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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelhochdeutsche vocale.
(cedrus) glet (tugurium; slav. kljet, klijet *) kren (meer-
rettich, aus dem slav. chren) planete. prophete und ei-
gennamen wie: tispe, noe, jesse, kundrie, salamandre
(aus dem lat. pl. salamandrae, damahls salamandre ge-
schrieben) abimelech, lamech, daniel, ishrahel, teiturel,
aurien, bene, hellene, sirene, millene, terramer, geino-
vere, omere, nazaret, machmet, antret etc. 4) ungenaue
reime scheinen sehen: flehen (M. S. 1, 52b; das. 50b lehrt
der stumpfe reim sehen: vehen in sen: ven berichtigen)
zehene: lehene (Wilh. 2, 167a, vielleicht zene: [l]ene?)
doch darf der einfluß des h angeschlagen werden, wie
denn auch M. S. 1, 4b etc. sehen: jehen ausnahmsweise
klingend reimen, gleich als stünde sehen: jehen (mehr
hiervon beim mittelniederd.); herre und merre (aus he-
riro, meriro oben s. 124.) büßen durch die gem. ihr e
ein und reimen auf werre, verre; bisweilen aber noch
auf er, als herren: beren (nassis M. S. 2, 122b): keren
(1. 188b); erte, lerte, kerte: werte, herte (Parc. 51a 62c
Wilh. 2, 37b) vergleicht sich den reimen orte: orte (her-
nach bei o). -- 5) noch bemerke ich. daß in alten eigen-
namen -ger immer (ruodeger, dietger, notger s. oben
s. 181.), -her meistentheils (walther, volcher, geiselher,
diether, reinher, gunther) auf langes e (mer, her, fer)
reimt, letzteres zuweilen mit verlust des tons länge ein-
zubüßen scheint vgl. Nib. 4989. 8521. geiselher: mer, wer;
falls nicht -her gerade die ursprüngliche, ächte form ist,
indem quellen des 6-9 jahrh. guntahari, theodahari, ber-
tehari (fränk. gundachari etc.) zeigen. Dagegen wern-
her: ser (Maria 58.) reinher, walther (Karl 45b 86b).
Die bloße bildungsendung -aere (sperwaere, vischaere) ist
im mittelh. genau davon geschieden, mischung der laute
e und ae ereignet sich überaus selten (Georg. 22b 48a
here: swaere; man beßere her: ser) unseltner wohl des
e und e, vgl. mer: her (dat) Erust 10b 32a Karl 1b etc.)
here: mere (Ernst 31a) vgl. oben s. 333. not. **.

(II) ei. die verhältnisse dieses doppellauts sind klar;
belege liefert zumahl die starke conj., für welche die
unterscheidung zwischen langem und kurzem i besonders
wichtig wird; schreibe ist scribat; schribe scriberet und
wie viel andere wörter treten dadurch auseinander, z. b.
wide (vinculum ligneum) weide (salix) wibe (texo) weibe
(feminae) zil (punctum) zeile (linea) etc. Hier noch ei-
nige andere belege: teich (piscina) weich geben (locum

*) Voltiggi p. 172. Vuk Steph. col. 310.

I. mittelhochdeutſche vocale.
(cedrus) glêt (tugurium; ſlav. kljet, klijet *) krên (meer-
rettich, aus dem ſlav. chren) plânête. prôphête und ei-
gennamen wie: tiſpê, nôê, jëſſê, kundriê, ſâlâmandrê
(aus dem lat. pl. ſalamandrae, damahls ſalamandre ge-
ſchrieben) âbimêlêch, lâmêch, dâniêl, iſhrahêl, tîturêl,
ûriên, bêne, hellêne, ſirêne, millêne, terramêr, gîno-
vêre, ômêre, nâzarêt, machmêt, antrêt etc. 4) ungenaue
reime ſcheinen ſëhen: flêhen (M. S. 1, 52b; daſ. 50b lehrt
der ſtumpfe reim ſëhen: vêhen in ſên: vên berichtigen)
zëhene: lêhene (Wilh. 2, 167a, vielleicht zêne: [l]êne?)
doch darf der einfluß des h angeſchlagen werden, wie
denn auch M. S. 1, 4b etc. ſëhen: jëhen ausnahmsweiſe
klingend reimen, gleich als ſtünde ſêhen: jêhen (mehr
hiervon beim mittelniederd.); hërre und mërre (aus hê-
riro, mêriro oben ſ. 124.) büßen durch die gem. ihr ê
ein und reimen auf wërre, vërre; bisweilen aber noch
auf êr, als hërren: bêren (naſſis M. S. 2, 122b): kêren
(1. 188b); êrte, lêrte, kêrte: werte, herte (Parc. 51a 62c
Wilh. 2, 37b) vergleicht ſich den reimen ôrte: orte (her-
nach bei ô). — 5) noch bemerke ich. daß in alten eigen-
namen -gêr immer (ruodegêr, dietgêr, nôtgêr ſ. oben
ſ. 181.), -hêr meiſtentheils (walthêr, volchêr, gîſelhêr,
diethêr, reinhêr, gunthêr) auf langes ê (mêr, hêr, fêr)
reimt, letzteres zuweilen mit verluſt des tons länge ein-
zubüßen ſcheint vgl. Nib. 4989. 8521. gîſelher: mer, wer;
falls nicht -her gerade die urſprüngliche, ächte form iſt,
indem quellen des 6-9 jahrh. guntahari, theodahari, bër-
tehari (fränk. gundachari etc.) zeigen. Dagegen wern-
hêr: ſêr (Maria 58.) reinhêr, walthêr (Karl 45b 86b).
Die bloße bildungsendung -ære (ſperwære, viſchære) iſt
im mittelh. genau davon geſchieden, miſchung der laute
ê und æ ereignet ſich überaus ſelten (Georg. 22b 48a
hêre: ſwære; man beßere hêr: ſêr) unſeltner wohl des
ê und e, vgl. mêr: her (dat) Eruſt 10b 32a Karl 1b etc.)
hêre: mere (Ernſt 31a) vgl. oben ſ. 333. not. **.

