſatzes, daß vor n und t kein ou ſtehe, bilden die reime troun:droun (M. S. 1, 69b) drout:ge- vrout (Parc. 37a Karl 65b) gevrout:beſtrout (Iw. 5b); der erforderliche ſtumpfe reim veranlaßte die contraction der klingenden wörter dröuwen und trûwen; ebenſo beur- theile man die andern reime. — Hier die wichtigſten beiſpiele des mittelh. ou, die praet, blou, brou, rou; tou (ros); boum (arbor) troum (ſomnium) ſoum (ſarcina) toum (vapor Karl 125a) zoum (frenum) ſtroum (fluentum, muſ. 1, 64.) goume (cura) oumet (gramen brevius) die praet. kloup, ſchoup, ſtoup; loup (folium) roup (rapina) ſchoup (faſciculus ſtram.) ſtoup (pulvis) urloup (licentia) toup (ſenſu carens) gelouben (credere) houbet (caput) zouber (praeſtigium) klouber (vinculum); die praet. trouf, ſlouf; loufen (currere) konfen (emere) ſloufen (induere) roufen (evellere) goufen (volis manibus) knouf (capitulum) houf (acervus) touf (baptiſma) ſtoufære (nom. gentil.); belege zu ouw unten beim w; die praet. flouc (volavit, verſch. von flôch, fugit) ſouc, bouc, trouc, louc; bouc (armilla) ouge (oculus) tougen (myſterium) lougen (inficiari); die praet. rouch, krouch; ouch (etiam) gouch (cuculus, mo- rio) louch (allium) rouch (fumus) chouch (bubo). — Wichtig iſt es bei dieſem diphth. ou ſeine ſchon im alth. (oben ſ, 98.) hervorbrechende, jetzt aber häufiger werdende berührung mit û zu beobachten, die endlich im neuh, völlige (wenigſtens äußerliche) vereinigung beider laute nach ſich zog. Organiſch unterſcheiden ſich û (uu) und ou durchaus, ſoum heißt onus, toup (hebes) und haben mit tûbe (columba) verſûmen (negligere, alth. farſùman K. 40a) nichts gemein; die ausſprache muſte aber bald bei der neigung des u in den o laut einzelnes miſchen, ſelbſt das angelſ. û und eá äußerlich noch beſtimmter getrennt fallen im umlaut ŷ zuſammen. Die goth. báuan, gatrauan erſcheinen im alth. als pûan, gitrûan (ebenſo im nord. bûa, trûa), nirgends finde ich pauwan, pou- wan, gitrauwan, gitrouwan; im mittelh. hingegen ne- ben bûwen, getrûwen (? biuwen, getriuwen, ſ. unten beim w) die form bouwen, getrouwen im reim: frou- wen, ſchouwen, houwen (M. S. 1, 50a 94b 133a 184b 2, 43a 119a Gudr. häufig. Wilh. 1, 107b Georg 16a 26a 45b 58b) und ſelbſt im part. praet. gekouwen, geblouwen, Z 2

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/381>, abgerufen am 17.05.2024.