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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Filu und Psychologie des Volkes

gestellt worden. Dagegen hängen unsere bewußten Handlungen fast ausschließlich
von jenem unbewußten Substrate ab, welches wohl hauptsächlich aus hereditären
Einflüssen herrührt. Es befinden sich also hinter den uns bewußten Gründen
unserer Handlungen geheime, uns vollkommen unbewußte Triebe. Aber gerade
diese unbewußten, treibenden Elemente des intellektuellen und moralischen Da¬
seins sind es, wodurch die zu demselben Volke und zu derselben Rasse gehörigen
und in denselben sozialen Verhältnissen lebenden EinMindividuen zusammen-
hängen und einander gleichen, im Gegensatz zu dem bewußten Teil des geistigen
Lebens, durch den sie sich erst unterscheiden.

Eine ohne weiteres festzustellende Tatsache ist, daß, sobald sich Menschen
zu einer Masse zusammengefunden haben, bei den Einzelnen der bewußte Teil
der geistigen Fähigkeiten, hinter den der unbewußten, intellektuellen und mora¬
lischen Eigentümlichkeiten, die allen zu derselben Rasse gehörigen gemeinsam sind,
zurücktreten. Interessant ist bei solchen Massenversammlungen, daß in den
beteiligten Menschen alle Handlungen und Gefühle in einem außerordentlich hohen
Grade beeinflussend sind, daß weiter jeder einzelne als Glied einer solchen Menschen¬
menge ein ungewöhnliches Maß von Suggestibilität zeigt, das bei einem eiiizel-
nen Menschen ganz unmöglich wäre, es sei denn, er befindet sich in einem Zu¬
stand der Hypnose. So, wie hier das sogen. Oberbewußtsein gelähmt ist, kann
der Mensch als Glied einer Volksmasse unter bestimmten Gründen vollständig
die Herrschaft und Gewalt über sich verlieren. Wie kann man nun ans die.
Volksmasse einwirken? Das kann auf verschiedene Art geschehen. Vor allen
Dingen hat sie eine sehr rege Einbildungskraft und eine lebhafte Phantasie, so
daß durch starke Eindrücke, plötzliche Zwischenfälle und unerwartete Ereignisse
lebhafte Gemütsbewegungen hervorgerufen werden. Sie läßt sich am besten
durch Bilder beeinflussen, weil sie nur in Bildern denkt und diese ans ihre Ein¬
bildungskraft suggestiv wirken. Allerdings anch das gesprochene Wort kann,
suggestiv wirken, je nachdem, welches Temperament dem Redner zur Ver¬
fügung steht. Man wird zugeben müssen, daß ein temperamentvoller Redner,
der kurze, zündende Worte - und mögen sie noch so unlogisch sein -- in die
Versammlung schleudert, mehr Erfolg hat, also weit größere Wirkungen hervor¬
ruft, als ein Mann, der ruhig, klar und streng logisch spricht. Das größte,
stärkste und am raschesten wirkende Mittel ist demnach wohl das Filmbild, weil
es eben der Einbildungskraft und Phantasie der Menge entgegenkommt und
diese viel sicherer erfaßt, als das gesprochene Wort. Aber ein' weiterer großex
Vorteil des Films besteht darin, daß er in vielen Städten des Deutschen Reiches
zugleich gezeigt werden kann, wie es wohl kein Theaterstück und keine Zeitung
so ausführlich, vielfältig und instruktiv in so kurzer Zeitspanne möglich machen
kann. Dadurch, daß der Filu so große Einflußkraft hat und auf Tausende von
Menschen, wenn auch nicht zu gleicher Zeit, so doch kurz hintereinander, gleich
stark wirken kann und auch wirkt, wird man ermessen können, welche Rolle der
Filu im sozialen Leben des Volkes spielt. Beispiele anzuführen, dürfte sich
wohl erübrigen, da ja der Le^er sich solche selbst aus eigenen Erfahrungen und Be-
obachtungen wird ins Gedächtnis zurückrufen können.

Eignet sich also der Filu ganz besonders für eine Massensuggestion, so muß
man naturgemäß bestrebt sein, nur gute, wirklich einwandfreie Filme in den
öffentlichen Kinotheatern zu zeigen. Der Schaden könnte sonst unberechenbar
sein, wie es sich Wohl jeder denkende Leser wird selbst sagen müssen. Unter diesen
Schaden anrichtenden Filmen verstehe ich solche, die dem gesunden Menschenver¬
stand widersprechen, moralische und künstlerische Empfinden zerstören, anstatt
zu fördern. Daß der Filu allerdings geradezu Verbrecher züchten kann, wirv
wohl im Ernst niemand glauben wollen.') Welche merkwürdige Blüten aber die Ab-



