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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Gefährdung der Deutschen im Südslawenstaat

genossen, weil man leicht einsieht, daß auch serbische, vielleicht der deutschen
Sprache wenig mächtige Lehrer darin beschäftigt sein werden. Aber es kam
viel ärger, überall meldete sich bis zur bestimmten Frist (10. Juli) eine große
Menge deutscher Schüler, so zum Beispiel in Hatzfeld für die acht Parallelklassen
vierhundertvierzig. Da ordnete am 14. Juli (also kaum sechs Wochen nach der
eben erwähnten ministeriellen Verordnung über die geplante Aufstellung von
Parallelklassen) das Belgrader Ministerium an, daß nicht nur keine neuen
deutschen Parallelklassen aufgestellt werden dürfen, sondern auch an den bestehenden
deutschen Mittelschulen mit Beginn des Schuljahres 1921 bis 1922 der erste
Jahrgang die serbokroatische Unterrichtssprache annehmen müsse. Das ist der
Anfang vom Ende der deutschen Mittelschulen und, da man ja auch mit der
Zweisprachigkeit der Volksschulen schon begonnen hat, des deutschen Schulwesens
überhaupt.

Zur Begründung dieser Maßnahmen zur Unterdrückung des deutschen
Mittelschulwesens wird auf die inzwischen ergangene Verfassung verwiesen, die
den Nationalitäten nur das Recht auf den Volksschulunterricht in der Mutter¬
sprache gewährleistet hat. Wie es mit diesem aussieht, ist schon oben be¬
sprochen worden.

Selbstverständlich kündigen die Deutschen ihren Widerstand gegen diese
Vergewaltigung an. Anfangs August hat der schwäbisch-deutsche Kulturbund in
Belgrad eine Petition an die Nationalversammlung überreicht.

Und schon wird eine neue Hiobspost verbreitet. Nach bisher amtlich noch
nicht bestätigten Nachrichten soll im Ministerrat der Beschluß gefaßt worden sein,
das Besuchen ausländischer Hochschulen seitens der Hochschüler südslawischer
Staatszugehörigkeit in einer demnächst zu erlassenden Verordnung des Unter¬
richtsministeriums zu regeln. In dieser Verordnung soll es heißen, daß mit dem
nächsten Schuljahre nur diejenigen die Bewilligung zum Besuchen ausländischer
Hochschulen erhalten werden, die auch bisher im Auslande studierten und solche,
die sich Studien widmen, für welche sich an den inländischen Hochschulen noch
keine Fakultäten befinden. Daß diese Verordnung nur gegen die Hochschüler der
nationalen Minderheiten gerichtet ist, ist nach den bisherigen bösen Erfahrungen
gar nicht zu verkennen. Hinzugefügt muß werden, daß die Belgrader Regierung
schon vor einigen Monaten die Abhaltung von deutschen Hochschulkursen
in Neusatz und anderen Orten, für die der Kulturbund deutsche Gelehrte zu ge-
winnen suchte, verboten hat.

Die serbischen Angriffe auf das deutsche Hochschulwesen werden um so ge-
fährlicher, als man sich plötzlich in Straßburg daran erinnert hat, daß auch
Elsässer und Lothringer nach dem Banat und der Batschka gewandert sind
(vergleiche Kaindl, Geschichte der Deutschen in den Karpathenländern, dritter Band)
und man jetzt unter allerlei Versprechungen die schwäbische Jugend nach
Straßburg zu.locken sucht, "wo die Bevölkerung fast denselben Dialekt spricht
wie die Banater Schwaben und wo man überdies die französische Sprache erlernen
kann". Der Rektor Abbe Dr. Müller verspricht den schwäbischen Studenten
wärmste Unterstützung.

Schließlich sei noch bemerkt, daß der schon erwähnte Kulturbund tüchtig
weiter arbeitet und alle Anstrengungen macht, um die Lage der Deutschen im


Gefährdung der Deutschen im Südslawenstaat

genossen, weil man leicht einsieht, daß auch serbische, vielleicht der deutschen
Sprache wenig mächtige Lehrer darin beschäftigt sein werden. Aber es kam
viel ärger, überall meldete sich bis zur bestimmten Frist (10. Juli) eine große
Menge deutscher Schüler, so zum Beispiel in Hatzfeld für die acht Parallelklassen
vierhundertvierzig. Da ordnete am 14. Juli (also kaum sechs Wochen nach der
eben erwähnten ministeriellen Verordnung über die geplante Aufstellung von
Parallelklassen) das Belgrader Ministerium an, daß nicht nur keine neuen
deutschen Parallelklassen aufgestellt werden dürfen, sondern auch an den bestehenden
deutschen Mittelschulen mit Beginn des Schuljahres 1921 bis 1922 der erste
Jahrgang die serbokroatische Unterrichtssprache annehmen müsse. Das ist der
Anfang vom Ende der deutschen Mittelschulen und, da man ja auch mit der
Zweisprachigkeit der Volksschulen schon begonnen hat, des deutschen Schulwesens
überhaupt.

Zur Begründung dieser Maßnahmen zur Unterdrückung des deutschen
Mittelschulwesens wird auf die inzwischen ergangene Verfassung verwiesen, die
den Nationalitäten nur das Recht auf den Volksschulunterricht in der Mutter¬
sprache gewährleistet hat. Wie es mit diesem aussieht, ist schon oben be¬
sprochen worden.

Selbstverständlich kündigen die Deutschen ihren Widerstand gegen diese
Vergewaltigung an. Anfangs August hat der schwäbisch-deutsche Kulturbund in
Belgrad eine Petition an die Nationalversammlung überreicht.

