Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.ZVeltspiegel lveltsxiegel Rheingrenze "ut Sanktionen. Wird es noch lange dauern, bis diese Be¬ Daß Deutschland, selbst seinen guten Willen vorausgesetzt, imstande sein ZVeltspiegel lveltsxiegel Rheingrenze «ut Sanktionen. Wird es noch lange dauern, bis diese Be¬ Daß Deutschland, selbst seinen guten Willen vorausgesetzt, imstande sein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339542"/> <fw type="header" place="top"> ZVeltspiegel</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> lveltsxiegel</head><lb/> <p xml:id="ID_1670"> Rheingrenze «ut Sanktionen. Wird es noch lange dauern, bis diese Be¬<lb/> trachtungen zur Außenpolitik sich auch mit Bayern zu beschäftigen haben werden?<lb/> Im Grunde muß dies schon jetzt geschehen. Denn der schwere Konflikt zwischen<lb/> Bayern und dem Reich entspringt ja keineswegs nur nachbarlicher Raunzerei,<lb/> Kompetenzstreitigkeiten der Behörden oder verschiedener Ausfassung der Sozial¬<lb/> politik, sondern in mindestens gleich starkem Maße — man denke nur ein wenig<lb/> zurück — einer unterschiedlichen außenpolitischen Einstellung, insbesondere zur<lb/> Erfüllung des Friedensvertrages. Es ist bekannt, daß man in Bayern nichts<lb/> erfüllen will und die Franzosen, die über jede Erweiterung der Risse in der<lb/> Einheit des Reiches frohlocken, werden durch eine bayerische Sonderpolitik, wie<lb/> ein Teil von ihnen übrigens recht Wohl weiß, vor die Aussicht gestellt, sowohl auf<lb/> die deutsche Riesenentschädigung wie auf die weitere Verhinderung des öster¬<lb/> reichischen Anschlusses verzichten zu müssen. Und nun wird es sehr zweifelhaft,<lb/> ob man in Frankreich einer der Verwirklichung immerhin noch lange nicht ganz<lb/> nahegerückten Politik der Auflösung der Reichseinheit zuliebe, einer Politik<lb/> übrigens, wie 1870 bewiesen hat, von auf die Länge zweifelhaftem Erfolge, auf<lb/> die Ergebnisse der Annahme des Londoner Ultimatums verzichten möchte. So<lb/> sehr man hier auch wohl gefühlsmäßig zu der Politik der Auflösung neigt, so<lb/> wenig ist man in dieser Beziehung in seinen Entschlüssen noch frei. Das erweisen<lb/> die Ausführungen, die der französische Abgeordnete Bokanorski unlängst vor dem<lb/> Finanzausschuß der Kammer gemacht hat. „Um Entschlüsse auf lange Frist zu<lb/> fassen," führte er aus, „nutz man den Mut haben, einmal zu untersuchen, welche<lb/> Anforderungen das Budget in sechs oder sieben Jahren stellen wird, wenn der<lb/> Wiederaufbau des verwüsteten Gebietes durchgeführt ist. Es wäre verfehlt,<lb/> diese Lage mit dem bestellten Optimismus ins Auge zu fassen, der seit dem<lb/> Kriege im Finanzministerium üblich ist. Wir müssen uns auf eine Steuersumme<lb/> gefaßt machen, die in den Jahren 1926/7 zwischen 30 bis 32 Milliarden Franken<lb/> schwanken wird. Wir haben gegenwärtig eine äußere Schuld von 230 Milliarden<lb/> Franken. 70 Milliarden haben wir noch für den Wiederaufbau der befreiten<lb/> Gebiete durch Anleihen aufzunehmen, macht 300 Milliarden, verzinslich mit<lb/> sechs Prozent einschließlich einer leichten Tilgungsrate. Für das Jahresbudget<lb/> macht das 18 Milliarden. Für die Verwaltung brauchen wir, so lange wir<lb/> unser drückendes Budget der nationalen Verteidigung behalten wollen, zehn<lb/> Milliarden. Außerdem vier Milliarden für die Pensionen der Verstümmelten und<lb/> Hinterbliebenen. Wenn Sie dazu die Tilgung unserer äußeren Schuld rechnen,<lb/> kommen wir auf etwa 36 bis 37 Milliarden. Und auf der Einnahmeseite rechnen<lb/> Sie, wenn Sie wollen, um nicht pessimistisch zu sein, die Zahlungen Deutsch¬<lb/> lands auf fünf Milliarden Papierfranken. Sie sehen, was uns an Steuern<lb/> aufzubringen bleibt." ,</p><lb/> <p xml:id="ID_1671" next="#ID_1672"> Daß Deutschland, selbst seinen guten Willen vorausgesetzt, imstande sein<lb/> wird, dies ungeheure Loch, das die französische immer zunehmende Steuermüdig¬<lb/> keit in Frankreichs Budget lassen wird, mit seinen Zahlungen auszufüllen,<lb/> glauben in Frankreich von Monat zu Monat immer weniger Leute. Von dieser<lb/> Erkenntnis aber führen zwei Wege. Der eine geht auf eine französisch-deutsche<lb/> Zusammenarbeit und wird neuerdings auch in Jndustriekreiscn erwogen. Der<lb/> andere geht auf die Sicherung der „Pfänder", das heißt der Rhcingrenze. Der<lb/> logische Schluß, der zu dieser lebten Forderung führt, ist am knappsten unlängst durch<lb/> den früheren französischen Finanzminister Massai im „Matin" ausgedrückt wor¬<lb/> den: „Der ganze Friedcnsucrtrag", so heißt es dort, „beruht auf der Annahme,<lb/> daß die materiellen Interessen 'unserer Alliierten fast ein halbes Jahrhundert<lb/> lang genau dieselben bleiben wie die französischen, wie das während des Krieges<lb/> der Fall war. Dieser gebrechlichen Annahme zuliebe haben wir die Sicherheit<lb/> unseres Landes, die Festsetzung unserer Grenze, die Kriegsentschädigung, tue<lb/> Garantien, unsere Vorzugsrechte und schließlich sogar die Finanzabmachungen mit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0393]
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Rheingrenze «ut Sanktionen. Wird es noch lange dauern, bis diese Be¬
trachtungen zur Außenpolitik sich auch mit Bayern zu beschäftigen haben werden?
