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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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unseren Verbündeten geopfert." Gerade jetzt hat sich im "Temps" eine lebhafte
Debatte darüber erhoben, ob Frankreich auch nach 15 Jahren Besatzungs¬
dauer, die übrigens nach französischer, von deutscher Seite vom jetzigen Kabinett
bisher unwidersprochen gebliebener Auffassung uoch immer nicht zu laufen be¬
gonnen haben, berechtigt sein wird, mit oder ohne Zustimmung der Alliierten
die Nheiulinie besetzt zu halten. Tardieu leitet ans dein Z429 seine schon oft aus¬
gesprochene Auffassung her, daß Frankreich, da der Garantievertrag mit England
und Amerika nicht zustande gekommen sei, automatisch das Recht habe, am Rhein
zu bleiben, während Poincare ihm den Z 431 entgegenhült und dringend Klarheit
über diesen Punkt durch sofortige Verhandlungen mit den Alliierten verlangt.
Als Druckmittel wird man die Wiesbadener Verhandlungen benutzen, deren, im
Sinne einer deutsch-französischen Annäherung möglicherweise allzu günstige Er¬
gebnisse in England.schon nach der ersten Zusammenkunft der Minister Rathenau
und Loucheur beunruhigt haben, sowie die neuerdings durch Verwicklungen mit
Irland, Ägypten und Indien wieder geschwächte Position Englands und dessen
zurzeit mit dreieinhalb Millionen Arbeitsloser höchst schwierige wirtschaftliche Lage,
während man auf englischer Seite den glücklich erhaschten Beuteanteil von der
ersten deutschen Milliarde schwingt und den Franzosen durch deu Mund des eng¬
lischen Mitarbeiters von Millers "Europe nouvelle" sagen läßt: Wenn ihr ans
weitere Milliarden, und vor allem auf die Hoffnung, eine ganze Generation lang
und länger Deutschland tributpflichtig zu halten verzichtet und dafür eine ge¬
mäßigte Aunäheruugspölitik treibt, könnt ihr von dem Spatzen in der Hand
was abbekommen. Aber dazu gehört, daß ihr die Nuhrpolitik entschlossen aus¬
geht und den Weg nach Wiesbaden festigt. Nun ist natürlich nach den Erfahrun¬
gen, die man mit englischer Festigkeit während der Friedensverhandlungen und
später gemacht hat, nicht bestimmt zu rechnen. Aber doch geht aus obigem Ver-
handlnngsschema deutlich genug hervor, wie nötig sowohl England wie Frank¬
reich Deutschland brauchen. Von der Nnhrpolitik kaun schon lange nicht mehr
die Rede sein. Es wäre aber wohl an der Zeit, einmal von der Nheiupvlitik zu
reden. In dieser Hinsicht scheint so gut wie nichts zu geschehen. Wahrschein¬
lich glauben die trefflichen Beamten, die für die Leitung unserer Außenpolitik
verantwortlich siud, da ja die Räumung des Rheinlandes auf dem Papier ver¬
bürgt ist, schlimmsten Endes mit einem ebenso papiernen Protest ihrer Pflicht ge¬
nügen zu können und sich im übrigen mit der Ungerechtigkeit von Welt und
Menschheit abfinden zu müssen. Kein Wunder, daß die Rheinlandkommission der
Alliierten zu schalten wagt wie im eigenen Lande und in immer neuen Ordonnan¬
zen, deren eine für deutsches Nationalgesllhl immer unerträglicher ist als die
andere, ein Regime errichtet hat, dessen Härten die Erfordernisse einer dem Wort¬
laut uach friedlichen Besetzung weit übersteigen und das, wenn die Deutschen es
anwenden würden, der Presse des Vielverbandes täglich neue Gelegenheit liefern
würde (und diesmal brauchte sie nicht, wie während des Krieges so ungeheuer viel,
dazu Hu lügen!), die Welt mit ihrem Jammergeschrei zu erfüllen. Eine solche
Politik ist -- man muß es immer wieder sagen -- mit den Wiesbadener Be¬
sprechungen unverträglich, es muß versucht werden, den Alliierten begreiflich zu
machen, daß zwischeu diesen beiden Punkten eine organische Verbindung besteht.

