Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

I. althochdeutsche consonanten. liquidae.
biwamt st. hullita, memmita, nennita, therrita, biwem-
mit, (maculatus).

Meine ansicht der gemination bewährt sich ferner
durch die mögliche nachweisung mancher geminationen
aus älteren consonantverbindungen und solcher beispiele
liefern die mittel- und neuh. sprache fortwährend mehr.
Wie viele ll. nn. rr entstehen nicht durch li. ni. ri. das
die ableitung bildende i wird entweder in der gemi-
nation verschlungen, beispiele: brunna (thorax) sellen
(tradere) baurro, werren (tueri) jüngere formen als: brunja,
saljan, baurjo, warjan; oder es bleibt daneben bestehen,
als kunni (genus) menni (monile) gl. jun. 214. st. kuni,
mani; fenni (lutum) goth. fani (woher das franz.
fange); henna (gallina) st. hanja. Aus bn. mn ent-
wickelte sich zuletzt mm, nn in stimma, nennen; frü-
her stibna, stimua, namnjan, nemnjen, nennjen. Aus
madmun[ - 1 Zeichen fehlt]i (lenitas) mammunti; aus guotlihhin (gloria)
bei I. cuatlihhi bei K., später guallichei bei O. guol-
lichei bei N und W. Nicht unwahrscheinlich beruht
wallon (peregre abire) auf einem älteren wadalon, wad-
lon von wadal (vagus, exsul, mendicus) hergeleitet, und
selbst wal (gen. walles, munimentum) dürste durch ein
früheres dl erläutert werden, wenn man das goth. vadd-
jus erwägt, vgl. eddo, odo und Notkers alde (aut);
gruntsellon (N. 77, 69.) f. gruntsedilon; illan (festinare)
mit iddja, und über den wechsel des einfachen d mit I
Schneider p. 255. 256. (so ist auch unser silabar genau
das lith. sidabras). Andere ll, wie al, alles, fal, falles etc.
scheinen freilich uralt. -- Endlich läßt sich manchen rr
der ursprung aus rn und rs nachweisen: sterro, ferra aus
sterno, ferna (vgl. Stalder dial. p. 68.); irri, thurri, wir-
ran, merren, farr (taurus) etc. deuten auf ältere formen:
irsi, wirsan, marsjan, fars, wie theils einzeln stehen ge-
bliebene rs darthun, namentlich wirs (pejus) thurst (sitis)
fersa (vacca), theils die goth. thaursis, airzjan, marz-
jan *). -- Unbekannt hingegen sind der alth. mundart
die assimilationen des nd und ld in nn, ll. -- **)


*) Sollten sich mit rücksicht auf den wechsel rs und rr die
deutschen völkernamen marsi, marsigni nicht befriedigen-
der auslegen laßen?
**) Wenn bei den geminationen ll. nn. rr. die s. 54. gestellte
regel, daß ihnen nur ein kurzer vocal vorhergehen dürfe,
einigemahl ins gedränge geräth; so wird man am besten
den geminierten conson. aus li. ni. ri erklären, z. b. steinna

I. althochdeutſche conſonanten. liquidae.
biwamt ſt. hullita, memmita, nennita, therrita, biwem-
mit, (maculatus).

Meine anſicht der gemination bewährt ſich ferner
durch die mögliche nachweiſung mancher geminationen
aus älteren conſonantverbindungen und ſolcher beiſpiele
liefern die mittel- und neuh. ſprache fortwährend mehr.
Wie viele ll. nn. rr entſtehen nicht durch li. ni. ri. das
die ableitung bildende i wird entweder in der gemi-
nation verſchlungen, beiſpiele: brunna (thorax) ſellen
(tradere) bûrro, werren (tueri) jüngere formen als: brunja,
ſaljan, bûrjo, warjan; oder es bleibt daneben beſtehen,
als kunni (genus) menni (monile) gl. jun. 214. ſt. kuni,
mani; fenni (lutum) goth. fani (woher das franz.
fange); henna (gallina) ſt. hanja. Aus bn. mn ent-
wickelte ſich zuletzt mm, nn in ſtimma, nennen; frü-
her ſtibna, ſtimua, namnjan, nemnjen, nennjen. Aus
madmun[ – 1 Zeichen fehlt]i (lenitas) mammunti; aus guotlìhhìn (gloria)
bei I. cuatlìhhì bei K., ſpäter guallichî bei O. guol-
lichî bei N und W. Nicht unwahrſcheinlich beruht
wallôn (peregre abire) auf einem älteren wadalôn, wad-
lôn von wadal (vagus, exſul, mendicus) hergeleitet, und
ſelbſt wal (gen. walles, munimentum) dürſte durch ein
früheres dl erläutert werden, wenn man das goth. vadd-
jus erwägt, vgl. ëddo, odo und Notkers alde (aut);
gruntſëllôn (N. 77, 69.) f. gruntſëdilòn; illan (feſtinare)
mit ïddja, und über den wechſel des einfachen d mit I
Schneider p. 255. 256. (ſo iſt auch unſer ſilabar genau
das lith. ſidabras). Andere ll, wie al, alles, fal, falles etc.
ſcheinen freilich uralt. — Endlich läßt ſich manchen rr
der urſprung aus rn und rs nachweiſen: ſtërro, fërra aus
ſtërno, fërna (vgl. Stalder dial. p. 68.); irri, thurri, wir-
ran, merren, farr (taurus) etc. deuten auf ältere formen:
irſi, wirſan, marſjan, fars, wie theils einzeln ſtehen ge-
bliebene rs darthun, namentlich wirs (pejus) thurſt (ſitis)
ferſa (vacca), theils die goth. thaúrſis, airzjan, marz-
jan *). — Unbekannt hingegen ſind der alth. mundart
die aſſimilationen des nd und ld in nn, ll. — **)