Im Grunde muß dies schon jetzt geschehen. Denn der schwere Konflikt zwischen
Bayern und dem Reich entspringt ja keineswegs nur nachbarlicher Raunzerei,
Kompetenzstreitigkeiten der Behörden oder verschiedener Ausfassung der Sozial¬
politik, sondern in mindestens gleich starkem Maße — man denke nur ein wenig
zurück — einer unterschiedlichen außenpolitischen Einstellung, insbesondere zur
Erfüllung des Friedensvertrages. Es ist bekannt, daß man in Bayern nichts
erfüllen will und die Franzosen, die über jede Erweiterung der Risse in der
Einheit des Reiches frohlocken, werden durch eine bayerische Sonderpolitik, wie
ein Teil von ihnen übrigens recht Wohl weiß, vor die Aussicht gestellt, sowohl auf
die deutsche Riesenentschädigung wie auf die weitere Verhinderung des öster¬
reichischen Anschlusses verzichten zu müssen. Und nun wird es sehr zweifelhaft,
ob man in Frankreich einer der Verwirklichung immerhin noch lange nicht ganz
nahegerückten Politik der Auflösung der Reichseinheit zuliebe, einer Politik
übrigens, wie 1870 bewiesen hat, von auf die Länge zweifelhaftem Erfolge, auf
die Ergebnisse der Annahme des Londoner Ultimatums verzichten möchte. So
sehr man hier auch wohl gefühlsmäßig zu der Politik der Auflösung neigt, so
wenig ist man in dieser Beziehung in seinen Entschlüssen noch frei. Das erweisen
die Ausführungen, die der französische Abgeordnete Bokanorski unlängst vor dem
Finanzausschuß der Kammer gemacht hat. „Um Entschlüsse auf lange Frist zu
fassen," führte er aus, „nutz man den Mut haben, einmal zu untersuchen, welche
Anforderungen das Budget in sechs oder sieben Jahren stellen wird, wenn der
Wiederaufbau des verwüsteten Gebietes durchgeführt ist. Es wäre verfehlt,
diese Lage mit dem bestellten Optimismus ins Auge zu fassen, der seit dem
Kriege im Finanzministerium üblich ist. Wir müssen uns auf eine Steuersumme
gefaßt machen, die in den Jahren 1926/7 zwischen 30 bis 32 Milliarden Franken
schwanken wird. Wir haben gegenwärtig eine äußere Schuld von 230 Milliarden
Franken. 70 Milliarden haben wir noch für den Wiederaufbau der befreiten
Gebiete durch Anleihen aufzunehmen, macht 300 Milliarden, verzinslich mit
sechs Prozent einschließlich einer leichten Tilgungsrate. Für das Jahresbudget
macht das 18 Milliarden. Für die Verwaltung brauchen wir, so lange wir
unser drückendes Budget der nationalen Verteidigung behalten wollen, zehn
Milliarden. Außerdem vier Milliarden für die Pensionen der Verstümmelten und
Hinterbliebenen. Wenn Sie dazu die Tilgung unserer äußeren Schuld rechnen,
kommen wir auf etwa 36 bis 37 Milliarden. Und auf der Einnahmeseite rechnen
Sie, wenn Sie wollen, um nicht pessimistisch zu sein, die Zahlungen Deutsch¬
lands auf fünf Milliarden Papierfranken. Sie sehen, was uns an Steuern
aufzubringen bleibt." ,
Daß Deutschland, selbst seinen guten Willen vorausgesetzt, imstande sein
wird, dies ungeheure Loch, das die französische immer zunehmende Steuermüdig¬
keit in Frankreichs Budget lassen wird, mit seinen Zahlungen auszufüllen,
glauben in Frankreich von Monat zu Monat immer weniger Leute. Von dieser
Erkenntnis aber führen zwei Wege. Der eine geht auf eine französisch-deutsche
Zusammenarbeit und wird neuerdings auch in Jndustriekreiscn erwogen. Der
andere geht auf die Sicherung der „Pfänder", das heißt der Rhcingrenze. Der
logische Schluß, der zu dieser lebten Forderung führt, ist am knappsten unlängst durch
den früheren französischen Finanzminister Massai im „Matin" ausgedrückt wor¬
den: „Der ganze Friedcnsucrtrag", so heißt es dort, „beruht auf der Annahme,
daß die materiellen Interessen 'unserer Alliierten fast ein halbes Jahrhundert
lang genau dieselben bleiben wie die französischen, wie das während des Krieges
der Fall war. Dieser gebrechlichen Annahme zuliebe haben wir die Sicherheit
unseres Landes, die Festsetzung unserer Grenze, die Kriegsentschädigung, tue
Garantien, unsere Vorzugsrechte und schließlich sogar die Finanzabmachungen mit
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