Daß dies der deutschen Regierung mit Erfolg gelingen wird, Sßt der immer
noch fortdauernde Streit um die Sanktionen freilich nicht erhoffen. Wie die Ver¬
handlungen darüber im einzelnen gelaufen sind, ist auch nicht ganz zu übersehen.
Vorläufig liegt eine Irreführung der Öffentlichkeit insofern vor, als offiziös be¬
hauptet wurde, eine Antwort auf die deutsche Note vom 26. August sei bisher
überhaupt uoch nicht eingegangen, während spätere Nachrichten erkennen ließen,
daß in Paris mündlich über die Angelegenheit verhandelt wurde. Das Auswär¬
tige Amt täte gut, sich derartige .Wortklaubereien.zu schenken. Sachlich aber liegt
der Fall so, daß Frankreich durch das Kontrvllamt die in der Not der Ver¬
handlungen über die Verteilung der ersten deutschen Milliarde von
Ihm selbst beantragte Aufhebung der Wirtschaftssanktiouen illusorisch zu


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unseren Verbündeten geopfert." Gerade jetzt hat sich im „Temps" eine lebhafte
Debatte darüber erhoben, ob Frankreich auch nach 15 Jahren Besatzungs¬
dauer, die übrigens nach französischer, von deutscher Seite vom jetzigen Kabinett
bisher unwidersprochen gebliebener Auffassung uoch immer nicht zu laufen be¬
gonnen haben, berechtigt sein wird, mit oder ohne Zustimmung der Alliierten
die Nheiulinie besetzt zu halten. Tardieu leitet ans dein Z429 seine schon oft aus¬
gesprochene Auffassung her, daß Frankreich, da der Garantievertrag mit England
und Amerika nicht zustande gekommen sei, automatisch das Recht habe, am Rhein
zu bleiben, während Poincare ihm den Z 431 entgegenhült und dringend Klarheit
über diesen Punkt durch sofortige Verhandlungen mit den Alliierten verlangt.
Als Druckmittel wird man die Wiesbadener Verhandlungen benutzen, deren, im
Sinne einer deutsch-französischen Annäherung möglicherweise allzu günstige Er¬
gebnisse in England.schon nach der ersten Zusammenkunft der Minister Rathenau
und Loucheur beunruhigt haben, sowie die neuerdings durch Verwicklungen mit
Irland, Ägypten und Indien wieder geschwächte Position Englands und dessen
zurzeit mit dreieinhalb Millionen Arbeitsloser höchst schwierige wirtschaftliche Lage,
während man auf englischer Seite den glücklich erhaschten Beuteanteil von der
ersten deutschen Milliarde schwingt und den Franzosen durch deu Mund des eng¬
lischen Mitarbeiters von Millers „Europe nouvelle" sagen läßt: Wenn ihr ans
weitere Milliarden, und vor allem auf die Hoffnung, eine ganze Generation lang
und länger Deutschland tributpflichtig zu halten verzichtet und dafür eine ge¬
mäßigte Aunäheruugspölitik treibt, könnt ihr von dem Spatzen in der Hand
was abbekommen. Aber dazu gehört, daß ihr die Nuhrpolitik entschlossen aus¬
geht und den Weg nach Wiesbaden festigt. Nun ist natürlich nach den Erfahrun¬
gen, die man mit englischer Festigkeit während der Friedensverhandlungen und
später gemacht hat, nicht bestimmt zu rechnen. Aber doch geht aus obigem Ver-
handlnngsschema deutlich genug hervor, wie nötig sowohl England wie Frank¬
reich Deutschland brauchen. Von der Nnhrpolitik kaun schon lange nicht mehr
die Rede sein. Es wäre aber wohl an der Zeit, einmal von der Nheiupvlitik zu
reden. In dieser Hinsicht scheint so gut wie nichts zu geschehen. Wahrschein¬