*) Sollten ſich mit rückſicht auf den wechſel rs und rr die
deutſchen völkernamen marſi, marſigni nicht befriedigen-
der auslegen laßen?
**) Wenn bei den geminationen ll. nn. rr. die ſ. 54. geſtellte
regel, daß ihnen nur ein kurzer vocal vorhergehen dürfe,
einigemahl ins gedränge geräth; ſo wird man am beſten
den geminierten conſon. aus li. ni. ri erklären, z. b. ſteinna
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0149" n="123"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">althochdeut&#x017F;che con&#x017F;onanten. liquidae.</hi></fw><lb/>
biwamt &#x017F;t. hullita, memmita, nennita, therrita, biwem-<lb/>
mit, (maculatus).</p><lb/>
              <p>Meine an&#x017F;icht der gemination bewährt &#x017F;ich ferner<lb/>
durch die mögliche nachwei&#x017F;ung mancher geminationen<lb/>
aus älteren con&#x017F;onantverbindungen und &#x017F;olcher bei&#x017F;piele<lb/>
liefern die mittel- und neuh. &#x017F;prache fortwährend mehr.<lb/>
Wie viele <hi rendition="#i">ll</hi>. <hi rendition="#i">nn</hi>. <hi rendition="#i">rr</hi> ent&#x017F;tehen nicht durch <hi rendition="#i">li</hi>. <hi rendition="#i">ni</hi>. <hi rendition="#i">ri</hi>. das<lb/>
die ableitung bildende i wird entweder in der gemi-<lb/>
nation ver&#x017F;chlungen, bei&#x017F;piele: brunna (thorax) &#x017F;ellen<lb/>
(tradere) bûrro, werren (tueri) jüngere formen als: brunja,<lb/>
&#x017F;aljan, bûrjo, warjan; oder es bleibt daneben be&#x017F;tehen,<lb/>
als kunni (genus) menni (monile) gl. jun. 214. &#x017F;t. kuni,<lb/>
mani; fenni (lutum) goth. fani (woher das franz.<lb/>
fange); henna (gallina) &#x017F;t. hanja. Aus <hi rendition="#i">bn</hi>. <hi rendition="#i">mn</hi> ent-<lb/>
wickelte &#x017F;ich zuletzt <hi rendition="#i">mm, nn</hi> in &#x017F;timma, nennen; frü-<lb/>
her &#x017F;tibna, &#x017F;timua, namnjan, nemnjen, nennjen. Aus<lb/>
madmun<gap unit="chars" quantity="1"/>i (lenitas) mammunti; aus guotlìhhìn (gloria)<lb/>
bei I. cuatlìhhì bei K., &#x017F;päter guallichî bei O. guol-<lb/>
lichî bei N und W. Nicht unwahr&#x017F;cheinlich beruht<lb/>
wallôn (peregre abire) auf einem älteren wadalôn, wad-<lb/>
lôn von wadal (vagus, ex&#x017F;ul, mendicus) hergeleitet, und<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wal (gen. walles, munimentum) dür&#x017F;te durch ein<lb/>
früheres <hi rendition="#i">dl</hi> erläutert werden, wenn man das goth. vadd-<lb/>
jus erwägt, vgl. ëddo, odo und Notkers alde (aut);<lb/>
grunt&#x017F;ëllôn (N. 77, 69.) f. grunt&#x017F;ëdilòn; illan (fe&#x017F;tinare)<lb/>
mit ïddja, und über den wech&#x017F;el des einfachen d mit I<lb/>
Schneider p. 255. 256. (&#x017F;o i&#x017F;t auch un&#x017F;er &#x017F;ilabar genau<lb/>
das lith. &#x017F;idabras). Andere <hi rendition="#i">ll</hi>, wie al, alles, fal, falles etc.<lb/>
&#x017F;cheinen freilich uralt. &#x2014; Endlich läßt &#x017F;ich manchen <hi rendition="#i">rr</hi><lb/>
der ur&#x017F;prung aus <hi rendition="#i">rn</hi> und <hi rendition="#i">rs</hi> nachwei&#x017F;en: &#x017F;tërro, fërra aus<lb/>
&#x017F;tërno, fërna (vgl. Stalder dial. p. 68.); irri, thurri, wir-<lb/>
ran, merren, farr (taurus) etc. deuten auf ältere formen:<lb/>
ir&#x017F;i, wir&#x017F;an, mar&#x017F;jan, fars, wie theils einzeln &#x017F;tehen ge-<lb/>
bliebene <hi rendition="#i">rs</hi> darthun, namentlich wirs (pejus) thur&#x017F;t (&#x017F;itis)<lb/>
fer&#x017F;a (vacca), theils die goth. thaúr&#x017F;is, airzjan, marz-<lb/>