Vgl. K. Schmelzer "Kino und Verbrechen" im Filu-Kurier vom 22. April 1921
und Staatsanwalt a. D. Bulcke "Filu und Verbrechen" in der "Deutschen Allgemeinen
Zeitung" vom 6. Juni 1921.
Filu und Psychologie des Volkes

gestellt worden. Dagegen hängen unsere bewußten Handlungen fast ausschließlich
von jenem unbewußten Substrate ab, welches wohl hauptsächlich aus hereditären
Einflüssen herrührt. Es befinden sich also hinter den uns bewußten Gründen
unserer Handlungen geheime, uns vollkommen unbewußte Triebe. Aber gerade
diese unbewußten, treibenden Elemente des intellektuellen und moralischen Da¬
seins sind es, wodurch die zu demselben Volke und zu derselben Rasse gehörigen
und in denselben sozialen Verhältnissen lebenden EinMindividuen zusammen-
hängen und einander gleichen, im Gegensatz zu dem bewußten Teil des geistigen
Lebens, durch den sie sich erst unterscheiden.

Eine ohne weiteres festzustellende Tatsache ist, daß, sobald sich Menschen
zu einer Masse zusammengefunden haben, bei den Einzelnen der bewußte Teil
der geistigen Fähigkeiten, hinter den der unbewußten, intellektuellen und mora¬
lischen Eigentümlichkeiten, die allen zu derselben Rasse gehörigen gemeinsam sind,
zurücktreten. Interessant ist bei solchen Massenversammlungen, daß in den
beteiligten Menschen alle Handlungen und Gefühle in einem außerordentlich hohen
Grade beeinflussend sind, daß weiter jeder einzelne als Glied einer solchen Menschen¬
menge ein ungewöhnliches Maß von Suggestibilität zeigt, das bei einem eiiizel-
nen Menschen ganz unmöglich wäre, es sei denn, er befindet sich in einem Zu¬
stand der Hypnose. So, wie hier das sogen. Oberbewußtsein gelähmt ist, kann
der Mensch als Glied einer Volksmasse unter bestimmten Gründen vollständig
die Herrschaft und Gewalt über sich verlieren. Wie kann man nun ans die.
Volksmasse einwirken? Das kann auf verschiedene Art geschehen. Vor allen
Dingen hat sie eine sehr rege Einbildungskraft und eine lebhafte Phantasie, so
daß durch starke Eindrücke, plötzliche Zwischenfälle und unerwartete Ereignisse
lebhafte Gemütsbewegungen hervorgerufen werden. Sie läßt sich am besten
durch Bilder beeinflussen, weil sie nur in Bildern denkt und diese ans ihre Ein¬
bildungskraft suggestiv wirken. Allerdings anch das gesprochene Wort kann,
suggestiv wirken, je nachdem, welches Temperament dem Redner zur Ver¬
fügung steht. Man wird zugeben müssen, daß ein temperamentvoller Redner,
der kurze, zündende Worte - und mögen sie noch so unlogisch sein — in die
Versammlung schleudert, mehr Erfolg hat, also weit größere Wirkungen hervor¬
ruft, als ein Mann, der ruhig, klar und streng logisch spricht. Das größte,
stärkste und am raschesten wirkende Mittel ist demnach wohl das Filmbild, weil
es eben der Einbildungskraft und Phantasie der Menge entgegenkommt und
diese viel sicherer erfaßt, als das gesprochene Wort. Aber ein' weiterer großex
Vorteil des Films besteht darin, daß er in vielen Städten des Deutschen Reiches
zugleich gezeigt werden kann, wie es wohl kein Theaterstück und keine Zeitung
so ausführlich, vielfältig und instruktiv in so kurzer Zeitspanne möglich machen
kann. Dadurch, daß der Filu so große Einflußkraft hat und auf Tausende von
Menschen, wenn auch nicht zu gleicher Zeit, so doch kurz hintereinander, gleich
stark wirken kann und auch wirkt, wird man ermessen können, welche Rolle der
Filu im sozialen Leben des Volkes spielt. Beispiele anzuführen, dürfte sich
wohl erübrigen, da ja der Le^er sich solche selbst aus eigenen Erfahrungen und Be-
obachtungen wird ins Gedächtnis zurückrufen können.

Eignet sich also der Filu ganz besonders für eine Massensuggestion, so muß
man naturgemäß bestrebt sein, nur gute, wirklich einwandfreie Filme in den
öffentlichen Kinotheatern zu zeigen. Der Schaden könnte sonst unberechenbar
sein, wie es sich Wohl jeder denkende Leser wird selbst sagen müssen. Unter diesen
Schaden anrichtenden Filmen verstehe ich solche, die dem gesunden Menschenver¬
stand widersprechen, moralische und künstlerische Empfinden zerstören, anstatt
zu fördern. Daß der Filu allerdings geradezu Verbrecher züchten kann, wirv
wohl im Ernst niemand glauben wollen.') Welche merkwürdige Blüten aber die Ab-