lich glauben die trefflichen Beamten, die für die Leitung unserer Außenpolitik
verantwortlich siud, da ja die Räumung des Rheinlandes auf dem Papier ver¬
bürgt ist, schlimmsten Endes mit einem ebenso papiernen Protest ihrer Pflicht ge¬
nügen zu können und sich im übrigen mit der Ungerechtigkeit von Welt und
Menschheit abfinden zu müssen. Kein Wunder, daß die Rheinlandkommission der
Alliierten zu schalten wagt wie im eigenen Lande und in immer neuen Ordonnan¬
zen, deren eine für deutsches Nationalgesllhl immer unerträglicher ist als die
andere, ein Regime errichtet hat, dessen Härten die Erfordernisse einer dem Wort¬
laut uach friedlichen Besetzung weit übersteigen und das, wenn die Deutschen es
anwenden würden, der Presse des Vielverbandes täglich neue Gelegenheit liefern
würde (und diesmal brauchte sie nicht, wie während des Krieges so ungeheuer viel,
dazu Hu lügen!), die Welt mit ihrem Jammergeschrei zu erfüllen. Eine solche
Politik ist — man muß es immer wieder sagen — mit den Wiesbadener Be¬
sprechungen unverträglich, es muß versucht werden, den Alliierten begreiflich zu
machen, daß zwischeu diesen beiden Punkten eine organische Verbindung besteht.

Daß dies der deutschen Regierung mit Erfolg gelingen wird, Sßt der immer
noch fortdauernde Streit um die Sanktionen freilich nicht erhoffen. Wie die Ver¬
handlungen darüber im einzelnen gelaufen sind, ist auch nicht ganz zu übersehen.
Vorläufig liegt eine Irreführung der Öffentlichkeit insofern vor, als offiziös be¬
hauptet wurde, eine Antwort auf die deutsche Note vom 26. August sei bisher
überhaupt uoch nicht eingegangen, während spätere Nachrichten erkennen ließen,
daß in Paris mündlich über die Angelegenheit verhandelt wurde. Das Auswär¬
tige Amt täte gut, sich derartige .Wortklaubereien.zu schenken. Sachlich aber liegt
der Fall so, daß Frankreich durch das Kontrvllamt die in der Not der Ver¬
handlungen über die Verteilung der ersten deutschen Milliarde von
Ihm selbst beantragte Aufhebung der Wirtschaftssanktiouen illusorisch zu


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[0394] lveltspisgel unseren Verbündeten geopfert." Gerade jetzt hat sich im „Temps" eine lebhafte Debatte darüber erhoben, ob Frankreich auch nach 15 Jahren Besatzungs¬ dauer, die übrigens nach französischer, von deutscher Seite vom jetzigen Kabinett bisher unwidersprochen gebliebener Auffassung uoch immer nicht zu laufen be¬ gonnen haben, berechtigt sein wird, mit oder ohne Zustimmung der Alliierten die Nheiulinie besetzt zu halten. Tardieu leitet ans dein Z429 seine schon oft aus¬ gesprochene Auffassung her, daß Frankreich, da der Garantievertrag mit England und Amerika nicht zustande gekommen sei, automatisch das Recht habe, am Rhein zu bleiben, während Poincare ihm den Z 431 entgegenhült und dringend Klarheit über diesen Punkt durch sofortige Verhandlungen mit den Alliierten verlangt. Als Druckmittel wird man die Wiesbadener Verhandlungen benutzen, deren, im Sinne einer deutsch-französischen Annäherung möglicherweise allzu günstige Er¬ gebnisse in England.schon nach der ersten Zusammenkunft der Minister Rathenau und Loucheur beunruhigt haben, sowie die neuerdings durch Verwicklungen mit Irland, Ägypten und Indien wieder geschwächte Position Englands und dessen zurzeit mit