jan <note place="foot" n="*)">Sollten &#x017F;ich mit rück&#x017F;icht auf den wech&#x017F;el <hi rendition="#i">rs</hi> und <hi rendition="#i">rr</hi> die<lb/>
deut&#x017F;chen völkernamen mar&#x017F;i, mar&#x017F;igni nicht befriedigen-<lb/>
der auslegen laßen?</note>. &#x2014; Unbekannt hingegen &#x017F;ind der alth. mundart<lb/>
die a&#x017F;&#x017F;imilationen des <hi rendition="#i">nd</hi> und <hi rendition="#i">ld</hi> in <hi rendition="#i">nn, ll</hi>. &#x2014; <note xml:id="note-0149" next="#note-0150" place="foot" n="**)">Wenn bei den geminationen ll. nn. rr. die &#x017F;. 54. ge&#x017F;tellte<lb/>
regel, daß ihnen nur ein kurzer vocal vorhergehen dürfe,<lb/>
einigemahl ins gedränge geräth; &#x017F;o wird man am be&#x017F;ten<lb/>
den geminierten con&#x017F;on. aus li. ni. ri erklären, z. b. &#x017F;teinna</note></p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0149] I. althochdeutſche conſonanten. liquidae. biwamt ſt. hullita, memmita, nennita, therrita, biwem- mit, (maculatus). Meine anſicht der gemination bewährt ſich ferner durch die mögliche nachweiſung mancher geminationen aus älteren conſonantverbindungen und ſolcher beiſpiele liefern die mittel- und neuh. ſprache fortwährend mehr. Wie viele ll. nn. rr entſtehen nicht durch li. ni. ri. das die ableitung bildende i wird entweder in der gemi- nation verſchlungen, beiſpiele: brunna (thorax) ſellen (tradere) bûrro, werren (tueri) jüngere formen als: brunja, ſaljan, bûrjo, warjan; oder es bleibt daneben beſtehen, als kunni (genus) menni (monile) gl. jun. 214. ſt. kuni, mani; fenni (lutum) goth. fani (woher das franz. fange); henna (gallina) ſt. hanja. Aus bn. mn ent- wickelte ſich zuletzt mm, nn in ſtimma, nennen; frü- her ſtibna, ſtimua, namnjan, nemnjen, nennjen. Aus madmun_i (lenitas) mammunti; aus guotlìhhìn (gloria) bei I. cuatlìhhì bei K., ſpäter guallichî bei O. guol- lichî bei N und W. Nicht unwahrſcheinlich beruht wallôn (peregre abire) auf einem älteren wadalôn, wad- lôn von wadal (vagus, exſul, mendicus) hergeleitet, und ſelbſt wal (gen. walles, munimentum) dürſte durch ein früheres dl erläutert werden, wenn man das goth. vadd- jus erwägt, vgl. ëddo, odo und Notkers alde (aut); gruntſëllôn (N. 77, 69.) f. gruntſëdilòn; illan (feſtinare) mit ïddja, und über den wechſel des einfachen d mit I Schneider p. 255. 256. (ſo iſt auch unſer ſilabar genau das lith. ſidabras). Andere ll, wie al, alles, fal, falles etc. ſcheinen freilich uralt. — Endlich läßt ſich manchen rr der urſprung aus rn und rs nachweiſen: ſtërro, fërra aus ſtërno, fërna (vgl. Stalder dial. p. 68.); irri, thurri, wir- ran, merren, farr (taurus) etc. deuten auf ältere formen: irſi, wirſan, marſjan, fars, wie theils einzeln ſtehen ge- bliebene rs darthun, namentlich wirs (pejus) thurſt (ſitis) ferſa (vacca), theils die goth. thaúrſis, airzjan, marz- jan *). — Unbekannt hingegen ſind der alth. mundart die aſſimilationen des nd und ld in nn, ll. — **) *) Sollten ſich mit rückſicht auf den wechſel rs und rr die deutſchen völkernamen marſi, marſigni nicht befriedigen- der auslegen laßen? **) Wenn bei den geminationen ll. nn. rr. die ſ. 54. geſtellte regel, daß ihnen nur ein kurzer vocal vorhergehen dürfe, einigemahl ins gedränge geräth; ſo wird man am beſten den geminierten conſon. aus li. ni. ri erklären, z. b. ſteinna

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/149
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/149>, abgerufen am 06.05.2024.