(II) î. die verhältniſſe dieſes doppellauts ſind klar;
belege liefert zumahl die ſtarke conj., für welche die
unterſcheidung zwiſchen langem und kurzem i beſonders
wichtig wird; ſchrîbe iſt ſcribat; ſchribe ſcriberet und
wie viel andere wörter treten dadurch auseinander, z. b.
wide (vinculum ligneum) wîde (ſalix) wibe (texo) wîbe
(feminae) zil (punctum) zîle (linea) etc. Hier noch ei-
nige andere belege: tîch (piſcina) wîch gëben (locum

*) Voltiggi p. 172. Vuk Steph. col. 310.
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[344/0370] I. mittelhochdeutſche vocale. (cedrus) glêt (tugurium; ſlav. kljet, klijet *) krên (meer- rettich, aus dem ſlav. chren) plânête. prôphête und ei- gennamen wie: tiſpê, nôê, jëſſê, kundriê, ſâlâmandrê (aus dem lat. pl. ſalamandrae, damahls ſalamandre ge- ſchrieben) âbimêlêch, lâmêch, dâniêl, iſhrahêl, tîturêl, ûriên, bêne, hellêne, ſirêne, millêne, terramêr, gîno- vêre, ômêre, nâzarêt, machmêt, antrêt etc. 4) ungenaue reime ſcheinen ſëhen: flêhen (M. S. 1, 52b; daſ. 50b lehrt der ſtumpfe reim ſëhen: vêhen in ſên: vên berichtigen) zëhene: lêhene (Wilh. 2, 167a, vielleicht zêne: lêne?) doch darf der einfluß des h angeſchlagen werden, wie denn auch M. S. 1, 4b etc. ſëhen: jëhen ausnahmsweiſe klingend reimen, gleich als ſtünde ſêhen: jêhen (mehr hiervon beim mittelniederd.); hërre und mërre (aus hê- riro, mêriro oben ſ. 124.) büßen durch die gem. ihr ê ein und reimen auf wërre, vërre; bisweilen aber noch auf êr, als hërren: bêren (naſſis M. S. 2, 122b): kêren (1. 188b); êrte, lêrte, kêrte: werte, herte (Parc. 51a 62c Wilh. 2, 37b) vergleicht ſich den reimen ôrte: orte (her- nach bei ô). — 5) noch bemerke ich. daß in alten eigen- namen -gêr immer (ruodegêr, dietgêr, nôtgêr ſ. oben ſ. 181.), -hêr meiſtentheils (walthêr, volchêr, gîſelhêr, diethêr, reinhêr, gunthêr) auf langes ê (mêr, hêr, fêr) reimt, letzteres zuweilen mit verluſt des tons länge ein- zubüßen ſcheint vgl. Nib. 4989. 8521. gîſelher: mer, wer; falls nicht -her gerade die urſprüngliche, ächte form iſt, indem quellen des 6-9 jahrh. guntahari, theodahari, bër- tehari (fränk. gundachari etc.) zeigen. Dagegen wern- hêr: ſêr (Maria 58.) reinhêr, walthêr (Karl 45b 86b). Die bloße bildungsendung -ære (ſperwære, viſchære) iſt im mittelh. genau davon geſchieden, miſchung der laute ê und æ ereignet ſich überaus ſelten (Georg. 22b 48a hêre: ſwære; man beßere hêr: ſêr) unſeltner wohl des ê und e, vgl. mêr: her (dat) Eruſt 10b 32a Karl 1b etc.) hêre: mere (Ernſt 31a) vgl. oben ſ. 333. not. **. (II) î. die verhältniſſe dieſes doppellauts ſind klar; belege liefert zumahl die ſtarke conj., für welche die unterſcheidung zwiſchen langem und kurzem i beſonders wichtig wird; ſchrîbe iſt ſcribat; ſchribe ſcriberet und wie viel andere wörter treten dadurch auseinander, z. b. wide (vinculum ligneum) wîde (ſalix) wibe (texo) wîbe (feminae) zil (punctum) zîle (linea) etc. Hier noch ei- nige andere belege: tîch (piſcina) wîch gëben (locum *) Voltiggi p. 172. Vuk Steph. col. 310.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/370>, abgerufen am 17.05.2024.