Vgl. K. Schmelzer „Kino und Verbrechen" im Filu-Kurier vom 22. April 1921
und Staatsanwalt a. D. Bulcke „Filu und Verbrechen" in der „Deutschen Allgemeinen
Zeitung" vom 6. Juni 1921.
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[0354] Filu und Psychologie des Volkes gestellt worden. Dagegen hängen unsere bewußten Handlungen fast ausschließlich von jenem unbewußten Substrate ab, welches wohl hauptsächlich aus hereditären Einflüssen herrührt. Es befinden sich also hinter den uns bewußten Gründen unserer Handlungen geheime, uns vollkommen unbewußte Triebe. Aber gerade diese unbewußten, treibenden Elemente des intellektuellen und moralischen Da¬ seins sind es, wodurch die zu demselben Volke und zu derselben Rasse gehörigen und in denselben sozialen Verhältnissen lebenden EinMindividuen zusammen- hängen und einander gleichen, im Gegensatz zu dem bewußten Teil des geistigen Lebens, durch den sie sich erst unterscheiden. Eine ohne weiteres festzustellende Tatsache ist, daß, sobald sich Menschen zu einer Masse zusammengefunden haben, bei den Einzelnen der bewußte Teil der geistigen Fähigkeiten, hinter den der unbewußten, intellektuellen und mora¬ lischen Eigentümlichkeiten, die allen zu derselben Rasse gehörigen gemeinsam sind, zurücktreten. Interessant ist bei solchen Massenversammlungen, daß in den beteiligten Menschen alle Handlungen und Gefühle in einem außerordentlich hohen Grade beeinflussend sind, daß weiter jeder einzelne als Glied einer solchen Menschen¬ menge ein ungewöhnliches Maß von Suggestibilität zeigt, das bei einem eiiizel- nen Menschen ganz unmöglich wäre, es sei denn, er befindet sich in einem Zu¬ stand der Hypnose. So, wie hier das sogen. Oberbewußtsein gelähmt ist, kann der Mensch als Glied einer Volksmasse unter bestimmten Gründen vollständig die Herrschaft und Gewalt über sich verlieren. Wie kann man nun ans die. Volksmasse einwirken? Das kann auf verschiedene Art geschehen. Vor allen Dingen hat sie eine sehr rege Einbildungskraft und eine lebhafte Phantasie, so daß durch starke Eindrücke, plötzliche Zwischenfälle und unerwartete Ereignisse lebhafte Gemütsbewegungen hervorgerufen werden. Sie läßt sich am besten durch Bilder beeinflussen, weil sie nur in Bildern denkt und diese ans ihre Ein¬ bildungskraft suggestiv wirken. Allerdings anch das gesprochene Wort kann, suggestiv wirken, je nachdem, welches Temperament dem Redner zur Ver¬ fügung steht. Man wird zugeben müssen, daß ein temperamentvoller Redner, der kurze, zündende Worte - und mögen sie noch so unlogisch sein — in die Versammlung schleudert, mehr Erfolg hat, also weit größere Wirkungen hervor¬ ruft, als ein Mann, der ruhig, klar und streng logisch spricht. Das größte, stärkste und am raschesten wirkende Mittel ist demnach wohl das Filmbild, weil es eben der Einbildungskraft und Phantasie der Menge entgegenkommt und diese viel sicherer erfaßt, als das gesprochene Wort. Aber ein' weiterer großex Vorteil des Films besteht darin, daß er in vielen Städten des Deutschen Reiches zugleich gezeigt werden kann, wie es wohl kein Theaterstück und keine Zeitung so ausführlich, vielfältig und instruktiv in so kurzer Zeitspanne möglich machen kann. Dadurch, daß der Filu so große Einflußkraft hat und auf Tausende von Menschen, wenn auch nicht zu gleicher Zeit, so doch kurz hintereinander, gleich stark wirken kann und auch wirkt, wird man ermessen können, welche Rolle der Filu im sozialen Leben des Volkes spielt. Beispiele anzuführen, dürfte sich wohl erübrigen, da ja der Le^er sich solche selbst aus eigenen Erfahrungen und Be- obachtungen wird ins Gedächtnis zurückrufen können. Eignet sich also der Filu ganz besonders für eine Massensuggestion, so muß man naturgemäß bestrebt sein, nur gute, wirklich einwandfreie Filme in den öffentlichen Kinotheatern zu zeigen. Der Schaden könnte sonst unberechenbar sein, wie es sich Wohl jeder denkende Leser wird selbst sagen müssen. Unter diesen Schaden anrichtenden Filmen verstehe ich solche, die dem gesunden Menschenver¬ stand widersprechen, moralische und künstlerische Empfinden zerstören, anstatt zu fördern. Daß der Filu allerdings geradezu Verbrecher züchten kann, wirv wohl im Ernst niemand glauben wollen.') Welche merkwürdige Blüten aber die Ab- Vgl. K. Schmelzer „Kino und Verbrechen" im Filu-Kurier vom 22. April 1921 und Staatsanwalt a. D. Bulcke „Filu und Verbrechen" in der „Deutschen Allgemeinen Zeitung" vom 6. Juni 1921.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/354>, abgerufen am 24.07.2024.