dreieinhalb Millionen Arbeitsloser höchst schwierige wirtschaftliche Lage, während man auf englischer Seite den glücklich erhaschten Beuteanteil von der ersten deutschen Milliarde schwingt und den Franzosen durch deu Mund des eng¬ lischen Mitarbeiters von Millers „Europe nouvelle" sagen läßt: Wenn ihr ans weitere Milliarden, und vor allem auf die Hoffnung, eine ganze Generation lang und länger Deutschland tributpflichtig zu halten verzichtet und dafür eine ge¬ mäßigte Aunäheruugspölitik treibt, könnt ihr von dem Spatzen in der Hand was abbekommen. Aber dazu gehört, daß ihr die Nuhrpolitik entschlossen aus¬ geht und den Weg nach Wiesbaden festigt. Nun ist natürlich nach den Erfahrun¬ gen, die man mit englischer Festigkeit während der Friedensverhandlungen und später gemacht hat, nicht bestimmt zu rechnen. Aber doch geht aus obigem Ver- handlnngsschema deutlich genug hervor, wie nötig sowohl England wie Frank¬ reich Deutschland brauchen. Von der Nnhrpolitik kaun schon lange nicht mehr die Rede sein. Es wäre aber wohl an der Zeit, einmal von der Nheiupvlitik zu reden. In dieser Hinsicht scheint so gut wie nichts zu geschehen. Wahrschein¬ lich glauben die trefflichen Beamten, die für die Leitung unserer Außenpolitik verantwortlich siud, da ja die Räumung des Rheinlandes auf dem Papier ver¬ bürgt ist, schlimmsten Endes mit einem ebenso papiernen Protest ihrer Pflicht ge¬ nügen zu können und sich im übrigen mit der Ungerechtigkeit von Welt und Menschheit abfinden zu müssen. Kein Wunder, daß die Rheinlandkommission der Alliierten zu schalten wagt wie im eigenen Lande und in immer neuen Ordonnan¬ zen, deren eine für deutsches Nationalgesllhl immer unerträglicher ist als die andere, ein Regime errichtet hat, dessen Härten die Erfordernisse einer dem Wort¬ laut uach friedlichen Besetzung weit übersteigen und das, wenn die Deutschen es anwenden würden, der Presse des Vielverbandes täglich neue Gelegenheit liefern würde (und diesmal brauchte sie nicht, wie während des Krieges so ungeheuer viel, dazu Hu lügen!), die Welt mit ihrem Jammergeschrei zu erfüllen. Eine solche Politik ist — man muß es immer wieder sagen — mit den Wiesbadener Be¬ sprechungen unverträglich, es muß versucht werden, den Alliierten begreiflich zu machen, daß zwischeu diesen beiden Punkten eine organische Verbindung besteht. Daß dies der deutschen Regierung mit Erfolg gelingen wird, Sßt der immer noch fortdauernde Streit um die Sanktionen freilich nicht erhoffen. Wie die Ver¬ handlungen darüber im einzelnen gelaufen sind, ist auch nicht ganz zu übersehen. Vorläufig liegt eine Irreführung der Öffentlichkeit insofern vor, als offiziös be¬ hauptet wurde, eine Antwort auf die deutsche Note vom 26. August sei bisher überhaupt uoch nicht eingegangen, während spätere Nachrichten erkennen ließen, daß in Paris mündlich über die Angelegenheit verhandelt wurde. Das Auswär¬ tige Amt täte gut, sich derartige .Wortklaubereien.zu schenken. Sachlich aber liegt der Fall so, daß Frankreich durch das Kontrvllamt die in der Not der Ver¬ handlungen über die Verteilung der ersten deutschen Milliarde von Ihm selbst beantragte Aufhebung der Wirtschaftssanktiouen illusorisch zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/394>, abgerufen am 24.07.2024.