Und schon wird eine neue Hiobspost verbreitet. Nach bisher amtlich noch
nicht bestätigten Nachrichten soll im Ministerrat der Beschluß gefaßt worden sein,
das Besuchen ausländischer Hochschulen seitens der Hochschüler südslawischer
Staatszugehörigkeit in einer demnächst zu erlassenden Verordnung des Unter¬
richtsministeriums zu regeln. In dieser Verordnung soll es heißen, daß mit dem
nächsten Schuljahre nur diejenigen die Bewilligung zum Besuchen ausländischer
Hochschulen erhalten werden, die auch bisher im Auslande studierten und solche,
die sich Studien widmen, für welche sich an den inländischen Hochschulen noch
keine Fakultäten befinden. Daß diese Verordnung nur gegen die Hochschüler der
nationalen Minderheiten gerichtet ist, ist nach den bisherigen bösen Erfahrungen
gar nicht zu verkennen. Hinzugefügt muß werden, daß die Belgrader Regierung
schon vor einigen Monaten die Abhaltung von deutschen Hochschulkursen
in Neusatz und anderen Orten, für die der Kulturbund deutsche Gelehrte zu ge-
winnen suchte, verboten hat.

Die serbischen Angriffe auf das deutsche Hochschulwesen werden um so ge-
fährlicher, als man sich plötzlich in Straßburg daran erinnert hat, daß auch
Elsässer und Lothringer nach dem Banat und der Batschka gewandert sind
(vergleiche Kaindl, Geschichte der Deutschen in den Karpathenländern, dritter Band)
und man jetzt unter allerlei Versprechungen die schwäbische Jugend nach
Straßburg zu.locken sucht, „wo die Bevölkerung fast denselben Dialekt spricht
wie die Banater Schwaben und wo man überdies die französische Sprache erlernen
kann". Der Rektor Abbe Dr. Müller verspricht den schwäbischen Studenten
wärmste Unterstützung.

Schließlich sei noch bemerkt, daß der schon erwähnte Kulturbund tüchtig
weiter arbeitet und alle Anstrengungen macht, um die Lage der Deutschen im


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[0375] Gefährdung der Deutschen im Südslawenstaat genossen, weil man leicht einsieht, daß auch serbische, vielleicht der deutschen Sprache wenig mächtige Lehrer darin beschäftigt sein werden. Aber es kam viel ärger, überall meldete sich bis zur bestimmten Frist (10. Juli) eine große Menge deutscher Schüler, so zum Beispiel in Hatzfeld für die acht Parallelklassen vierhundertvierzig. Da ordnete am 14. Juli (also kaum sechs Wochen nach der eben erwähnten ministeriellen Verordnung über die geplante Aufstellung von Parallelklassen) das Belgrader Ministerium an, daß nicht nur keine neuen deutschen Parallelklassen aufgestellt werden dürfen, sondern auch an den bestehenden deutschen Mittelschulen mit Beginn des Schuljahres 1921 bis 1922 der erste Jahrgang die serbokroatische Unterrichtssprache annehmen müsse. Das ist der Anfang vom Ende der deutschen Mittelschulen und, da man ja auch mit der Zweisprachigkeit der Volksschulen schon begonnen hat, des deutschen Schulwesens überhaupt. Zur Begründung dieser Maßnahmen zur Unterdrückung des deutschen Mittelschulwesens wird auf die inzwischen ergangene Verfassung verwiesen, die den Nationalitäten nur das Recht auf den Volksschulunterricht in der Mutter¬ sprache gewährleistet hat. Wie es mit diesem aussieht, ist schon oben be¬ sprochen worden. Selbstverständlich kündigen die Deutschen ihren Widerstand gegen diese Vergewaltigung an. Anfangs August hat der schwäbisch-deutsche Kulturbund in Belgrad eine Petition an die Nationalversammlung überreicht. Und schon wird eine neue Hiobspost verbreitet. Nach bisher amtlich noch nicht bestätigten Nachrichten soll im Ministerrat der Beschluß gefaßt worden sein, das Besuchen ausländischer Hochschulen seitens der Hochschüler südslawischer Staatszugehörigkeit in einer demnächst zu erlassenden Verordnung des Unter¬ richtsministeriums zu regeln. In dieser Verordnung soll es heißen, daß mit dem nächsten Schuljahre nur diejenigen die Bewilligung zum Besuchen ausländischer Hochschulen erhalten werden, die auch bisher im Auslande studierten und solche, die sich Studien widmen, für welche sich an den inländischen Hochschulen noch keine Fakultäten befinden. Daß diese Verordnung nur gegen die Hochschüler der nationalen Minderheiten gerichtet ist, ist nach den bisherigen bösen Erfahrungen gar nicht zu verkennen. Hinzugefügt muß werden, daß die Belgrader Regierung schon vor einigen Monaten die Abhaltung von deutschen Hochschulkursen in Neusatz und anderen Orten, für die der Kulturbund deutsche Gelehrte zu ge- winnen suchte, verboten hat. Die serbischen Angriffe auf das deutsche Hochschulwesen werden um so ge- fährlicher, als man sich plötzlich in Straßburg daran erinnert hat, daß auch Elsässer und Lothringer nach dem Banat und der Batschka gewandert sind (vergleiche Kaindl, Geschichte der Deutschen in den Karpathenländern, dritter Band) und man jetzt unter allerlei Versprechungen die schwäbische Jugend nach Straßburg zu.locken sucht, „wo die Bevölkerung fast denselben Dialekt spricht wie die Banater Schwaben und wo man überdies die französische Sprache erlernen kann". Der Rektor Abbe Dr. Müller verspricht den schwäbischen Studenten wärmste Unterstützung. Schließlich sei noch bemerkt, daß der schon erwähnte Kulturbund tüchtig weiter arbeitet und alle Anstrengungen macht, um die Lage der Deutschen im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/375>, abgerufen am 24.07.2024.